Imaginationen
  1. 52 Seiten
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Über dieses Buch

Die noch in der Frühen Neuzeit als gefährlich angesehene "Einbildungskraft" erfuhr im 18. Jahrhundert eine radikale Aufwertung. In der Moderne wurde Imagination zu einem essentiellen Moment von Prozessen der Planung, des Entwerfens und Organisierens der Welt. Die Fähigkeit, Dinge in Zeit und Raum kreativ miteinander in Beziehung zu setzen, wird seitdem als unerlässliche Kraft der Geschichte betrachtet. Dieser Band konzentriert sich auf die Rolle von Imaginationen in Verräumlichungsprozessen.

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Information

Jahr
2019
ISBN
9783110641684

1Einleitung

Imagination bzw. Einbildungskraft bezeichnet die Fähigkeit, Ideen und Bilder sowohl im Geiste als auch mit Hilfe von Medien zu kreieren.1 Zentral ist dabei die mentale und durch Medien wie z.B. Bilder, Karten und Texte materialisierte Visualisierung von etwas hier und jetzt (noch) nicht Präsentem oder von etwas, das sich möglicherweise niemals realisieren wird. Imaginationen sind keine irrealen Hirngespinste, sondern stellen wichtige Triebkräfte (in) der Realität dar. Als „Vor- und Darstellungsvermögen“2, das etwas Abwesendes zu verbildlichen und (damit) zu versinnlichen in der Lage ist, galt die Imagination in der Frühen Neuzeit als eine körperliche und potenziell gefährliche Macht. Frauen, die während der Schwangerschaft etwas Hässliches sahen, wurden als gefährdet betrachtet, „monströse“ Kinder zu gebären.3 Das vormals als problematisch erachtete Vorstellungsvermögen erfuhr im 18. Jahrhundert eine radikale Aufwertung.4 In der Moderne wurde vor allem seine produktive Funktion wahrgenommen und die Imagination wurde zu einem essentiellen Moment von Prozessen der Planung, des Entwerfens und Organisierens der Welt. Die menschliche Fähigkeit, Dinge in Zeit und Raum kreativ miteinander in Beziehung zu setzen, wird seitdem als unerlässliche Kraft der Geschichte – auch der Raumgeschichte – betrachtet.
Jochen Schulte-Sasse argumentiert in seiner Begriffsgeschichte der Einbildungskraft, dass die potenziell disruptive Dimension der Imagination in der Moderne zunehmend in den Hintergrund gedrängt, die Imagination diszipliniert worden sei. Durch ihre Ausrichtung auf planerische und strategische Zwecke wurde die Einbildungskraft als „Entwurfsvermögen“ eingehegt.5 Sie ist aber stets mehr als ein Instrument logischer oder systematischer Problemlösung, vor allem weil sie eine starke affektive Dimension besitzt. Ängste und Begehren sind zentrale Triebkräfte und verleihen den Imaginationen Macht – nicht zuletzt die Macht, Experimentier- und Möglichkeitsräume zu eröffnen. In dieser – modernen – Variante wird der Begriff für die Forschungen des Sonderforschungsbereichs (SFB) 1199 „Verräumlichungsprozesse unter Globalisierungsbedingungen“ hier relevant.
Im folgenden Text, der Ergebnis einer interdisziplinären Zusammenarbeit im SFB ist, soll der für die Arbeit des Sonderforschungsbereichs konstitutive Begriff „Imaginationen“ aus geographischer, kultur- und literaturwissenschaftlicher Perspektive untersucht werden. Mit unserem Fokus auf Imaginationen wollen wir die Bedeutung schöpferischer und genuin ästhetischer Zugänge zur Welt hervorheben, die nicht nur in den Künsten, sondern auch für politische, sozio-ökonomische und wissenschaftliche Praktiken eine zentrale Rolle spielen.6 Wie Imaginationen mit den für den SFB grundlegenden Konzepten von Verräumlichung, Raumformaten und Raumordnungen zusammenhängen, stellen wir im folgenden Abschnitt dar. Anschließend beleuchten wir verschiedene disziplinäre Perspektiven auf Raumimaginationen. Schließlich zeigen wir an drei Beispielanalysen, wie sich diese unterschiedlichen Zugänge in der Analyse konkreter Phänomene und Texte niederschlagen.

2Die Rolle von Imaginationen im SFB 1199

Der SFB 1199 arbeitet, wie das heuristische Modell in Abbildung 1 zeigt, mit drei zueinander ins Verhältnis gesetzten Grundbegriffen: Verräumlichungen, Raumformate und Raumordnungen.

Heuristisches Modell des SFB 1199

Wir gehen in idealtypischer Weise davon aus, dass die Herstellung von „Räumen“ unter modernen Globalisierungsbedingungen seit Mitte des 18. Jahrhunderts durch einen dreistufigen Prozess geprägt ist, der empirisch beobachtet werden kann.7 Aus vergleichsweise vielen Verräumlichungen zahlloser Akteur_innen entstehen Raumformate. Globale oder großregionale Raumordnungen bauen sich wiederum aus historisch und regional spezifischen Mischungen von unterschiedlichen Raumformaten auf. Man kann also, so unsere Annahme, die sich mittlerweile durch die empirischen Untersuchungen des SFB bestätigt hat, zunächst vergleichsweise viele Verräumlichungen beobachten, die von unterschiedlichen Akteur_innen getragen werden. Einige dieser Verräumlichungen sind aus Gründen, die der SFB im synchronen und diachronen Wandel eingehend untersucht, jedoch erfolgreicher als andere. Denn ihr spezifischer Modus der Verräumlichung wird zum Vorbild und findet deshalb Nachahmer. Dergestalt werden unter Globalisierungsbedingungen machtvolle Raumformate etabliert; dazu gehören z.B. empire, „Nationalstaat“, „imperialer Ergänzungsraum“ oder „Region“. Kennzeichnend für alle diese Raumformate ist, dass sie historisch und regional wandelbare, jedoch immer jeweils strukturierte implizite Handlungsanweisungen darüber enthalten, was Akteur_innen in welchen Handlungszusammenhängen wie am besten verräumlichen sollen. Im Unterschied zu bloßen Verräumlichungen haben Raumformate deshalb bereits einen Prozess der Verdichtung und Verstetigung durchlaufen, so dass gilt: Es lassen sich immer mehr Verräumlichungen als Raumformate empirisch beobachten.
Einmal durch Routinisierung herausgebildet und anerkannt, fungieren Raumformate immer auch als ein Rahmen für weitere gegenwärtige und zukünftige Verräumlichungen. Verräumlichungen und Raumformate stehen deshalb in einem direkten Zusammenhang der Kontextualisierung – das symbolisiert der beide Begriffe verbindende abwärts gerichtete Pfeil auf der linken Seite des Modells. Eine wichtige Folge der Relation von Raumformaten und Verräumlichungen besteht darin, dass die potenziell mögliche Anzahl unterschiedlicher Verräumlichungen (wahrscheinlich sogar ziemlich stark) deshalb eingeschränkt wird, weil sich im Laufe der Zeit rekursive Schleifen herausbilden, da Raumformate ja als Ergebnisse einer bereits stattgefundenen erfolgreichen Durchsetzung bestimmter Modi der Verräumlichung zu interpretieren sind.
Raumordnungen, so die Hypothese des SFB, entstehen wiederum als Produkt einer Kombination von unterschiedlichen Raumformaten. Raumordnungen sind deshalb eher langlebig, aber auch stets umkämpft. Eine einmal durchgesetzte Raumordnung kann durch die Etablierung rekursiver Schleifen die Persistenz der sie aufbauenden Raumformate weiter verstärken – das symbolisiert der beide Begriffe verbindende abwärts gerichtete innere Pfeil auf der linken Seite des Modells. Existente, empirisch beobachtbare Raumordnungen können ihrerseits wiederum aber auch direkten Einfluss auf Verräumlichungen ausüben, weil sie ja aus Kombinationen von Raumformaten bestehen, und damit auch deren routinisierte Modi von Verräumlichungen implizit mitschleppen – das symbolisiert der abwärts gerichtete äußere Pfeil auf der linken Seite des Modells.
Wenn nun aber erstens gilt: man kann stets mehr Verräumlichungen als Raumformate und wiederum stets mehr Raumformate als Raumordnungen beobachten, und wenn zweitens gilt: einmal herausgebildete Raumformate fungieren als Kontexte für Verräumlichungen, und einmal herausgebildete Raumordnungen darüber hinaus als Kontexte für Raumformate und Verräumlichungen, dann stellt sich bei so viel im Zeitverlauf erwartbarer Konvergenz und Verstetigung die Frage: Wodurch kommt überhaupt Bewegung ins Spiel?
Eine unserer Antworten lautet: durch Imaginationen! Denn offensichtlich können Imaginationen Evidenz herstellen und deshalb Modi und Praktiken von Verräumlichungen beeinflussen. Sie scheinen auch ein gewisses Potenzial zu besitzen, Komplexität zu reduzieren. Dies bewerkstelligen sie vor allem dadurch, dass sie mit Mustern arbeiten, die vergleichsweise einfach kommuniziert, erlernt und reproduziert werden können und dergestalt dann schließlich Blicke und Wahrnehmungen auf „die“ Realität lenken.
Imaginationen helfen deshalb einerseits, das symbolisieren die nach oben weisenden inneren Pfeile auf der rechten Seite des Modells, dass bestimmte Modi von Verräumlichungen einen Konzeptcharakter annehmen und so die Herausbildung von Raumformaten und schließlich sogar neuer Raumordnungen unterstützen können. Auf diese Weise tragen Imaginationen zur Verdichtung und Verstetigung bei. Andererseits können sie aber auch als alternative Entwürfe dafür sorgen, dass sowohl existente Raumformate wie existente Raumordnungen fragil werden. Denn Imaginationen können nicht nur zur Herstellung von Ordnung und Dauer, sondern gleichermaßen auch zur Herstellung von Devianz und damit zur Veränderung beitragen, indem sie neue Experimentier- und Möglichkeitsräume schaffen. Die abwärts gerichteten Pfeile im Inneren des Modells symbolisieren diesen paradoxen, noch weitere eingehende Analysen erfordernden Zusammenhang.
Folgt man dem Hirnforscher Gerald Hüther, so haben Imaginationen – und mithin auch solche über Raum – eine gewaltige produktive Kraft, unabhängig davon, ob sie in der Wissenschaft, in der Kunst oder im Alltag generiert werden. In Die Macht der inneren Bilder stellt er fest, dass letztlich „[n]ichts weiter als nackte Bilder, bloße geistige Vorstellungen […] die entscheidenden, die Menschheit bewegenden, die Menschheitsentwicklungen bestimmenden Kräfte“ sind. Hüther fährt fort:
Die historische Beweislast ist erdrückend: Soweit wir überhaupt nur zurückdenken können, haben Menschen offenbar innere Bilder über die Beschaffenheit ihrer äußeren Welt entwickelt und zur Gestaltung dieser Welt benutzt. Im Laufe der Menschheitsgeschichte zu unterschiedlichen Zeiten und unterschiedlichsten Bedingungen in den Gehirnen einzelner Menschen erst einmal entstanden, haben bestimmte Visionen und Ideen als individuelle und kollektive Leitbilder die bisherige Lebens- und Weltgestaltung der Menschen auf dieser Erde bestimmt.8
Hüther bezieht sich dabei nicht nur auf Wissenschaftler_innen und Entdecker_innen, sondern verweist auch auf die Möglichkeiten von Schriftsteller_innen und Künstler_innen, neue Imaginationen in Menschen auszulösen, damit existente Vorstellungen „zu öffnen“ und so auch kollektive Vorstellungen von Welt und letztlich von „Raum“ (mit) zu prägen.9
Imaginationen als geistige Bilder und Vorstellungen materialisieren sich in unterschiedlichen Medien und Praktiken – in Karten, in Erlebniswelten, in Texten und Kunstwerken. In ihrer materialisierten Form können sie intersubjektiv wirksam werden. Jede dieser Darstellungsformen weist Eigenheiten auf, die die Art und Weise der Manifestation von Imaginationen und ihre Wirkung beeinflussen. Ein interdisziplinärer Zugang zu Raumimaginationen scheint daher hochproduktiv. Hier zeigt sich die Stärke der Kunst-, Literatur- und Kulturwissenschaften ebenso wie der visual culture studies und der critical cartography, die mit ihren jeweiligen Analyseinstrumenten und fachspezifischen Einsichten Aufschlüsse über die unterschiedlichen Dimensionen der imaginationsgeleiteten Konstruktion von Raum in verschiedenen Medien und Praktiken und über die Wirksamkeit von Raumimaginationen in ihren jeweiligen gesellschaftlichen Kontexten bringen können. Nicht zuletzt ist dabei auch ein Mehrwert für die Untersuchung von Imaginationen in anderen gesellschaftlichen Bereichen wie Politik oder Wirtschaft zu erwarten, was die Relevanz der hier vorgestellten disziplinären Perspektiven für den SFB verdeutlicht.

3Disziplinäre Perspektiven auf Raumimaginationen

Wo liegen die Interferenzen zwischen wissenschaftlich-geographischen, lebensweltlich-alltagskulturellen und künstlerisch-literarischen Raumvorstellungen? An dieser Stelle wollen wir ausloten, welchen Stellenwert Raumimaginationen in der Geographie, den Kulturwissenschaften und der Literaturwissenschaft einnehmen, welche Kulturtechniken des Imaginierens dabei sichtbar werden, und welche kulturelle Arbeit solche Imaginationen verrichten. Dabei sollen auch die Berührungspunkte und Synergien zwischen den Disziplinen im Hinblick auf eine interdisziplinäre Diskussion von Raumimaginationen deutlich werden.
Tanja Michalsky hat in einem Essay über Interferenzen in den Diskursen von Geographie und Malerei ...

Inhaltsverzeichnis

  1. Cover
  2. Titelseite
  3. Impressum
  4. Inhalt
  5. 1 Einleitung
  6. 2 Die Rolle von Imaginationen im SFB 1199
  7. 3 Disziplinäre Perspektiven auf Raumimaginationen
  8. 4 Beispielanalysen
  9. 5 Schluss