Karl Bruckmaier
When I’m 1964
Über das fleischgewordene Wirtschaftswunder
»Sorry«, wird Ai Weiwei sagen, »so sorry«, aber ihr seid alle noch schwarz-weiß. Ihr mögt die Meistgeborenen sein, aber ihr schaut alle gleich aus. So wie ein lebloses Grau. Der Staub der Kriegsjahre bedeckt immer noch eure Wiegen, bedeckt auch euch Kindertrümmer von Trümmerkindern. Willy Brandt wird erst in drei Jahren auf einen roten Knopf drücken – der natürlich nicht echt ist – und ein wenig blasse Farbe in eure Welt bringen. Funkausstellung. 1964 wird dieser Farbenbringer aber erst einmal nur SPD-Vorsitzender.
Im Modus der Monochromie
1964 kleben eure Eltern noch dreifarbige Folie auf den Bildschirm, unten Rotbraun für Erde, in der Mitte Grün für Wiese, oben Blau für Himmel. Manchmal gibt es in Wildwestfilmen Augenblicke, an denen diese dreiteilige Simulation fast passt. Meist nimmt man sie aber gar nicht wahr, die Vielfalt, die keine ist. Und auch nicht ihre Abwesenheit. Das Auge vergisst das Rot-Grün-Blau. Und die tausend Grautöne aus der Maschine gehen wie von selbst als bunt durch. Wirkliches Bunt ist noch ausschließlich dem Kino vorbehalten. Und auch dort nur dann, wenn die jungen Franzosen nicht irgendetwas Wirres mit Belmondo drehen. Die haben noch kein Geld für Bunt. Das haben bloß die in Hollywood und in der Cinecittà und ein paar Deutsche, die Lausbubengeschichten erzählen. Oder Karl May so zureiten, dass ihn kein Radebeuler mehr wiedererkennt. Doch selbst dieses o...