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Ein Streitgespräch über rechts und links in der globalisierten Moderne

  1. 19 Seiten
  2. German
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Ein Streitgespräch über rechts und links in der globalisierten Moderne

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Über dieses Buch

In ihrem Streitgespräch zum Kursbuch 173 diskutieren Alex Honneth und Paul Nolte den Unterschied zwischen rechter und linker Gesinnung bzw. stellen die Frage, ob eine solche im modernen politischen Diskurs überhaupt noch Bestand hat. Was zeichnet Linkssein aus? Haben Rechte auch einen Fortschrittswillen? Auf welcher Seite stehen die Rebellen des arabischen Frühlings? Ist Chinas Regime links?

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Axel Honneth, Paul Nolte
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Ein Streitgespräch über rechts und links in der globalisierten Moderne
Kursbuch: Lassen Sie uns gleich ganz grundsätzlich und plakativ einsteigen. Gibt es eine politische Unterscheidung rechts – links heute überhaupt noch? Oder anders gefragt: Ist Axel Honneth eigentlich konservativer, als man denkt? Und ist Paul Nolte umgekehrt nicht viel progressiver?
Nolte: Natürlich bin auch ich in dieser Links-rechts-Unterscheidung sozialisiert worden. Bis 1989 spielte sie im politischen Alltag eine überaus große Rolle. Im akademischen Milieu ist man selbstverständlich als Linker aufgewachsen. Noch 1982 standen wir fassungslos davor, als Helmut Kohl Bundeskanzler wurde, Habermas war damals der große Star am Himmel, der über allem schwebte. Die etablierte Links-rechts-Unterscheidung ist bis heute nicht verschwunden. In anderen politischen Kulturen hat sie sogar an Bedeutung gewonnen. Nicht zuletzt in den USA mit ihrer neuen konservativen Mobilisierung. In Deutschland gibt es eine linksliberale Verschiebung und zugleich einen neuen Zentrismus. Der klassische Konservatismus hierzulande ist verschwunden. Der Liberalismus eines Ralf Dahrendorf hat ihn abgelöst. Zugespitzt: Das »liberal« ist das neue »konservativ«.
Honneth: Da stimme ich zu. Es gibt eine grundlegende Verschiebung in Deutschland in Richtung eines sozialen Liberalismus, mit Ausnahme der FDP. Es gibt eine auffällige Sozialdemokratisierung der CDU. Die Unterscheidbarkeit zwischen den Parteien ist schwieriger geworden. Mit Ausnahme der Linken sind die Programme der großen Volksparteien kaum mehr zu differenzieren. Möglicherweise ist das auch ein Resultat der deutschen Wiedervereinigung als Anpassungsleistung an den Osten Deutschlands. Ich bin als der Ältere von uns beiden natürlich noch massiver in dieser Links-rechts-Unterscheidung aufgewachsen. Ich kam 1969 an die Universität, da konnte man kaum identifizieren, was rechts sein sollte. Es ging ausschließlich um die Binnendifferenzierung des Linken. Man unterschied sich nur nach innen. Was außerhalb war, wurde als rechts beschrieben. Für mich ist es heute immer noch sehr plausibel, diesen Dualismus zwischen links und rechts im Sinne grundpolitischer Programmatik aufrechtzuerhalten. Was schwieriger geworden ist, ist die Zuordnung zu den Parteien. Und wir sind unsicherer über die Mittel geworden, die zur Erreichung der linken oder rechten Ziele nötig sind.
Nolte: Moment mal, das finde ich nicht. Die Ziele oder die normativen Grundlagen haben sich sehr gründlich gewandelt. Die Zäsur hat doch bereits 1973 stattgefunden. In der Ölkrise ist das Fortschrittsvertrauen zusammengebrochen. Das Ende der goldenen Jahre, wie es Eric Hobsbawm beschrieben hat. Das hat bei Teilen der Linken zu einer Distanzierung vom klassischen Aufklärungs- und Fortschrittsparadigma geführt. 1973 war nicht nur das Ende einer 25-jährigen Nachkriegsprosperität, sondern auch das Auslaufen einer 200-jährigen Aufklärungstradition. Ich bin überzeugt, dass wir in 60 Jahren, wenn wir als 100-Jährige zurückblicken müssten, von dieser einschneidenden Zäsur überzeugt sein werden. Die fortschrittsskeptischen Grünen in Deutschland sind nur ein Beispiel, wie sich viele Linke von diesem Fortschrittsparadigma abgewandt haben. Das ist längst durch alle Poren unserer Kultur gedrungen. Ein Teil des alten Aufklärungsdenkens hat seinen Platz eher im liberalen Denken gefunden.
Honneth: Das sehe ich in der Tat anders. Zunächst: Erfahrungen über den Zusammenbruch des Fortschrittsdenkens gibt es in der gesamten Geschichte der Moderne: massiv etwa nach dem Ersten Weltkrieg als Schockreaktion auf den Crash eines bestimmten Fortschrittsmodells. So sind die geschichtsphilosophischen Thesen von Walter Benjamin nichts anderes als die Abrechnung mit einem technischen Fortschrittsbegriff. 1973 passiert dasselbe: Es ist das Eingestehen, dass die Vorstellung einer linearen, selbst verfassten Fortschrittsdynamik moderner Gesellschaften zusammenbricht. Vor allem durch die Einsicht in die Begrenztheit der Ressourcen und in die Folgeschäden eines bestimmten industriellen Fortschritts. Für unsere Alltagsbeurteilung von Politik hat es indes nicht die dramatischen Folgen, die Sie beschreiben. Wir denken weiterhin in den Kategorien von Fortschritt und Rückschritt. Ja, wir müssen es sogar. In modernen Gesellschaften brauchen wir eine grundlegende Vorstellung darüber, was Fortschritt bedeutet. Die Frage ist, an welchen Kriterien wir diesen Fortschritt festmachen wollen. Wir sind längst darüber belehrt worden, diesen Fortschritt nicht ausschließlich, sondern nur teilweise an technischen Maßstäben zu definieren – Marx hätte gesagt, am Stand der Produktivkräfte festzumachen. Wir brauchen andere Kriterien, um die lebensweltlich weiterhin intakte Unterscheidung von »links« und »rechts« auszubuchstabieren, nämlich eher doch normative Prinzipien moderner Gesellschaften, wie ich sie vor allem im Bereich unseres Freiheitsverständnisses sehe. Wir bemessen unsere historische Situation und soziale Lage normativ im Wesentlichen daran, ob wir Fortschritte in der Verwirklichung von Freiheit gemacht haben oder nicht. Dieses geschichtliche Messinstrument der Moderne, um es einmal so zu sagen, ist immer noch intakt. Am Beispiel der USA kann man sich das am besten klarmachen. Dort besteht heute der große Konflikt zwischen dem Ziel einer Verwirklichung negativer Freiheiten und dem Beharren auf der Forderung eher kommunaler, sozialer Freiheiten. Die Rechte ist dort radikal an der individuellen Freiheit des Marktes orientiert, während die Linke – wenn man davon sprechen kann – sich das Ziel gesetzt hat, die sozialen Freiheiten eines wirtschaftlichen und demokratischen Miteinanders zu stärken. Dieser Dualismus hat sowohl den Schock der frühen 1970er-Jahre als auch den großen weltpolitischen Umbruch nach 1989 überlebt: Stets wird auf der »linken« Seite für eine Ausweitung und Vertiefung sozialer Freiheiten gestritten, also entweder für eine Inklusion immer weiterer Bevölkerungsteile in die freiheitsverbürgenden Institutionen oder für deren weitere Demokratisierung, während auf der »rechten« Seite zumeist die negativen Freiheiten des Marktes oder des Rechts gegen die sozialen Zumutungen und gemeinsamen Verantwortlichkeiten stark gemacht werden. Nehmen wir als Beispiel das Adoptionsrecht für homosexuelle Paare. Die Legalisierung zielt ganz eindeutig auf eine soziale Erweiterung der intimen Freiheiten, die die Moderne für persönliche Beziehungen in Aussicht gestellt hat. Selbst nicht heterosexuelle Paare sollen in ihrem Verständnis von Partnerschaft und Liebe das Recht erhalten, Kinder zu adoptieren. Die »Rechte« dagegen, wenn sich überhaupt so verallgemeinernd sprechen lässt, macht naturalistische, gelegentlich auch psychoanalytische Argumente geltend, um einer solchen Öffnung dieser Institution der sozialen Freiheit entgegentreten zu können. Meine Vorstellung ist also kurz gesagt die, dass man links und rechts danach unterscheiden kann, welche Haltung zum Projekt einer weiteren Verwirklichung unserer mit der Moderne institutionalisierten Freiheiten eingenommen wird.
Kursbuch: Es scheinen zwei unterschiedliche Dimensionen von Links-rechts-Unterscheidungen zu bestehen. Die eine stammt aus der französischen Nationalversammlung: Beharrer versus Veränderer. Eine Unterscheidung, die man auch an der Sitzordnung im Konvent festmachen konnte. Die andere ist die traditionell politisch-korporatistische, in der die eine Seite die individuelle Verantwortung, die andere Seite das Prinzip sozialer Zugangsrechte zu Ressourcen der Gesellschaft stark macht. Interessant ist, dass diese Unterscheidungen zum Teil über Kreuz liegen. Etwa beim angesprochenen Adoptionsrecht für homosexuelle Paare, das gleichzeitig auch sehr konservativ-familienorientiert interpretiert werden kann. Ein...

Inhaltsverzeichnis

  1. Cover
  2. Verlag
  3. Axel Honneth, Paul Nolte
  4. Über die Autoren
  5. Impressum