Kursbuch 182
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Kursbuch 182

Das Kursbuch. Wozu? 50 Jahre. Die Jubiläumsedition

  1. 220 Seiten
  2. German
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Kursbuch 182

Das Kursbuch. Wozu? 50 Jahre. Die Jubiläumsedition

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Über dieses Buch

Die Jubiläumsausgabe zum 50. Geburtstag des Kursbuchs blickt sowohl retro- als perspektiv auf die Politik- und Kulturzeitschrift und fragt "Wozu? ". Zum einen werden frühere Kursbuch-Texte wirklich von ihren Autoren weitergeschrieben: Wie haben sich die eigenen Perspektiven verändert? Welche Befürchtungen haben sich bewahrheitet? Zum anderen wird in längeren Essays erkundet, wie das, als was das Kursbuch stets wahrgenommen wird, weitergeschrieben werden kann: Kritik, Revolte, Protest. Mit Beiträgen von Peter Schneider, Konrad Paul Liessmann, Armin Nassehi, Hannelore Schlaffer, Stefan Welzk, Rahel Jaeggi, Barbara Klemm, Herlinde Koelbl, Regina Schmeken, Krisztina Koenen, Bahman Nirumand, Mark Greif, Cora Stephan, Barbara Sichtermann, Karen van den Berg, Georg von Wallwitz.

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Information

Rahel Jaeggi
Das Ende der Besserwisser
Eine Verteidigung der Kritik in elf Schritten
Die Kritik ist in der Krise. Das liegt nicht etwa nur daran, dass die Möglichkeiten von Kritik angesichts gesellschaftlicher Verhältnisse, die sich als alternativlos darstellen und in denen die Entscheidungsspielräume schwinden, beschränkt sind, oder daran, dass sich das Kritisierte als außerordentlich beständig erwiesen hätte. Vielmehr gerät die Kritik als solche ins Visier einer Kritik der Kritik1. Diesen Kritikern zufolge haben sich die kritisierten Verhältnisse gerade nicht als beständig, sondern als geradezu verblüffend wenig kritikresistent erwiesen. Sie haben sich, so eine mehrfach variierte Diagnose, die Kritik zu eigen gemacht, sie absorbiert und sich entsprechend dieser gewandelt2. Kritik ist dann nicht mehr kritisch, sondern affirmativ. Kritik ist zum Teil des Bestehenden, Kitt des Bestehenden, Schmiermittel seiner (neoliberalen) Transformation geworden. Und noch schlimmer: Gerade als solche sei die kritische Haltung hegemonial geworden. Keine Anpassung mehr ohne Kritik. Angesichts des ebenso besserwisserischen wie affirmativ-legitimierenden Charakters von Kritik sollten wir also vom klassischen Anspruch der Kritik – ein Anspruch, der sich etwas unoriginell als der einer begründeten Infragestellung und Distanzierung von bestehenden Praktiken und Institutionen mit dem Ziel ihrer Abschaffung, Veränderung oder Transformation erläutern lässt – Abstand nehmen.
Frühere Generationen haben das wohlbekannte Phänomen der Absorption kritischer Gehalte (man denke an Marcuses Motiv der »repressiven Toleranz«) zum Anlass genommen, die Dynamik dieser Vereinnahmung selbst zu untersuchen und die Verfälschung, Vereinseitigung oder gar Verkehrung, die der kritische Gehalt bei einer solchen Transformation erleidet, aufzuzeigen, um so den Abstand zwischen Affirmation und Negation immer wieder neu zu vermessen. Heute gerät so etwas als Immunisierungsstrategie unter Verdacht – und das »kritische Verhalten« als solches ins Visier der – nun ja, »Kritik« der Kritik. Nun könnte man solche Interventionen als Pirouetten eines stets auf Überbietung zielenden akademischen Betriebs oder als Dekadenzphänomen abtun, das mit der realen Praxis und den komplexen Schwierigkeiten kritischer Praxis wenig zu tun hat. Die mit einer solchen der Kritik der Kritik aufgeworfene Frage aber, wie sich Kritik als nichtaffirmative, nichtautoritäre transformative Praxis – eine Kritik, die nicht auf Besserwisserei zielt, sondern ein Katalysator zur Transformation bestehender Verhältnisse wäre – verstehen und initiieren lässt, ist wichtig. Die Vielfalt der Mittel und Möglichkeiten des »kritischen Verhaltens« sind zu Recht Gegenstand einer in den letzten Jahren äußerst lebendigen und kontroversen Diskussion gewesen3, in der viele der traditionellen Überzeugungen und Grenzziehungen in Frage gestellt worden sind. Was Kritik ist und wie wir sie praktizieren sollten, ist umstritten und immer wieder neu zu justieren. Und obwohl manchmal durchaus treffend angemerkt wird, dass sich gerade kritische Theoretiker_innen der Kritik lieber inhaltlich widmen und sich um die Welt kümmern sollten, als sich in Metadiskussionen über mögliche Formen der Kritik zu ergehen, ist es doch manchmal – auch und gerade für die in die kritische Praxis Involvierten – sinnvoll, sich über die Implikationen des kritischen Tuns klar zu werden. Was also ist und wozu betreiben wir Kritik? Ich möchte zunächst an ein paar Binsenweisheiten erinnern und dann einen Vorschlag machen.
1. Alltägliche Praxis
Wenn »Kritik« nicht einfach nur »Vernunftgebrauch überhaupt«, sondern ein »Verhalten« mit dem Ziel der Transformation gegebener sozialer Praktiken und Institutionen bezeichnen soll, dann ist Kritik vornehmlich ein praktisches Unterfangen und aus unserem Alltag schwer wegzudenken. Wir kritisieren unzureichende Studienbedingungen, den Polizeieinsatz gegen Flüchtlinge, die mediale Stimmungsmache gegen die Dealer im Görlitzer Park; wir kritisieren den alltäglichen Rassismus und Sexismus, das Vorgehen der Bundeskanzlerin in der Euro-Krise oder das Vordringen ökonomischer Imperative in allen Institutionen des gesellschaftlichen Lebens. Wir kritisieren einen Film (weil er langweilig ist), das Essen (weil es versalzen ist) oder eine Theorie (weil sie auf falschen Annahmen beruht). Dabei gibt es jeweils unterschiedliche Adressat_innen – Universitätsleitungen, die Regierung, die Bezirksbürgermeisterin oder die Bundeskanzlerin, die Polizei, der Tagesspiegel, die Bevölkerung, der Kapitalismus, die »Verhältnisse« – mit unterschiedlicher Verantwortlichkeit und unterschiedlichen Kompetenzen zur Behebung des kritisierten Übels. Es gibt aber auch unterschiedliche Autoren und Autorinnen der Kritik: die Studierenden, die Anwohner_innen des Görlitzer Parks; Flüchtlingsinitiativen, Theoretiker_innen, aber auch Einzelne. Manche davon sind direkt von den kritisierten Verhältnissen, Praktiken und Institutionen betroffen, manche eher indirekt. Und schließlich gibt es auch unterschiedliche Weisen und Mittel des Kritisierens: Einen schlechten Text kritisiert man mit treffenderen Argumenten oder indem man ihn persiflierend bloßstellt. Die falsche Flüchtlingspolitik der Bundesregierung oder der EU kritisiert man, indem man eine Demonstration organisiert, ein Flugblatt schreibt, eine Straße blockiert oder eine Gesetzesvorlage lanciert. Manches – nehmen wir ein klassisches Beispiel: der organisierte Streik – äußert sich explizit als Kritik; manches – das Fernbleiben von der Arbeit, die Sabotage der Produktion – zunächst eher implizit.
Man kann behaupten: Wann immer wir uns zu den uns umgebenden Verhältnissen in ein Verhältnis setzen, diese befragen und hinterfragen, wann immer wir Gegebenheiten analysieren, beurteilen oder als falsch ablehnen, ist Kritik im Spiel. Sofern sie sich auf soziale Verhältnisse richtet, stellt Kritik gesellschaftliche Werte, Praktiken und Institutionen und die mit diesen verbundenen Welt- und Selbstdeutungen in Frage. Diese – so die Kritik – müssen und sollen nicht so sein, wie sie sind. Kritik ist, so verstanden, nicht nur eine alltägliche Praxis; sie ist konstitutiver Bestandteil des menschlichen Welt- und Selbstverhältnisses überhaupt. Immer dann nämlich (aber auch nur dann), wenn es Spielräume, Deutungs- und Entscheidungsmöglichkeiten gibt, setzt sich menschliches Handeln der Kritik aus. Wo so oder anders gehandelt werden kann, kann man auch falsch oder unangemessen handeln – und entsprechend dafür kritisiert werden.
2. Kritik braucht einen Adressaten
So umfassend aber das Feld der Kritik sein mag: Alles umfasst es nicht. Das schlechte Wetter zum Beispiel ist bekanntlich kein geeigneter Gegenstand der Kritik, egal wie sehr wir unter diesem leiden mögen. Und auch wenn uns die Schwerkraft manchmal lästig sein mag, sie zu kritisieren wäre ein seltsames Unterfangen.
Das liegt nicht nur daran, dass man nur dasjenige kritisieren kann, das sich ändern lässt. Schließlich lässt sich vielleicht bald auch das Wetter ändern; und wenn wir einen Kanal bauen, ändern wir den Lauf des Flusses, ohne dass wir diese Änderung durch Kritik motivieren würden. Es liegt daran, dass man nur etwas kritisieren kann in Bezug worauf etwas falsch gemacht worden ist. Oder besser: in Bezug worauf jemand etwas falsch gemacht hat. Kritik braucht einen Adressaten. Jedenfalls im Grundsatz richtet sich Kritik auf etwas, das (von Menschen) verantwortet und geändert werden kann. Das gilt selbst dann noch, wenn wir anonyme Herrschaftsverhältnisse, undurchschaubare Institutionen oder den Effekt einer unübersichtlichen Kette von Handlungsfolgen kritisieren. Wir mögen uns im Zweifelsfall manchmal mit Pappkameraden behelfen oder denjenigen, die zufällig »politisch verantwortlich« sind. Aber selbst wenn wir »die Verhältnisse«, »den Kapitalismus« oder die soziale Matrix der Heteronormativität kritisieren, tun wir das, sofern wir annehmen, dass diese von Menschen gemacht und von Menschen verändert werden können; dass hier also jemand etwas falsch macht, selbst dann noch, wenn das kollektiv und/oder auf entscheidende Weise »durch uns hindurch«, also ohne Willen und Bewusstsein der Akteure, wie Marx es ausdrückt, geschieht. In Bezug auf solche Verhältnisse wirkt Kritik deshalb immer auch de-fetischisierend und ent-naturalisierend. Oder genereller: Sie hebt das Selbstverständliche auf und rüttelt am scheinbar Unverständlichen.
3. Ablehnung versus Kritik
Nun kann nicht nur nicht alles, was uns stört, kritisiert werden: Umgekehrt ist auch nicht jede ablehnende Haltung oder Geste und auch nicht jede Lebensäußerung, die eine bestimmte soziale Praxis (faktisch) unterminiert, bereits Kritik. So sinnvoll es ist, den Kritikbegriff nicht auf die deutlich öffentlich artikulierten, argumentativ oder diskursiv verfassten und die institutionell vorgegebenen Bahnen (oder Gremien) nutzenden Interventionen zu beschränken, so wenig fruchtbar wäre umgekehrt seine Ausdehnung auf jede erdenkliche Lebensäußerung. Natürlich also ist Kritik nicht nur das, was sich als parlamentarische Protestnote oder als kritische Literaturrezension artikuliert; und Kritik ist noch nicht einmal nur das, was als Platzbesetzung oder politische Demonstration per Flugblatt kenntlich wird.
Kritik kann sich also auch in subtileren Mechanismen der Subversion oder der Destabilisierung des normativen Gefüges der herrschenden Ordnung ausdrücken – aber sie drückt sich dann eben darin aus und muss und kann in einem nächsten Schritt als Kritik artikuliert werden. Das Unterlaufen von sexistischen oder heteronormativen Zuordnungen beispielsweise kann qua Performanz destabilisierend wirken, ohne dass es dabei darauf ankäme, ob es von den Beteiligten kritisch »gemeint« ist. Zur Kritik wird es aber nur in einem Umfeld anderer kritischer Praktiken, in denen dies in seiner destabilisierenden Wirkung reflektiert oder thematisiert wird. Subversion und Kritik sind dabei sicherlich nahe Verwandte und die Übergänge fließend, zumal Subversion zu einem effektiven Mittel der praktischen Durchsetzung der Kritik werden kann.
4. Kritik und Artikulation
Den Unterschied allerdings zwischen artikuliertem und nichtartikuliertem Unwohlsein, ausdrücklicher oder unausdrücklicher Ablehnung der Verhältnisse gänzlich zu verschleifen scheint mir nicht sinnvoll – und entspricht auch nicht der praktischen Erfahrung von Akteuren in sozialen Konflikten. Stummer Unmut oder Rückzug, unwirsche Ablehnung oder passiv sich zeigendes Leid können zur Kritik werden, sind es aber selbst noch nicht. Um zu einem klassischen Beispiel (und Konfliktherd) zurückzukehren: Das sich summierende Fernbleiben von der Arbeit führt möglicherweise faktisch zu Krisen oder gar zur Destabilisierung eines Betriebs. Zur Kritik wird das aber erst als kollektive Bewegung des Absentismus, die, selbst wenn individuell betrieben, auf einer kollektiven Verabredung beruht. Um zu einer solchen zu werden, bedarf es aber der Artikulation: Akteure müssen sich über ihre Situation verständigen, was auch bedeutet, diffuses und individuelles Unbehagen kollektiv erfahrbar zu machen. Solches consciousness raising ist bekanntlich unter Bedingungen des neoliberalen Kapitalismus mit seinem Prinzip der individualisierenden Zuordnungen und seinen »Schein-Selbständigkeiten« im weitesten Sinne immer schwieriger, aber auch umso nötiger geworden. Kritik ist hier, ich komme darauf zurück, Ferment und Katalysator der auch kollektiven Artikulation von Erfahrungen.
5. Die Welt der Gründe
Aber selbst wenn Kritik der Artikulation bedarf – bedarf sie auch der Gründe, das heißt der Begründung? Warum sollte es sich bei Kritik um eine begründete Infragestellung von bestehenden Praktiken und Institutionen mit dem Ziel ihrer Abschaffung, Veränderung oder Transformation handeln – k...

Inhaltsverzeichnis

  1. Cover
  2. Verlag
  3. Benutzerhinweise
  4. Inhalt
  5. Armin Nassehi und Peter Felixberger
  6. Georg von Wallwitz
  7. Peter Schneider
  8. Konrad Paul Liessmann
  9. Armin Nassehi
  10. Hannelore Schlaffer
  11. Stefan Welzk
  12. Rahel Jaeggi
  13. Zweifler, Herausforderer, Rebellen
  14. Herlinde Koelbl
  15. Regina Schmeken
  16. Krisztina Koenen
  17. Bahman Nirumand
  18. Mark Greif
  19. Cora Stephan
  20. Barbara Sichtermann
  21. Karen van den Berg
  22. Anhang