Der Aufstand
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Der Aufstand

Über Poesie und Finanzwirtschaft

  1. 187 Seiten
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Der Aufstand

Über Poesie und Finanzwirtschaft

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Über dieses Buch

Wie lässt sich ein Wirtschaftssystem erklären, in dem Geld durch Geld erzeugt wird? Angesichts eines Informationskapitalismus, in dem Warenproduktion und körperliche Arbeit nur noch als Reminiszenz an alte Zeiten mitgeschleppt werden, zeigt der italienische Philosoph "Bifo" Berardi, dass wir es mit einem System zu tun haben, das vor hundert Jahren bereits von Dichtern wie Mallarmé antizipiert wurde: Der Signifikant hat den Bezug zu seinem Referenten verloren, "Schulden sind ein bloßer Akt der Sprache, ein Versprechen." Daher müssen wir zunächst lernen, die Zeichen zu lesen, sie so zu interpretieren, wie man Poesie interpretiert. Der Akt der Interpretation lehrt uns Empathie, er ist der erste Schritt zu einer neuen Solidarität, die den "erotischen Körper des gesellschaftlichen Lebens" reaktivieren kann.Ausgehend von der Finanzkrise 2008 und dem europäischen Kollaps dekonstruiert Berardi die Sprache und die Mythen des Neoliberalismus und ruft zu einer Revolution der Langsamkeit und des Rückzugs auf, mit der wir den Niedergang nicht zu fürchten brauchen.

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Information

1
EUROPAS KOLLAPS

Das schwarze Loch des Finanzwesens
und die verschwindende Welt

Das Finanzwesen ist die abstrakteste Ebene der ökonomischen Symbolisierung. Im Finanzwesen erreicht der Prozess der progressiven Abstraktion, der mit der kapitalistischen Industrialisierung begann, seinen Höhepunkt. Marx spricht von der abstrakten Arbeit als einer immer weiteren Entfernung des menschlichen Handelns von seiner konkreten Nützlichkeit. In seinen Worten ist der Kapitalismus nichts anderes als die Verwendung menschlicher Fähigkeiten auf ein viel abstrakteres Ziel: die Wertakkumulation. Nichtsdestotrotz bedeutete die Produktion von Gebrauchsgegenständen im Zeitalter der Industrialisierung, wie es von Marx analysiert wurde, einen nötigen Schritt innerhalb des Verwertungsprozesses an sich. Um abstrakten Wert zu schaffen, war der Industriekapitalist gezwungen, nützliche Dinge zu produzieren. Dies ist heute, also in der Sphäre des Semio-Kapitals, nicht länger der Fall. In der Welt des Finanzkapitalismus wählt die Akkumulation nicht mehr den Umweg über die Warenproduktion, sondern hält geradewegs auf ihr monetäres Ziel zu und schöpft unterwegs noch zusätzlichen Wert aus der reinen Geldzirkulation, aus der Virtualisierung des Lebens sowie aus der Kraft des Verstandes.
Die Finanzialisierung und die Virtualisierung der menschlichen Kommunikation sind offensichtlich eng miteinander verflochten: Dank der Digitalisierung unserer Tauschgeschäfte ist das Finanzwesen zu einem gesellschaftlichen Virus geworden, der sich überall ausbreitet und alles in ein Symbol verwandelt. Die symbolische Spirale der Finanzialisierung verschlingt die Welt der physischen Dinge, der konkreten Fähigkeiten und des Wissens. Der konkrete Wohlstand Europas verschwindet in einem schwarzen Loch der reinen finanziellen Zerstörung. Durch diese Zerstörung wird nichts geschaffen, während die finanzielle Klasse das Produkt der allgemeinen Arbeitskraft und des general intellect zwangsenteignet.
Jean Baudrillard vergleicht die stetig wachsenden Staatsschulden der USA mit einer Missile-Rakete, die über der irdischen Atmosphäre ihre Kreise zieht.
»Eine Leuchttafel am Times Square zeigt an, wie hoch die amerikanischen Staatsschulden sind – eine astronomische Summe von etlichen Tausend Milliarden Dollar, die sich pro Sekunde um weitere 20.000 Dollar erhöht. […] Natürlich wird diese Schuld niemals beglichen werden. Keine Schuld wird jemals beglichen werden. Das Zählen wird niemals enden. […] Eigentlich sind die USA längst zahlungsunfähig, doch ihre Zahlungsunfähigkeit wird keine Konsequenzen haben. Für diese Form des ›eigentlichen‹ Bankrotts wird es keinen Tag der Abrechnung geben. […] Wenn man sich diese Leuchttafel am Broadway mit ihren fliegenden Zahlenkolonnen anschaut, dann scheint es so, als wolle die Gesamtsumme der Schulden abheben, um die Stratosphäre zu erreichen. Diese Zahl ist letztlich nichts anderes als die Gesamtzahl aller Lichtjahre, die dort irgendwo im Kosmos verschwinden. Die Geschwindigkeit, mit der wir uns von unseren Schulden befreien, ist wie ein Erdsatellit, nichts anderes: Die Schulden kreisen in ihrem ganz eigenen Orbit, in ihrer eigenen Flugbahn, die aus Kapital besteht. Dieses Kapital ist von nun an von aller ökonomischen Kontingenz befreit, es bewegt sich in einem Paralleluniversum (die Beschleunigung des Kapitals hat das Geld aus seiner Einbindung in das ganz alltägliche Universum der Produktion, des Werts und der Nützlichkeit befreit). Dabei ist dieses Universum nicht einmal orbital, kreisförmig: Vielmehr ist es ex-orbital, ex-zentriert, ex-zentrisch, und die Wahrscheinlichkeit ist sehr gering, dass es sich jemals wieder mit dem unseren vereinigen wird.«11
Entgegen dieser Prognose ist diese einfache Wahrscheinlichkeit, die selbst Baudrillard für nur sehr gering hielt, in den vergangenen Jahren zu einer Tatsache geworden. Die Schulden sind auf die Erde zurückgekehrt, und nun dienen sie der finalen raubtierhaften Abstraktion als Voraussetzung: das Leben wird in Zeit verwandelt, um auf diese Weise eine metaphysische Schuld zu begleichen. Das Leben, der Verstand, die Lust, das Atmen – die Menschheit wird geopfert werden, um metaphysische Schulden abzubezahlen.
In den letzten Jahrzehnten eines Jahrhunderts, das auf die Zukunft gesetzt hatte und von der politischen Hegemonie des neoliberalen Dogmas gekennzeichnet war, oblag es Adam Smiths »unsichtbarer Hand«, die globale Technologie der linguistischen Maschine nach Belieben zu gestalten und die Sprache, jene für den Menschen gänzlich unentbehrliche Umgebung, in ein verdrahtetes, automatisiertes System zu verwandeln.
Die grundlegenden Prozesse der sozialen Kommunikation und Produktion sind den Möglichkeiten des menschlichen Wissens und der menschlichen Kontrolle entglitten. Irreversible Entwicklungen der Verwüstung, Verschmutzung und Verarmung beschreiben den Horizont unserer Zeit.
Slavoj Žižek hat wiederholt betont, dass das Ende der Welt keineswegs bevorstehe, sondern allenfalls das mögliche Ende des Kapitalismus, das wir uns jedoch nicht vorstellen könnten. Žižek mag Recht haben. Trotzdem sollten wir die Möglichkeit in Betracht ziehen, dass der Kapitalismus jedwede physische und imaginäre Dimension der Welt so sehr durchdrungen hat, dass sein Kollaps auch zum Ende der Zivilisation an sich führen könnte.
Die Finanzialisierung der Ökonomie kann im Grunde als ein, von der linguistischen Maschine betriebener, Klassifizierungsprozess sämtlicher Kommunikations- und Produktionsprozesse betrachtet werden. Die immateriellen semiotischen Ströme sind in die Ökonomie eingedrungen und haben sie in einen linguistischen Austauschprozess umgestaltet. Zugleich ist die Sprache von der digital-finanziellen Maschine vereinnahmt und in eine Rekombination konnektiver operationaler Segmente umgewandelt worden. Die techno-linguistische Maschine, also das finanzielle Netz, handelt als lebender Organismus, dessen Mission darin besteht, die Welt auszutrocknen.
Ich will versuchen, den Prozess der sich anbahnenden Auflösung aus der ungewöhnlichen Perspektive der Beziehung zwischen Poesie und Finanzwesen zu begreifen. Was hat die Poesie mit dem Finanzwesen zu tun, und was hat das Finanzwesen mit der Poesie zu tun? Natürlich nichts. Investoren, Aktienbesitzer und Banker sind für gewöhnlich viel zu beschäftigt, d. h. sie verschwenden ihre Zeit nicht mit Poesie. Dichter sind zu arm, um ihr Geld an der Börse zu investieren. Es gibt Ausnahmen, wie T. S. Eliot, der bei der Lloyds Bank angestellt war, während er The Waste Land schrieb, aber darum soll es mir gar nicht gehen.
Mit geht es hier um den Deterritorialisierungseffekt, der die Worte von ihren semiotischen Referenten und das Geld von Handelsgütern abgekoppelt hat.
Wir werden uns nun diesen Dereferenzialisierungseffekt genauer ansehen, also den Leitfaden bald sämtlicher poetischer Erkundungen des 20. Jahrhunderts (angefangen mit dem symbolistischen dérèglement de sens et des mots), und wir werden einige Ähnlichkeiten mit den verschiedenen ökonomischen Rekonfigurationen der letzten drei Jahrzehnte des vergangenen Jahrhunderts feststellen können; mit der neoliberalen Deregulierung beispielsweise oder mit der monetaristisch-abstrakten Reregulierung.
Mit der technologischen Revolution der Informationstechnologie wurde die Beziehung zwischen Zeit und Wert dereguliert. Zugleich ist die Beziehung zwischen Zeichen und Ding unklar worden, weil nämlich die ontologische Bedeutungsgarantie, die auf dem referenziellen Status des Signifikanten ruht, auseinandergebrochen ist.
»Deregulierung« ist ein Wort, das zuerst von dem Dichter Arthur Rimbaud in Umlauf gebracht und später von neoliberalen Ideologen als Metapher recycelt worden ist. Dérèglement de sens et des mots ist die spirituelle Skyline der spätmodernen Poesie. Worte und Bedeutungen wollten aus dem Rahmen der Repräsentation, Denotation und naturalistischen Reproduktion entkommen. Also begannen das Wort und die Bedeutungen ihre eigene Welt zu gestalten, anstatt weiterhin lediglich die existierende Realität zu reflektieren oder zu reproduzieren.
Die neoliberale Ideologie setzt bei der exakt selben Betonung von Deregulierung und Freiheitskult an.
Natürlich ist die Ähnlichkeit zwischen poetischer und finanzieller Deregulierung irreführend. Schlagkräftig ist der Vergleich trotzdem.
Die neoliberale Ideologie sieht nicht etwa vor, dass die Deregulierung jedem einzelnen sozialen Molekül vollkommene Bewegungsfreiheit und absolute Regellosigkeit garantieren soll. Vielmehr zielt sie darauf ab, sämtliche Formen des gesellschaftlichen Handelns von jedweder Regulierung zu befreien – mit Ausnahme der Regulierung durch das Geld und durch die Herrschaft des Wettbewerbs, die von allen die unerbittlichste ist.
Hierum geht es mir. Indem er sie von den Zwängen einer politischen Regierung befreit, unterwirft der Finanzkapitalismus die Verhaltensmuster der Gesellschaft einer techno-linguistischen Governance.
Governance ist ein Schlüsselwort im Prozess der Finanzialisierung der Welt.
Reine Funktionalität ohne jede Bedeutung. Automatisierung des Denkens und Willens.
Die Einbettung abstrakter Verknüpfungen in die Beziehungen lebender Organismen.
Die technische Unterwerfung der Wahlmöglichkeiten unter die Logik der Verkettung.
Die Rekombination kompatibler (kompatibilisierter) Fragmente (Fraktale).
Die Einschreibung eines digitalen Rhythmus in den gesellschaftlichen Körper.
Im neoliberalen Jargon meint Deregulierung die Befreiung von den Zwängen, die der bewusste Wille schafft, zugleich aber auch die Unterwerfung unter techno-linguistische Automatismen.

Mathematische Unerbittlichkeit und
symbolische Insolvenz

Wie die impressionistischen Maler sagten auch die symbolistischen Dichter: »Ich will nicht den Gegenstand zeigen, ich will zeigen, wie er auf mich wirkt.«
Die Symbolisten fordern die Leser auf, den Referenten zu vergessen. Das symbolistische Wort soll nicht den Gegenstand repräsentieren, sondern in unserer Fantasie eine Welt evozieren.
Das symbolistische Wort soll nicht als Epiphanie erscheinen oder als Apparition aus dem Nichts. Ich sage: »Die Rose«, und die Rose ist da, aber nicht etwa, weil sie ein repräsentierter Referent ist, sondern weil sie die Folge eines Stimmaktes ist. Sie ist die Folge einer pragmatischen Verschiebung von Erwartungen.
In der Dichtung des Symbolismus entsteht Bedeutung nicht durch die Repräsentation einer bereits existierenden Realität oder durch die Korrespondenz mit einem Referenten, sondern durch die evokative Kraft des Klangs und der Stimme und des Rhythmus.
Der Symbolismus arbeitete an der Dereferentialisierung der Sprache, also an der Emanzipation des linguistischen Zeichens vom Referenten. Diese Dereferentialisierung war das Gütesiegel poetischer und künstlerischer Sprachexperimente im 20. Jahrhundert, und sie hat etwas mit einer Transformation des Verhältnisses zwischen Ökonomie und monetärem Austausch zu tun, die sich gegen Ende des Jahrhunderts ereignete.
Im Jahr 1972 tat Richard Nixon etwas, das man als »Dereferentialisierung« der monetären Ökonomie bezeichnen kann. Der Präsident der USA brach die Vereinbarungen von Bretton Woods, als er verkündete, dass der Dollar von nun an in keinerlei Beziehung zur Realität mehr stehen werde; dass sein Wert von nun an nicht mehr durch sein Verhältnis zu einem Standard oder zu einem ökonomischen Referenten bestimmt werde, sondern durch einen Sprachakt.
Nixons Entscheidung bedeutete den Beginn einer Finanzialisierung der Ökonomie, die auf der Emanzipation der finanziellen Dynamik von jedem Standard und jedweder ökonomischen Realität gründete.
Heute können wir festhalten, dass die neoliberale Diktatur in dem Moment begann, als die Chicago Boys erklärten, dass das Geld die Realität erfunden habe, und als die Evaluierung des Geldwerts den Referenten ausschloss. Vergesst den Referenten, das Geld erschafft die Welt – so lautet jene überhebliche Deklaration der Omnipotenz ökonomischer Macht, die den neoliberalen Monetarismus begründete.
Während die Ökonomie sich immer weniger mit der Warenproduktion beschäftigt und stattdessen aus der Geldzirkulation eine neue Welt zu beschwören beginnt, lässt es sich nicht vermeiden, dass unsere Verschuldung auf geradezu hypertrophische Weise ansteigt.
Die neoliberale Ideologie gibt vor, eine befreiende Kraft zu sein, die das Kapital von der staatlichen Regulierung emanzipiert. Tatsächlich jedoch unterwirft sie die Produktion und das gesellschaftliche Leben der unerbittlichsten Regulierung, nämlich der Mathematisierung der Sprache.
Die Logik der Schuldenrückzahlung zwingt das gesellschaftliche Leben zur systematischen Verarmung. Was genau sind Schulden? Sind sie eine metaphysische Notwendigkeit, der sich nicht entkommen lässt? Nein. Schulden sind ein Akt der Sprache, ein Versprechen. Dass Schulden zu einer absoluten Notwendigkeit werden, ist eine Folge der Religion des Neoliberalismus, die unsere Welt auf die Barbarei zuführt und auf vollkommene soziale Verwüstung.
Die Prämisse des neoliberalen Dogmatismus ist die Reduktion des gesellschaftlichen Lebens auf die mathematischen Implikationen finanzieller Algorithmen. Was für das Finanzwesen gut ist, muss auch für die Gesellschaft gut sein, und wenn die Gesellschaft diese Ineinssetzung und Unterwerfung nicht akzeptiert, dann ist sie schlicht inkompetent und muss von einer technischen Autorität beseitigt werden. Goldman-Sachs-Berater oder Banker – wie etwa der Grieche Lucas Papademous oder der Italiener Mario Monti – werden von der finanziellen Macht im Alleingang zu unantastbaren Oberhäuptern derjenigen Länder erklärt, die der notwendigen Unterwerfung unter die technische Autorität der Statistiken, Algorithmen und Ziffernfolgen noch nicht nachgekommen sind. Dies sind Länder, die das allgemeine Interesse an der Mathematik nicht begreifen wollen oder einfach nicht glauben, dass alles gesellschaftliche Leben den unbestreitbaren Grundsätzen der Märkte unterworfen werden muss.
Wenn demokratische Rituale die Umsetzung von Sparplänen gefährden, die die mathematische Perfektion des gesellschaftlichen Lebens wiederherstellen und unsere unermesslichen Schulden gegenüber den Banken begleichen sollen, dann ist die Demokratie abgeschafft – so wie es in Griechenland geschehen ist, als der demokratisch gewählte Präsident Papandreou es tatsächlich wagte, ein Referendum über die Sparmaßnahmen zu fordern, die das europäische Bankensystem verabschiedet hatte. Die Märkte setzten den demokratisch gewählten Präsidenten Griechenlands ab und ersetzten ihn über Nacht durch einen EZB-Banker.
Was genau ist eigentlich diese launenhafte, anmaßende Einheit, die wir so häufig und so nervös als »Märkte« bezeichnen?
Die Märkte sind die sichtbare Manifestation der innersten mathematischen Interfunktionalität von Algorithmen, die in die techn...

Inhaltsverzeichnis

  1. Cover
  2. Titel
  3. INHALTSVERZEICHNIS
  4. Vorwort zur deutschen Ausgabe: Humanismus und Automatisierung
  5. Einführung
  6. 1. Europas Kollaps
  7. 2. Sprache, Ökonomie und der Körper
  8. 3. Die Suche des general intellect nach einem Körper
  9. 4. Poesie und Finanzwesen
  10. Literaturverzeichnis
  11. Impressum