Schlafwandler aus den Kommunen
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Schlafwandler aus den Kommunen

Nach dem Ende des gesellschaftlichen Brodelns

  1. 19 Seiten
  2. German
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Schlafwandler aus den Kommunen

Nach dem Ende des gesellschaftlichen Brodelns

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Georg von Wallwitz rekonstruiert in seinem Beitrag die revolutionäre Bedeutung von Kommunarden - gemeint sind einerseits diejenigen aus dem Paris des Jahres 1871, andererseits die Kommunarden der 1968er Jahre. Die zweite, so von Wallwitz, war eine bürgerliche Bewegung, die erste, so seine Bemerkung, meinte es wirklich ernst. So unterschiedlich beide waren, so sehr hat sich beider Kritik in die gesellschaftliche Entwicklung eingeschrieben.

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Georg von Wallwitz
Schlafwandler aus den Kommunen
Nach dem Ende des gesellschaftlichen Brodelns
In Frankreich ist das Jahrhundert der Revolutionen bis heute ein offenes Thema, welches bis in die Tagespolitik hineinragt. Die große Revolution von 1789 endet keineswegs mit der Kaiserkrönung Napoleon Bonapartes. Sechzehnmal haben die Bürger von Paris zwischen 1789 und 1871 Barrikaden auf ihren Straßen gebaut, bereit zum Häuserkampf: Royalisten gegen Republikaner, Klerikale gegen Säkulare, Bürger gegen Arbeiter, Kommunisten und Anarchisten gegen alle anderen oder auch gegeneinander. Am Ende sogar Männer gegen Frauen. Das unverdaute Ende dieser Epoche macht Frankreich bis heute zu schaffen. Das Zeitalter der Französischen Revolution endete erst 82 Jahre nach dem Sturm auf die Bastille mit der Zerstörung erheblicher Teile von Paris in Krieg und Bürgerkrieg, in einem bemerkenswerten Gleichklang von Naivität und Brutalität, welche die nachfolgenden Revolutionsjahre 1918 und 1968 in Westeuropa wie Sandkastenspiele aussehen ließen. Die Gräben in der Gesellschaft sind bis heute tief und lähmen das Land bei jedem Reformversuch. Das gesellschaftliche Brodeln ist in Frankreich durch glanzvolle Zwischenzeiten immer nur überdeckt, nie aber befriedet worden.
Auslöser der Kommune war die desaströse Niederlage Frankreichs gegen Preußen im Krieg von 1870/71. Napoleon III. fühlte sich stark nach Siegen gegen die Russen (1854 im Krimkrieg) und die Österreicher (im Sardischen Krieg 1859) und traute sich noch mehr zu. Aus recht nichtigem Anlass (es stand zur Diskussion, ob ein Hohenzollern-Prinz die spanische Erbfolge antreten könnte) verlangte er eine Unterwerfungsgeste von Preußen. Seine Generäle versicherten ihm, die Emporkömmlinge aus dem Osten seien leichte Beute, ein Unterschied zwischen Preußen und Österreich sei nicht auszumachen. Diese Geisteshaltung nahm Bismarck als Gelegenheit wahr, denn auch ihm versicherten seine Generäle, mit den Franzosen werde man spielend fertig. So nahm er die Provokation gerne an, und Frankreich erklärte postwendend den Krieg. Die süddeutschen Mittelmächte stellten sich, wie von Bismarck kalkuliert, an die Seite Preußens.
Auf beiden Seiten des Rheins freute man sich auf den Krieg, aber die Stimmung in Paris war besser, als die harten Tatsachen es rechtfertigten. Das Offizierskorps war ein Hort der Vetternwirtschaft und bei den einfachen Soldaten unbeliebt. Es fehlte ein echter Oberkommandeur: Als Neffe des gefühlt größten Feldherrn aller Zeiten sah Napoleon III. keine Notwendigkeit, den Siegeskranz einem Dritten zu überlassen, und übernahm selbst die Regie in diesem Feldzug. Der Aufmarsch war chaotisch und langsam, es fehlten Uniformen, topografische Karten und Versorgung. Lediglich zwei Drittel der erwarteten Soldaten meldeten sich bei ihren Sammelstellen, der Rest verpasste urlaubs- oder krankheitsbedingt diesen wichtigen Termin. Die deutsche Armee wurde von einem echten General kommandiert. Sie rollte über fünf ausgebaute Bahnlinien Richtung Elsass. Den Franzosen stand lediglich eine einzige Linie zur Verfügung. Fünfzig deutsche Züge fuhren jeden Tag an die Front gegenüber zwölf französischen. Nach 18 Tagen hatten die Deutschen 1,2 Millionen Soldaten an der Grenze stehen – während ein in Panik geratener französischer General ins Hauptquartier telegrafierte: »Bin in Belfort angekommen. Kann meine Brigade nicht finden. Kann den Divisionskommandeur nicht finden. Was soll ich tun? Weiß nicht, wo meine Regimenter sind.«
Der Krieg war besonders ruhmlos für die französische Armee. Eine Schlacht nach der anderen ging verloren, und schließlich, am 2. September 1870 in der Schlacht bei Sedan, auch der Kaiser selbst. Er wurde in Kassel eingesperrt und bald nach England ins Exil geschickt – im 19. Jahrhundert bereits der dritte französische Monarch, der auf der ungeliebten Seite des Kanals um Unterschlupf bitten musste. In Paris sorgte dies für erheblichen Unmut in der Bevölkerung, und der radikale Antiimperialist Léon Gambetta rief am 4. September zweimal die Republik aus (am Morgen und am Abend). Dies war die Geburt der Dritten Republik.
Es entstand ein gewaltiges Machtvakuum. Eine legitime Zentralregierung gab es nicht mehr, und hätte es sie gegeben, so hätte sie keinen Zugriff auf die Hauptstadt mehr gehabt, denn diese wurde nun von den Preußen und ihren Verbündeten belagert. Es entstand unter der Führung von Adolphe Thiers, der bereits unter dem Bürgerkönig Louis Philippe Ministerpräsident gewesen war, eine Regierung. Diese berief sich auf die aus Paris geflohenen Parlamentarier und erneuerte diese Legitimation durch eilig durchgeführte landesweite Wahlen. Andererseits bildete sich in Paris eine eigene Regierung, ein kommunaler Zusammenschluss aus den Abgeordneten der Arrondissements. Diese »Kommune« genannte Regierung nahm die Angelegenheiten der Stadt in die Hand, solange sie abgeschnitten war vom Rest des Landes, welches ohnehin keine ordentliche Regierung hatte. Sie wurde von Anfang an von den Abgeordneten der Arbeiterviertel im Osten der Stadt dominiert, die auch die Hauptlast des Krieges tragen mussten. Diese Arrondissements stellten darüber hinaus den Großteil der Nationalgardisten, welche aus der Mitte der Bevölkerung rekrutiert wurden, um die Stadt gegen den heranrückenden Feind zu verteidigen.
Die Kommune in Paris hatte kein Mandat und war zu links, zu sozialistisch und anarchistisch, um im Rest des konservativen Landes Autorität ausüben zu können. Hier und da gab es zwar auch in der Provinz Versuche, Kommunen nach Pariser Vorbild zu organisieren (hervorzuheben ist der grandios gescheiterte Anlauf von Michael Bakunin und Gustave Paul Cluseret in Lyon), aber es wurde keine landesweite Bewegung daraus. Die Regierung von Thiers hingegen war in Paris nicht vermittelbar: Dort traute man dem konservativen Thiers zu, seine alten Herren, die Bourbonen, wieder an die Macht bringen zu wollen. Darüber hinaus nahm ihm die Pariser Arbeiterschaft übel, dass er schnell bereit war, mit den Preußen Frieden zu schließen und das Elsass und Lothringen abzutreten. Der Vorwurf lautete, die Besitzbürger wollten nur feige ihr Eigentum vor der Zerstörung schützen und verstünden nichts von der Ehre der Nation.
So standen sich bei Paris plötzlich drei bewaffnete Einheiten gegenüber: die Preußen, die Zentralregierung mit den Resten der regulären Armee sowie die Pariser Kommune mit ihren Nationalgardisten. Das preußische Militär wollte die Stadt nicht erobern (zu verlustreich der Häuserkampf, zu schwierig die Versorgung der Truppen im Winter), die Franzosen waren ihrerseits zu schwach, um die Belagerung zu durchbrechen. In dieser Pattsituation erkannte Thiers, dass sein innenpolitischer Vorteil in einer schnellen Niederlage bestand. Am 28. Januar unterschrieb er einen Vorfrieden und kapitulierte im Namen der Stadt, die er ohnehin nicht kontrollierte. Die Preußen nutzten den Aufenthalt in Versailles noch für eine starke Geste im Spiegelsaal, zogen sich dann aber bald in ihre Stellungen zurück, wo sie den Eingang der Reparationszahlungen abwarteten und im Übrigen neutraler Zuschauer bei dem nun folgenden Drama blieben.
Es begann nun die Entmilitarisierung von Paris. Die Zentralregierung schickte Soldaten, um aus einem Pariser Arrondissement nach dem anderen die Waffen abzutransportieren. Der Anfang sollte am 18. März 1871 mit den 171 Kanonen auf dem Montmartre gemacht werden, einer Hochburg des Proletariats. Die Bevölkerung sah dies als eine Art Staatsstreich an, um den Machtanspruch der konservativen Zentralregierung durchzusetzen. Es gärte und rumorte heftig im Volk, als die Soldaten durch die engen Gassen den Berg hinaufmarschierten. Die Gärung übertrug sich auf die Truppen, und bald verbrüderten sich reguläre Soldaten, Nationalgardisten und das einfache Volk. Die kommandierenden Generäle ordneten noch an, auf das Volk zu schießen, welches sich in den Weg gestellt hatte, aber es war zu spät, die Befehle wirkten nicht mehr. Im Gegenteil: Die Generäle Lecomte und Thomas wurden gefangen genommen und wenig später von der Volksmenge – die sons...

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