Keimzelle Krankenhaus. NRZ-Ausgabe
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Keimzelle Krankenhaus. NRZ-Ausgabe

Wie MRSA und andere Killerbakterien töten

  1. 190 Seiten
  2. German
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  4. Über iOS und Android verfĂŒgbar
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Keimzelle Krankenhaus. NRZ-Ausgabe

Wie MRSA und andere Killerbakterien töten

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Inhaltsverzeichnis
Quellenangaben

Über dieses Buch

Lebensgefahr im Krankenhaus: Killerkeime wie MRSA und VRE töten Zehntausende von Patienten in deutschen Kliniken. Die meisten dieser Tragödien wĂ€ren vermeidbar. Doch statt Bakterien durch konsequente Hygiene zu stoppen, werden KeimausbrĂŒche mit Todesopfern vor der Öffentlichkeit verheimlicht. Verschwundene Akten, verschwiegene Infektionen, verschleiernde Behörden - eine Recherche zu den HintergrĂŒnden und den Folgen katastrophaler ZustĂ€nde in KrankenhĂ€usern, die man vielleicht in der Dritten Welt erwartet hĂ€tte, aber nicht in Deutschland.

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Information

Verlag
Klartext
Jahr
2014
ISBN
9783837511956

KEIMZELLE KRANKENHAUS

Killerbakterien wie MRSA und VRE fĂŒhren zu immer neuen TodesfĂ€llen und dramatischen Schicksalen in deutschen Kliniken, wie Beispiele aus Nordrhein-Westfalen zeigen. Dabei sind viele Katastrophen vermeidbar.
– Protokoll einer Recherche –
Von Klaus Brandt

DER TIPP

Friedhof von Studnar

Auffallend viele plötzliche TodesfĂ€lle machten eine Duisburger Pastorin misstrauisch. „Bitte gehen Sie der Sache nach.“ Foto: Jakob Studnar/WAZ FotoPool
Die Pastorin aus Duisburg erzĂ€hlt von einem Verdacht. HĂ€ufig halte sie Trauerreden an GrĂ€bern von Menschen, die kurz zuvor noch sehr lebendig gewirkt hĂ€tten. Auffallend sei: Die Verstorbenen seien alle zuvor im Duisburger Helios-Klinikum St. Johannes behandelt worden. Irgendetwas stimme da wohl nicht. Hinterbliebene stĂŒnden vor einem RĂ€tsel.
Die Pastorin sagt, einige TodesfĂ€lle in diesem Krankenhaus seien ungeklĂ€rt. „Viele Menschen wissen nicht, warum sie ihre Angehörigen dort verloren haben.“ In der Gemeinde rumore es. Krankenhauskeime hĂ€tten die TodesfĂ€lle verursacht, heiße es. Bestimmte Klinikbereiche seien regelrecht verseucht. Intensivstation und Innere Medizin sollen die gefĂ€hrlichsten Abteilungen sein. Die hygienischen VerhĂ€ltnisse dort seien katastrophal, hĂ€tten Augenzeugen berichtet. Davon wisse nicht nur sie. „Auch Kollegen von mir haben Schlimmes darĂŒber gehört“, sagt die Pastorin. „Bitte gehen Sie der Sache nach. Aber behutsam und vorsichtig. Viele Leute haben Angst“.
An dieser Stelle ist klar: Es geht um zweierlei. Zuallererst um Menschen. Und dann um Zahlen.
Wir mĂŒssen versuchen, Betroffene zu finden. Was ist da los? Gab es diese TodesfĂ€lle? Wenn ja: Worauf beruhten sie? Waren tödliche Keime im Spiel? Gab es wirklich diese HĂ€ufung von Krankheitserregern im Helios-Klinikum St. Johannes? Und wenn ja: warum? Zugleich brauchen wir Daten. Zahlen, die veranschaulichen, was in St. Johannes los ist. Und Vergleichsdaten anderer KrankenhĂ€user, um einzuordnen und zu bewerten, ob die Helios-Klinik St. Johannes aus dem Raster fĂ€llt. Und wenn ja: in welche Richtung, in welcher GrĂ¶ĂŸenordnung. Dazu benötigen wir auch Zahlen aus den anderen Duisburger KrankenhĂ€usern. Ebenso landesweite Zahlen aus den Kliniken in Nordrhein-Westfalen.
Wir bilden zunĂ€chst ein vierköpfiges Recherche-Team und teilen uns auf: Daniel Drepper sichtet Patientenforen nach Inhalten und potentiellen Informanten. Benedict Wermter knĂŒpft direkte Kontakte in die Helios-Belegschaft. Haluka Maier-Borst besorgt Datenmaterial und wertet es journalistisch aus. Ich spreche mit Betroffenen und versuche, Dokumente zu beschaffen, von Patienten, Angehörigen, Hinterbliebenen von Keimopfern.

DIE MENSCHEN

aus PDF 01 - Arztbericht Rainer F quer
„Wir bedauern den tragischen Verlauf“: Rainer F. war von sieben Keimen befallen. Im Bericht der Helios-Ärzte fehlen die letzten Lebenstage. Auch der Sturz aus dem Intensivbett.

Einige Leute, die selbst in der Duisburger Helios-Klinik gelegen oder einen Angehörigen dort liegen hatten, wollen reden, aber nicht öffentlich in Erscheinung treten. „Helios ist ein großer Konzern, mit viel Geld. Damit legen wir uns nicht an“, sagt eine Frau, deren Mann in St. Johannes gestorben ist. Als sie ihn kurz vor seinem Tod besucht, greift sie sie beim Öffnen der ZimmertĂŒr auf eine blutverschmierte TĂŒrklinke. Ein Schock. „Sie glauben nicht, wie ekelhaft das war“, sagt sie. In der Zeitung soll diese Begebenheit nicht stehen. Die Frau will anonym bleiben. Aber sie kennt andere Leute, die Ă€hnliche Erfahrungen gemacht haben sollen. „Vielleicht sagen die was.“
Meine Kontaktkette entwickelt sich. Ein wichtiges StĂŒck ist die Telefonnummer von Monique MĂŒller. Ihr Vater ist in der Helios-Klinik St. Johannes gestorben. Das erste Telefonat mit der jungen Frau macht mir Hoffnung. Starke Stimme, klare Worte, deutliche Meinung. Mein Eindruck: Eine wie sie könnte den Willen, die Kraft und die Entschlossenheit haben, die nötig sind, um ein persönliches Schicksal ans Tageslicht zu bringen. Auch wenn es wehtut.
An einem warmen Sommertag fahre ich nach Duisburg. Eine Siedlung in Meiderich: viel GrĂŒn zwischen grauen Fassaden. Eine muntere Kinderkulisse schallt aus der Wohnung. Der HĂ€ndedruck von Monique MĂŒller ist wie ihre Stimme: krĂ€ftig. Die Endzwanzigerin wirkt auf Anhieb geradeheraus. In der KĂŒche sitzt ihre Mutter. Sie ist zarter, zerbrechlicher: Klaudia F., Anfang 50, trauert um ihren Mann. Ein Bild von ihm steht auf der Arbeitsplatte. „Opa“, sagt der grĂ¶ĂŸere der beiden kleinen Jungen, die zwischen uns herumtollen und zeigt auf den Mann auf dem Foto.
Rainer F. ist der Fixpunkt dieser Familie gewesen. Dass er schwer krank war, dass er auch sterben konnte, das haben seine Angehörigen an dem Tag akzeptiert, als er ins Krankenhaus kam. Wie er dann dort starb, unter welchen UmstĂ€nden – das akzeptieren sie nicht.
Auch nicht den Bericht der behandelnden Helios-Ärzte. Die Familie zeigt ihn mir. In dem Bericht steht, dass Rainer F. sieben verschiedene Keime in seinem Körper hatte. In seinem Blut schwammen die lebensgefĂ€hrlichen Bakterien MRSA (Methicillin-resistenter Staphylococcus aureus) und VRE (Vancomycin-resistente Enterokokken).
Dass Rainer F. am Tage vor seinem Tod aus dem Bett gefallen ist, auf der Intensivstation, das steht nicht im Arztbericht. Auch deshalb glaubt die Familie den offiziellen Angaben nicht.
„Wir bedauern den tragischen Verlauf“, heißt es in dem Bericht. Und: FĂŒr weitere Fragen stehe Helios „selbstverstĂ€ndlich jederzeit zur VerfĂŒgung“.

DIE KLINIK

Ich klicke mich durch die virtuelle Helios-Welt. Was der Konzern im Internet bietet, sieht gut aus. Die HĂ€user, Abteilungen, Stationen, auch viele Menschen auf den Bildern – alle schön. Im Hygiene-Portal stehen Fotos, die den Standard im Krankenhaus darstellen sollen. Da desinfizieren sich Ärzte, Pfleger und Schwestern die HĂ€nde; sie tragen Schutzkittel, Mund-Nasen-Schutz, Kopfhaube. Die suggestive Botschaft: Hier sind Profis am Werk. Hier sind sie gut aufgehoben. Wir tun alles fĂŒr Ihre Sicherheit und Gesundheit. Hygiene, Betreuung, Pflege, Zuwendung, Vertrauen, Offenheit und Transparenz sind in der Helios-NetzprĂ€sentation eine Sache der SelbstverstĂ€ndlichkeit. Wie realitĂ€tsnah ist dieser Anspruch? Wie sieht es hinter der Hochglanzfassade aus?
Das gucken wir uns an. Dazu schleusen wir einen jungen Kollegen ins Klinikum St. Johannes ein. Er suche das passende Krankenhaus fĂŒr eine Operation, die bei seiner Großmutter anstehe, sagt er. Er schaut sich die Stationen 11, 12, 13, 17 und 18 an: Intensivstationen, Kardiologie, Chirurgie. Hier die EindrĂŒcke, die unser Mitarbeiter als Augenzeuge bei Helios aufgeschrieben hat:
Schon vor dem Betreten der Klinik wird der Unterschied zum Internetauftritt deutlich: Alles nur Fassade – und zwar alte, heruntergekommene. Die durch Schmutz der umliegenden Fabriken geschwĂ€ngerte, saure Luft umgibt die Einrichtung, wĂ€hrend in der Einfahrt im Hinterhof in grĂŒn gekleidete Schwestern auf einem MĂ€uerchen sitzend rauchen. Ein Leichenwagen fĂ€hrt vorbei.
Wenn man das GebĂ€ude umlĂ€uft, verliert man schnell die Orientierung, so groß und verwinkelt sind Trakte, GĂ€nge und Hinterhöfe. Vor dem Eingang der Klinik stehen die ersten Patienten – in der einen Hand das tragbare InfusionsgerĂ€t, in der anderen die Zigarette. Hinter dem Haupteingang wird man von fahlem Licht und kaltem Kaffeegeruch empfangen. Es herrscht reges Treiben: Patienten schreiten vor sich hin, Angehörige warten, Schlangen bilden sich vor dem Empfang und der Notaufnahme, in blau gekleidete Mitarbeiter schieben einen operierten Patienten in den Aufzug. Der Ă€ltere Herr klagt ĂŒber Schmerzen, nachdem das Bett angestoßen wurde. Man hat es eilig.
Das GebĂ€ude scheint unendlich weitlĂ€ufig zu sein. In den engen, schwĂŒlen KellergĂ€ngen riecht es nach KochwĂ€sche; unzĂ€hlige, leere Betten und RollstĂŒhle reihen sich an den RĂ€ndern der GĂ€nge auf. Die Stationen sind allesamt voll belegt: Ärzte, Schwestern und Helfer sowie zahlreiche Patienten laufen umher bzw. sitzen in WarterĂ€umen oder liegen in Betten an den GangrĂ€ndern. Man bietet mir Hilfe an, ich sehe offenbar verloren oder bedĂŒrftig aus.
Auf dem Weg zu Station 12 fĂ€llt auf, wie rĂŒckstĂ€ndig und verlassen die Klinik erscheint: Die GĂ€nge sind mit alten Kacheln gefliest, viele davon mussten offenbar nach SchĂ€den ersetzt werden. Die Tapeten sind alles andere als weiß. Es wurden Bilder auf- und wieder abgehĂ€ngt, die, die noch hĂ€ngen, haben schwarze RĂ€nder und sind von Spinnweben umgeben. Eine verstaubte Kirchenfigur lĂ€dt ein in den denkmalgeschĂŒtzten Trakt der Klinik, hier wird es dunkel und hĂ€sslich. Ordnung und Sauberkeit sehen jedenfalls anders aus.
Über die geschlossene Station 13 gelangt man auf die Intensivstationen 12 und 11. Bevor man eintritt, der Hinweis auf notwendige Hygienemaßnahmen. Auf dem linksgekrĂŒmmten Gang geht es völlig chaotisch zu: Benutzte Utensilien zur Nahrungsaufnahme und entsprechende Reste hĂ€ufen sich auf einem Beistellwagen an, benutzte und bereits abgezogene Betten kreuz und quer, Desinfizierungsmaterialien und Handschuhe liegen auf kleinen WĂ€gelchen, die so im Gang stehen, dass sie zum Stolpern einladen. Schwestern mit und ohne Mundschutz kommen mir entgegen – auf Nachfrage, wo diese oder jene andere Station sei, zeigen sich jedoch alle hilfsbereit und freundlich.
Meine Blicke schweifen durch die vielen halb geöffneten TĂŒren in Krankenzimmer und ArbeitsrĂ€ume. Kranke mit weit geöffneten MĂŒndern und geschlossenen Augen sind zu sehen, durch Kabel und SchlĂ€uche am Leben erhalten. In einem anderen Zimmer wird wieder reines Bett gemacht: Eine Mitarbeiterin schrubbt die plastikbezogene Matratze sauber. Die ArbeitsrĂ€ume sind hoffnungslos chaotisch. Hier fliegt alles umher an Unterlagen und Ordnern, Kaffeetassen und Arbeitsmaterialien. Auf Nachfragen antwortet man allerdings gerne und auch ausfĂŒhrlich, auch im Umgang mit den Kranken gibt sich das Personal nett.
Wenn hier die Todesstation ist, wie einige ehemalige Patienten beklagen, so wird dieser Eindruck durch das Gesehene bestÀtigt. Hier wird die kranke Masse abgefertigt, hier gibt es Probleme, Desorganisation und Mangel an Ressourcen.
Die FĂŒhrung endet mit einer ungewollten Schlusspointe. Die Dame, die unserem Mann das Klinikum St. Johannes zeigt, empfiehlt ihm nach dem Rundgang, „besser nie krank zu werden“ – und wenn, fĂŒr eine private Versicherung zu sorgen. Unser Mitarbeiter ist irritiert. Nein, sagt die Frau, das habe „nichts mit dieser Klinik zu tun, sondern generell mit dem Krankenhaussystem“.

DIE ANGESTELLTEN

Foto 03
„Die Lage ist katastrophal.“ Helios-Klinikum St. Johannes in Duisburg. Foto: Ralf Rottmann/WAZ FotoPool
Erste GesprĂ€che mit BeschĂ€ftigten aus dem Klinikum St. Johannes offenbaren eine große innere Anspannung in Teilen der Belegschaft. Vor mir sitzen keine motivierten, dynamischen Menschen, sondern ausgezehrte, frustrierte Menschen. Sie berichten von schlimmen ZustĂ€nden. Die Angaben sind sehr konkret. Und sie decken sich mit vielen Erlebnissen, die Patienten, Besucher und Angehörige geschildert haben. Demnach wĂ€re Hygiene kein AushĂ€ngeschild, sondern ein Fremdwort – zumindest in diesem Helios-Klinikum.
Wir wissen, dass St. Johannes schon optisch einen harten Kontrastpunkt zu den hĂŒbschen Impressionen im Netz setzt. Es gibt gute historische Bausubstanz. Und es gibt diesen alten Backsteinbau. Wir können uns nicht von jeder Abteilung ein Bild machen, aber was wir sehen, sieht nicht gut aus. Und was wir hören, klingt schlimm. Besucher erzĂ€hlen von feuchten Flecken an Decken und WĂ€nden, von Stockflecken und Schimmelpilz, schmutzigen Ecken auf Stationen, Krankenzimmern und Toiletten. KlinikbeschĂ€ftigte bestĂ€tigen diese ZustĂ€nde. Angehörige berichten von Krankenschwestern, die erst Zigaretten rauchen, dann ohne Mundschutz und Kittel an die Betten auf der Intensivstation eilen und Schwerstkranke versorgen. Besucher, so heißt es, mĂŒssten sich komplett mit Schutzkleidung vermummen, fĂŒr das Personal gelte das nicht. Auch nicht fĂŒr den Pizza-Service. Der fliegende Bote bringe das Essen stets in voller Straßenmontur direkt auf die Station, bei entsprechender Bestellung auch auf die Intensivstation.
„Die Lage ist katastrophal“, sagt mir eine Pflegerin. „Wir haben viel zu wenig Personal. Die Hygiene-Richtlinien werden nicht eingehalten. Das kann keiner schaffen. Dazu ist die Belastung einfach zu groß.“ Angesichts des Personalmangels kĂ€men die PflegekrĂ€fte zu nichts. „Das sieht man dann auch an den Patienten.“
Die Liste meiner Informanten wird lĂ€nger. Dabei entstehen immer mehr Kontakte direkt in die Klinik. Ich telefoniere mit Angestellten und versuche, Vertrauen aufzubauen. Das ist schwierig, denn die Angst sitzt vielen im Nacken. Ein Mitglied des Betriebsrates erzĂ€hlt, dass sie ihren Freunden und Bekannten schon lange von dem Krankenhaus abrate, in dem sie arbeitet. Personal sei knapp, der Druck auf die BeschĂ€ftigten höllisch, das Pensum fĂŒr die Putzkolonnen derart hoch, dass unterm Strich keine ordentliche Reinigung möglich sei. Wir vereinbaren ein Treffen. Doch kurz davor kommt die Absage. Das sei zu riskant, sagt die Gewerkschafterin. Sie könne das nicht machen. „Ich werde nichts tun, was meinen Arbeitsplatz oder irgendeinen anderen Arbeitsplatz gefĂ€hrdet.“ Der zustĂ€ndige BetreuungssekretĂ€r der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft in Duisburg bestĂ€tigt die Nöte und Sorgen der Helios-Belegschaft. „Die haben alle Angst“, sagt er.
Drohungen stĂŒnden im Raum, sagt ein Pfleger. Er zeigt mir das Motiv eines Bildschirmschoners, den Helios auf vielen Stationen installiert habe: „Das ist eine Patientenumfrage. Die Ergebnisse sind mies. Der Bildschirmschoner fĂŒhrt jedem von uns immer vor Augen, wie schlecht er eigentlich ist. Dabei sind wir einfach nur zu wenige. Das ist demĂŒtigend.“ Der Pfleger berichtet von einem Klima des Misstrauens, das Helios schĂŒre. „Es gibt heimliche Inspektionen, bei denen Fotos geschossen werden, die nachher an die Stationsleitung verschickt werden – verbunden mit der Androhung von Konsequenzen.“
Eines Tages finde ich eine anonyme Botschaft in meinem Mail-Eingang. Der Absender: „Duckface“. Unter diesem Decknamen bietet mir eine unbekannte Person Informationen zu Helios an. Nun sind verschlĂŒsselte VorstĂ¶ĂŸe grundsĂ€tzlich nichts Ungew...

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