707. Infanteriedivision
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707. Infanteriedivision

Strafverfolgung, Forschung und Polemik um einen Wehrmachtsverband in Weißrußland

  1. 121 Seiten
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707. Infanteriedivision

Strafverfolgung, Forschung und Polemik um einen Wehrmachtsverband in Weißrußland

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Über dieses Buch

Stefan Scheil wirft einen kritischen Blick auf den wissenschaftlichen Streit und die Strafverfolgung um die 707. Infanteriedivison der deutschen Wehrmacht. Die Division ist seit den 1990er Jahren öffentlich beschuldigt worden, sich aus eigenem Antrieb an der Verfolgung und Ermordung der jüdischen Bevölkerung in ihrem Einsatzgebiet im heutigen Weißrußland beteiligt zu haben. Scheil zeigt, daß die Quellen und die Ermittlungen der bundesdeutschen Justiz in der Nachkriegszeit etwas anderes bewiesen haben. Eine akribisch gearbeitete Studie über bundesdeutsche Geschichtspolitik, militärischen Kampf, Verhängnis und Verbrechen auf einem komplizierten Kriegsschauplatz.

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Information

Jahr
2018
ISBN
9783869331997

Ein Panorama von Forschung und Meinung

Weltkrieg und bundesdeutsche Gesellschaftskritik

In welchem Umfang die seit den 1990ern in Deutschland geführte Wehrmachtsdebatte ein Nachklang der politischen Auseinandersetzungen ist, die sich begrifflich allgemein mit dem Jahr „1968“ verbinden, das illustriert zum Beispiel die Biographie eines der Hauptbeteiligten. Der 1941 geborene Historiker Hannes Heer absolvierte gewissermaßen eine mustergültige 68er Karriere. Er trat früh der Studentenbewegung bei, ließ sich 1965 in den Asta wählen, wurde ein Jahr später Mitglied des Sozialistischen Deutschen Studentenbundes und wegen seiner Nähe zu kommunistischen Organisationen nach Abschluß des Studiums 1969 nicht als Referendar übernommen. Diesem klassischen Werdegang folgten der Marsch durch verschiedene kulturelle Institutionen, bei Theater und Film, zeitweise universitäre Lehraufträge und auf diese Weise die Mitarbeit an dem allgemeinen Großprojekt der politischen Linken, in der Bundesrepublik ein Geschichtsbild zu etablieren, das dem Land als ganzem eine Täterperspektive verordnete. Obwohl dabei viele Klischees und Stereotypen des realsozialistischen Antifaschismus der Deutschen Demokratischen Republik übernommen und gepflegt wurden, zielte die 68er Bewegung dabei auf eine andere Deutung des Faschismus. Deutete die DDR den bekämpften „Faschismus“ als Klassenherrschaft und Sonderform des Kapitalismus, suchte der bundesdeutsche 68er ihn in Kinderzimmer und Familie, in der „autoritären Person“ und der „patriarchalischen Gesellschaft“, also eigentlich überall, wo bürgerlich gelebt wurde.
Damit war klar, daß es ideologische Unterschiede zwischen dem Bürgertum zur Zeit des Nationalsozialismus und den bisher als Träger des Regimes begriffenen NS-Organisationen eigentlich nicht gegeben haben durfte. Eine solche Differenz stellte das 68er Weltbild fundamental in Frage, daher mußte behauptet werden, sie habe nicht existiert. Dieser Zusammenhang ist in der Wehrmachtsdebatten umfassend spürbar geworden. Die Gefahren für die eigene Position witternd, hat ihn Hannes Heer allerdings abgestritten, zum Beispiel hier, als Reaktion auf Ulla Hahns Roman „Unscharfe Bilder“:
„Ulla Hahn, 1945 geboren, will etwas zurechtrücken und wiedergutmachen. Für sie war die Wehrmachtsausstellung nicht die längst fällige Offenlegung der Wahrheit, sondern ein mitleidloses Tribunal und ein später Sieg der 68er über die eigenen Eltern. Gegen diese Chimäre hat sie ihren Roman geschrieben. Der Kriegsgeneration soll Gerechtigkeit widerfahren, sie muß den Raum und die Zeit haben, ihre in der Öffentlichkeit unterdrückten Bilder zu präsentieren. Nur eine solche Wiedergutmachung, das erzählt das sentimentale Finale, ermöglicht Versöhnung.“19
Gegen solche und andere Versuche zur Objektivierung und Gerechtigkeitsfindung für die Kriegsgeneration wehrte sich Heer mit vollem Einsatz. Die sogenannte „Wahrheit“ war für ihn erst durchgesetzt, wenn alle als Mörder dastanden:
„So verkehrt sind sie nicht, die Großväter und Väter, die uns von Medicus, Hahn und Surminski präsentiert werden. Auf den Bildern sind Menschen zu sehen und keine Mörder. Dieses Ergebnis verdankt sich allerdings einem groben Fehler: Die Kamera hat gewackelt. Alles unscharfe Bilder.“20
Damit wäre dann auch das Ziel des geschichtspolitischen Ansatzes beschrieben, der mit der „Wehrmachtsausstellung“ verfolgt wurde. Es ging um die Entmenschlichung der 1939 bis 1945 lebenden Deutschen und ihre kollektive Darstellung als Täter. Heer stellte dieses Projekt in eine zufällig anmutende Reihe mit dem Spielberg-Film über „Schindlers Liste“, den Veröffentlichungen des Historikers Christopher Browning über „ganz normale Männer“ als Täter in den Polizeibataillonen und mit dem polemischen Geschichtsforscher Daniel Goldhagen, dessen phantasievolle Ansichten über „Hitlers willige Vollstrekker“ der Wehrmachtsausstellung zeitlich unmittelbar voraus erschienen waren. Hier wurden seriöse historische Forschungen wie die von Browning, fiktionale Bearbeitungen wie die von Spielberg und eine von politischen Absichten durchzogene Darstellung wie die von Goldhagen zum Zweck der Erstellung des wünschenswerten Gesamtbilds in einen Topf geworfen und nach Belieben ausgewertet. Das funktionierte nicht ohne Fehler in der Sache. Auch zeitgenössische Quellen, wie die Tagebücher Viktor Klemperers mußten in gewünschter Weise umgedeutet werden. Für Heer:
„zeigten sie nicht nur, wie das Regelwerk der antijüdischen Gesetze und seine uniformierten Vollstrecker das alltägliche Leben zur Hölle machten, sondern die präsentierten feige Universitätkollegen, mitleidlose Nachbarn, verhetzte Hitlerjungen, kurzum: die Volksgemeinschaft in Aktion.“21
Nun waren bei Klemperer in Wahrheit Passagen zu finden, in denen ausgerechnet das Gegenteil zu lesen war „Das Volk ist ein Trost“ und „Fraglos empfindet das Volk die Judenverfolgung als Sünde“,22 da es sich eben nicht so verhalten hatte, wie Heer das hier herauslesen wollte.23 Damit wären wir bei der Wahrheitsliebe des Autors Heer und seine Rolle für das Geschichtsbild über die 707. Infanteriedivision.
Hannes Heer machte im Rahmen seit Mitte der 1990er Jahre eine gewisse Karriere, indem er der 707. Inf.-Div. und ihrem Kommandeur eine Sonderrolle attestierte. Sie seien als Wehrmachtsangehörige massiv und aus eigenem Antrieb an der Ermordung sowjetischer Juden beteiligt gewesen. Durch die Zeitumstände der damaligen „Wehrmachtsdebatte“ bekam dies eine ungeahnte Popularität, die auch durch Hannes Heers nachweisliche Fehler, Unsachlichkeit und Polemik kaum beeinträchtigt wurde. Zwar mußte die von ihm konzipierte erste Fassung der Wehrmachtsausstellung des Hamburger Instituts für Sozialforschung die Tore schließen und er selbst seinen Posten räumen. Dennoch fing das Netzwerk politisierender Geschichtsschreiber ihn so weit auf, daß er weiter andernorts im alten Sinn und mit öffentlicher Resonanz publizieren konnte.
So kam denn auch der Aufsatz „Gustav Freiherr von Mauchenheim, genannt Bechtolsheim – ein Wehrmachtsgeneral als Organisator des Holocaust“ zustande. Er erschien im Jahr 2003 in Gerhard Pauls und Klaus-Michael Mallmanns „Karrieren der Gewalt“ und erhob die schon aus dem Untertitel erkennbaren starken Vorwürfe. Bechtolsheim sei demnach nicht nur Mitwisser, sondern Täter und aktiver Vorbereiter des Holocaust in Weißrußland gewesen. Er habe dort am 1. September 1941 sein Amt als „Vertreter des Wehrmachtsbefehlshabers Ostland im Generalkommissariat Weißruthenien“ angetreten,24 so Heer:
„Die erste dienstliche Verlautbarung des bisher durch antisemitische Äußerungen nicht aufgefallenen Generalmajors überraschte. In einem Bericht zur Lage vom 10. September informierte er die Truppe über die von den Juden ausgehende Gefahr: ‚Die jüdische Schicht, die in den Städten den größten Teil der Bevölkerung stellt, ist die treibende Kraft der sich mancherorts anbahnenden Widerstandsbewegung. … Die jüdische Bevölkerung ist bolschewistisch und zu jeder deutschfeindlichen Haltung fähig. Zu ihrer Behandlung bedarf es keiner Richtlinien.‘ Mit Hinweis darauf, daß ‚Weißruthenien … keineswegs als befriedet zu betrachten sei, forderte er Verstärkung, um dieser Gefahr begegnen zu können. Das zeigte Wirkung. Am 4. Oktober erhielten zwei Kompanien des in Kowno stationierten RPB 11, verstärkt durch drei litauische Kompanien, den Marschbefehl nach Minsk. Dort wurden sie Bechtolsheim direkt unterstellt.“25
Es wäre demnach also Bechtolsheim gewesen, der für die Stationierung von Polizeibataillonen und litauischen Kompanien in Weißrußland verantwortlich gewesen sei und auch für die antisemitische Ausrichtung seiner eigenen Wehrmachtseinheiten. Damit würde er für die Taten dieser Einheiten unmittelbare Verantwortung tragen. Für Heers weitere Behauptungen ist dieser Zusammenhang zentral. Sehen wir ihn uns daher näher an. Als Beleg für seine Ausführungen nennt Heer zunächst einmal den im Weißrussischen Staatsarchiv befindlichen „Lagebericht 1.-10.9.“ vom 10. September 1941 (BSA 651-1-1.) mit seinen judenfeindlichen Äußerungen. Dann verweist er auf den angeblich damit zusammenhängenden Marschbefehl an die genannten Truppen (BdO Ostland an RKO v. 17.10.1941 ebd.) und läßt schließlich für die Frage der Unterstellung eine ganze Indizienkette folgen:
„Kdt. i. W./Ia v. 27.10.1941, dto. v. 3.11.1941, dto. Befehl Nr. 27 v. 10.11.1941, alle BSA, 378-1-698; GenK Weißruthenien an RKO v. 1.11.1941, IfZ, Nbg. Dok. PS 1104“.
Hinter diesen trockenen Buchstabenreihen steckt eine erstaunliche Wissenschaftssimulation. Das fängt damit an, daß es sich bei dem „Lagebericht“ um einen unvollständigen Text und bloß maschinengeschriebenen Zettel ohne weitere archivalische Kennzeichen oder gar handschriftlichen Beleg einer Autorschaft handelt. Ob er letztlich tatsächlich so verfasst weitergegeben wurde, ist wie bei vielen ähnlichen Dokumenten unklar. Auf diesen Hinweis kann man nicht verzichten, auch wenn strenge Quellenkritik dieser Art zu den Dingen gehört, die in der Geschichtsschreibung zum Zweiten Weltkrieg selten sind. Aber nehmen wir einmal an, der Text sei der authentische Lagebericht des Kommandaten in Weißruthenien. Wie sieht es dann mit dem Inhalt und dessen Belegwert für Heers Angriffe auf Bechtolsheim aus? Es sieht nicht gut aus. Zunächst einmal versucht Hannes Heer, dem „Lagebericht“ vom 10. September durch Zitatkürzung eine spezifisch antijüdische Richtung zu geben, die dieser im Original gar nicht hat. Diese Methode ist aus den Vorgängen um die Wehrmachtsausstellung bekannt, nur daß dort gelegentlich nicht nur gestrichen, sondern frei ergänzt, will sagen: gefälscht wurde.26 Sehen wir uns deshalb den Originalzusammenhang an. Wo Hannes Heer drei unscheinbare Punkte zurückgelassen hat, steht dort eine längere Ausführung:
„Die jüdische Schicht, die in den Städten den größten Teil der Bevölkerung stellt, ist die treibende Kraft der sich mancherorts anbahnenden Widerstandsbewegung. Im Verein mit eingefleischten Bolschewisten, Weißruthenen, Polen und Großrussen, bedeuten sie weiterhin eine große Gefahr. (Neben die politische Sabotage tritt noch die wirtschaftliche, die sich in Schiebereien usw. auswirkt). Nach Meldungen der G.F.P. versuchen die Juden durch Drohung, die Bauern zu zwingen, die Ernte nicht mehr einzubringen bzw. die Ernte zu vernichten. Bei Nichtbefolgung werden Vergeltungsmaßnahmen bei der zu erwartenden Rückkehr der Bolschewisten angedroht. Diese Drohungen bewirken bei den Bauern, wenn nicht gerade die Ausführung der Weisungen, so doch zum mindesten eine ebenso verhängnisvolle abwartend und passive Haltung.
Zu der ganzen politischen Lage in Weißruthenien ist folgendes zu sagen:
Die jüdische Bevölkerung ist bolschewistisch und zu jeder deutschfeindlichen Haltung fähig. Zu ihrer Behandlung bedarf es keiner Richlinien.
Die Polen sind zum größten Teil durchaus deutschfeindlich. Sie streben nach der Wiederaufrichtung des polnischen Staates und versuchen durch Falschheit und Hinterlist sich einschmeichelnd sozusagen unter dem Schutz der Deutschen dieses Ziel zu erreichen.”27
Schließlich macht der Bericht im weiteren nur beim weissrussischen Teil der Bevölkerung eine gewisse Deutschfreundlichkeit aus, die aber gepflegt werden müsse, sonst „ist auch dieser Volksteil für eine positive und willige Aufbauarbeit verloren“.28
Die „jüdische Schicht“ wird demnach hier im Original in unmittelbarem Zusammenhang mit „Bolschewisten, Weißruthenen, Polen und Großr...

Inhaltsverzeichnis

  1. Cover
  2. Titel
  3. Impressum
  4. Inhalt
  5. Vorwort
  6. Einleitung
  7. Vorspiel Verdun
  8. Ein Panorama von Forschung und Meinung
  9. Weitere inhaltliche Einzelfragen
  10. Zusammenfassung
  11. Anhang
  12. Abkürzungsverzeichnis
  13. Index
  14. Fußnoten