Gott im Verzug
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Gott im Verzug

Nichtwissen in der Religion

  1. 15 Seiten
  2. German
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Nichtwissen in der Religion

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Über dieses Buch

Der Theologe Gregor Maria Hoff analysiert, welchen Platz Religionen in unseren Wissensgesellschaften beanspruchen. "Religionen vertreten ein Wissen, das sich säkular nicht aufzehren lässt: sinnvolle Deutungen eines Lebens, das angesichts von Schuld und Tod auf Endlichkeit fest gelegt ist und immer wieder an unauflösbarem Scheitern laboriert."

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Information

Jahr
2014
ISBN
9783867744461
Gregor Maria Hoff
Gott im Verzug
Nichtwissen in der Religion
Waco (Texas), 19. April 1993. Seit Wochen belagert das FBI einen Gebäudekomplex, der als Mount Carmel bekannt ist und von einer adventistischen Gemeinschaft bewohnt wird. Unter dem Verdacht eines Verstoßes gegen das Waffengesetz sowie des Kindesmissbrauchs gehen die Behörden gegen die Davidianer vor und stoßen auf erbitterten Widerstand. Am Ende steht das Gelände in Flammen und 74 Menschen kommen ums Leben, darunter auch Vernon Howell1. Unter dem Namen David Koresh leitete er die »Branch Davidians«, wobei sein religiöser Namenswechsel bereits einen offenbarungstheologischen Akt darstellt: Er sieht sich als Erbe messianischer Ansprüche. Dabei steht ihm theologisch autorisiertes Wissen zur Verfügung, das er über eine Interpretation des biblischen Buches der Offenbarung zu einem hermeneutischen Ablaufplan jener Ereignisse entwickelt, die mit dem ersten polizeilichen Eingreifen auf die finale Katastrophe, genauer: eine reguläre Apokalypse, zuhalten.
Dieses letzte Buch im neutestamentlichen Kanon stellt ein besonderes Wissen zur Verfügung: eine göttliche Offenbarung, die Auskunft über das gibt, »was bald geschehen muss« (Offb 1,1). Avisiert wird die Vollendung, und »die Zeit ist nahe« (Offb 1,3). Ein Szenario äußerster Dringlichkeit geht mit einer Bevollmächtigung der sieben Gemeinden einher, an die sich das Schreiben richtet und deren Mitgliedern eine königliche Würde zugesprochen wird (Offb 1,6). Ihre Situation ist bedrängt, sie führt in den ultimativen Kampf mit Satan, der als Gegenmacht zu Gott inszeniert wird und der religionspolitischen Situation zwischen äußerer Verfolgung und inneren Richtungskämpfen Rechnung trägt. Das Wissen um den guten Ausgang, der den Sieg bringt und ins neue Jerusalem führt (Offb 21,9–22,5), befeuert nicht nur die Gläubigen des frühen zweiten nachchristlichen Jahrhunderts, sondern erlaubt Übertragungen zu allen Zeiten. Am Skript der apokalyptischen Akteure schreibt auch Koresh, der das FBI als Handlungsträger in den apokalyptischen Endkampf einbaut und ihm eine Rolle zuweist, die von den Beamten nicht erkannt wird. Koresh bemüht dafür eine theologische Expertise. Er argumentiert und lässt sich weder als krank erklären noch, wie sich herausstellte, auf der Grundlage der zunächst erhobenen Vorwürfe ohne Weiteres kriminalisieren. Was jedoch als Meinungsstreit über die pluralen Auslegungsmöglichkeiten religiöser Texte beginnt, nimmt eine tödliche Dynamik an, die im Sturm auf die Davidianer-Siedlung noch nicht endet. Auf den Tag zwei Jahre später wird der politische Extremist Timothy McVeigh als Rache für Waco das FBI-Gebäude in Oklahoma in die Luft jagen.
Das Unwissen aufseiten des FBI wird durch den apokalyptischen Selbstvollzug Koreshs in ein Wissen verwandelt, das den Tod einkalkuliert, weil sich der messianisch Inspirierte neuen Lebens gewiss sein kann. An dieser Stelle greifen Theologien und Religionswissenschaften auf religiöses Standardwissen zurück, auf Regulative einer Normreligion, um das Eigentliche religiöser Traditionen festzulegen. Vom Missbrauch religiöser Vorstellungen ist dann die Rede, gerne auch von fehlendem oder fehlgeleitetem theologischem Wissen. Das aber steht nur in abweichenden Meinungen und zum Teil widersprüchlichen Richtungsangaben zur Verfügung. Ethische Einhegungen einer wahren Religion kristallisieren sich im Interpretationskonflikt.
Wenig aussichtsreich diskutiert man mit Fundamentalisten aller Couleur die historisch-kritisch erreichbaren Anlagen heiliger Schriften, die ihren wörtlichen Gebrauch oder interessierten Eigensinn mit semantischen Techniken der Ambiguitätsinszenierung2 oder der Gottesbildkritik sperren und auf sanftere, weil kritisch zeitaufwendige und differenzierungsstarke Anwendungen hinlenken. Hier entscheidet, wer entscheiden kann. Reflexion verwickelt demgegenüber in pluralitätsoffene Auseinandersetzungen um jede Auskunft in Sachen Gott. Aber anzuerkennen, dass alles Gotteswissen nur als Problem zu haben ist, und in diesen Disput einzusteigen, verlangt schon den Schritt zur Seite: Abstandnahme, Selbstbegrenzung.
Apokalyptisches Drehbuch
Etwas davon lässt sich bei David Koresh entdecken, der das theologische Gespräch suchte,3 um schließlich mit seiner Auslegung der Johannes-Offenbarung das apokalyptische Geschäft zu betreiben. Als er für sich eine letzte Klarheit erreicht, verselbständigt sich sein gottesbewusster Auftritt. Für alles, was geschieht, liefert die Apokalypse das Drehbuch. Der Text liefert die Kriterien, das FBI das Anschauungsmaterial. Ein rationaler Vorgang. Dennoch zeigt sich ein tödlicher Mangel in der religiösen Wissenskoordination von Koresh: die Umschmelzung seines Glaubens in eine ungebrochene Wissensgewissheit, die seine Rolle als Offenbarungsträger auf eine direkte Gottesbestätigung zurückführt. Sein religiöses Selbstbewusstsein brachte ihn, salopp gesprochen, um den Ertrag einer spezifisch theologischen Wissensbegrenzung und, nun in letztem Ernst, seine Leute ums Leben. Die angesprochene Limitierung besteht aber darin, dass sich religiöses Wissen immer mit einem Nichtwissen auflädt – was vom Unwissen des FBI markant zu unterscheiden ist. Im Buch der Offenbarung tritt es in theologischer Regie auf, wenn »der geheimnisvolle Sinn« (Offb 1,20) von Symbolen eigens entschlüsselt werden muss, vor allem aber, wenn sich das göttliche Subjekt im Text vermittelt (Offb 1,8). Es mischt sich ins johanneische Autoren-Ich ein und verlangt nach mehrfachem Report: nach der Wiedergabe der Stimme, die in Schrift übersetzt wird und so die Leser erreicht, die verstehen müssen. Dass dies auch für Koresh nicht selbstverständlich ist, verlangt ihm eine Übertragung der Apokalypse auf die laufenden Ereignisse in Waco ab, mit der sich die eigene Funktion klärt. Der minimale Abstand, den der Inspirierte zu seiner Rolle einnehmen muss, lässt sich zwar nachträglich überspielen und in ein unverzügliches Wissen um den Willen Gottes biegen. Die ursprüngliche Verzögerung offenbart indes noch im endzeitlichen Drama der Davidianer, dass Gott im Verzug bleibt – als Aufschub, der gerade dann gefährlich wird, wenn man den Eindruck hat, es bleibe keine Zeit. Das FBI löste mit seinem Angriff auch insofern den Textsinn der Johannes-Apokalypse ein.
Das offenb...

Inhaltsverzeichnis

  1. Cover
  2. Verlag
  3. Benutzerhinweise
  4. Gregor Maria Hoff
  5. Über den Autor
  6. Impressum