Arbeit 4.0
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Arbeit 4.0

Was tun mit dem nicht organisierbaren Rest?

  1. 20 Seiten
  2. German
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Arbeit 4.0

Was tun mit dem nicht organisierbaren Rest?

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Über dieses Buch

"Was ist Arbeit?", fragt Armin Nassehi. "Arbeit verrückt. Zumindest physikalisch gesehen. Denn der physikalische Begriff für Arbeit meint nichts anderes als das Produkt aus Kraft und Wegstrecke. Verrichtete Arbeit rückt also einen Körper von hier nach dort." Ein Essay über Arbeit und die Frage, warum man von der bloßen Existenz einfacher Arbeit etwas über die komplizierte lernen kann.

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Information

Jahr
2014
ISBN
9783867744164
Armin Nassehi
Arbeit 4.0
Was tun mit dem nicht organisierbaren Rest?
Nein, dies wird kein romantisches Plädoyer für einfache Arbeit. Es wird auch keine Kritik komplizierter Arbeit – übrigens eine Unterscheidung, die wir schon im ersten Kapitel von Marx’ Kapital finden.1 Eigentlich geht es gar nicht primär um einfache Arbeit, sondern um Arbeit schlechthin, und nicht zuletzt darum, warum man von der bloßen Existenz einfacher Arbeit etwas über die komplizierte lernen kann. Dazu aber später.
Wir haben uns daran gewöhnt, das Materialistische der Arbeit, also das, was an der Arbeit stinkt, Lärm macht, Fossiles verbrennt, Rohstoffe verbraucht und viel Platz braucht, für etwas Sekundäres zu halten. Wer Analysen über Wertschöpfungsketten liest oder wer nach innovativen Produkten sucht, stößt auf Tätigkeiten, die mit der Produktion im angedeuteten Sinne wenig zu tun haben. Ein Verbrennungsmotor etwa läuft heute nur noch angemessen mithilfe einer komplexen Datenverarbeitung. Produkte werden auf die kulturellen und symbolischen Bedürfnisse von Märkten abgestimmt. Das Design erzeugt das Image eines Produkts. Und die Wertschöpfung hat mehr mit der Rekombination von Informationen zu tun als mit der angemessenen Umformung von Natur in Kultur beziehungsweise von Rohstoffen und halb fertigen Teilen in Produkte. Das muss zwar auch gemacht werden, aber das ist nicht mehr das, was die Wertschöpfung ausmacht. Es bringt sie nur zu Ende.
Designed in California, assembled in China, wie es für Produkte mit dem angebissenen Kernobst heißt, ist geradezu eine Parabel dafür, wie sich das eine vom anderen getrennt und entfernt hat, nicht nur systematisch, sondern auch geografisch. Wer über die Kreativität von Arbeit nachdenkt, stößt dann eher auf die kalifornische als auf die chinesische Seite. Und so kann dann Arbeit ganz neu beschrieben werden. Arbeit ist immer weniger die Umformung von Materie in gebrauchsfertige Güter, sondern die Rekombination von Problemlösungskonzepten zu Problemlösungen. Schon ästhetisch gesehen wird Arbeit dadurch zu einer sauberen Angelegenheit. Nicht einmal Modelle von Produkten müssen mehr mit Spachtel, Formmasse und Schleifpapier hergestellt werden, sondern gewinnen ihre Gestalt am CAD-Terminal und werden dann von einem 3D-Drucker ausgespuckt. Nachdem die schmutzigen Arbeitsbedingungen in der chinesischen Fabrik für die erwähnten in Cupertino designten Produkte in weltweiten Medien allzu sichtbar geworden sind, hat sich die Firma Foxconn entschlossen, Arbeiter durch Roboter zu ersetzen. Der Foxconn-CEO Terry Guo meinte auf Nachfrage, aus den Arbeitern bei Foxconn würden dann Ingenieure und Techniker werden – will heißen: Es wird sauberer, ähnlich sauber wie in Cupertino.
In der vierten industriellen Revolution, der Industrie 4.0, geht es also um die Selbstoptimierung von Abläufen. Menschliche Arbeit reduziert sich zum einen auf das Design der Produktionsanlagen, auf die Algorithmisierung von Prozessen, die sich kybernetisch während des Prozesses selbst steuern, zum anderen auf die Rolle bloßer Moderatoren. Ob es so weit kommt, wird man sehen. Schon die in den 1980er-Jahren mit der Produktion des Golf II bei Volkswagen initiierte Automatisierung der Produktion in der berühmten Wolfsburger Halle 54 hat die Erwartungen keineswegs erfüllt. Das war Industrie 3.0. Es mag auch daran gelegen haben, dass die Möglichkeiten der prozessgesteuerten Selbstoptimierung durch Algorithmen noch nicht so weit waren. Industrie 4.0 soll dies nun ermöglichen – und es hat fast etwas Poetisches, wenn das von der Fraunhofer-Gesellschaft herausgegebene Gutachten zu Industrie 4.0, das als Programmpapier für diese industrielle Revolution gelesen werden kann, auf den Arbeiter stößt.2 Dort heißt es, die Menschen seien eher Dirigenten und Koordinatoren. Die Muskel- und die Denkarbeit dagegen würden die Maschinen übernehmen. Wohlgemerkt: beides. Denken heißt hier: Rekombination von Konzepten und Komponenten, Just-in-time-Prozessoptimierung und so weiter. Und Muskelarbeit ist eben Muskelarbeit. Was das Gutachten jedenfalls vermittelt, sind tatsächlich Sauberkeit, Optimierung, perfekt abgestimmte Prozesse, Hochwertigkeit. Es hört sich alles nach polierten Aluminiumflächen an. Nach Perfektion. Und die Mensch-Maschine-Schnittstelle wird insofern durchlässig, als man gar nicht mehr genau weiß, wo Mensch endet und wo Maschine beginnt.
In den utopischen Beschreibungen der Fraunhofer-Gesellschaft kommen einfache Tätigkeiten nicht mehr vor. Doch wer macht zukünftig den Dreck nach dem Meeting weg? Wer macht all das, was nicht algorithmisch organisierbar ist? Sich nicht digital beschreiben oder kompliziert planen lässt? Wie kommt die Selektivität bei der Beschreibung solcher Prozesse zustande?
Man könnte meinen: Weil es davon fast nichts mehr gibt, weil Arbeit heute eben nicht mehr einfach ist. Das liegt nahe, aber es stimmt nicht. Richtig ist, dass der Anteil der Einfacharbeit in der Industrie in Deutschland tatsächlich gesunken ist – von 35,5 Prozent aller Arbeit im Jahre 1993 bis auf 23,0 Prozent im Jahre 2007.3 Aber es ist immerhin mehr als ein Fünftel aller Arbeiten, die als Einfacharbeit gelten und eben nicht in erster Linie Rekombinationsarbeiten sind, deren oberstes Ziel Kreativität und nicht Reproduktion ist – von weltweiter Arbeitsteilung ganz zu schweigen.
Im Diskurs um die Arbeit spielen diese einfachen Arbeiten keine Rolle. Sie sind sogar aus der Beschreibung des Kapitalismus verschwunden. Den Kapitalismus beobachtet man derzeit hauptsächlich unter zwei Aspekten: Zum einen stellt sich die Frage, ob sich die Reproduktion und Versorgung von Bevölkerungen weiterhin auf die bekannten Mechanismen der Massenerwerbsarbeit stützen lässt – es ist also das Problem der sozialen Frage und der ökonomischen Formierung von Arbeit. Eine der international wichtigsten Referenzen dazu ist sicher der französische Soziologe Robert Castel.4 Zum anderen wird ein »neuer Geist des Kapitalismus« ausgemacht, den Luc Boltanski und Ève Chiapello insbesondere an den Diskursen der Kritik an Arbeitsformen festmachen.5 Boltanski und Chiapello sehen neben der bekannten Sozialkritik eine Künstlerkritik am Kapitalismus entstehen, die sich vor allem über die mangelnde Authentizität und die zu starke Marktorientierung, über mangelnde Selbstbestimmung und nicht zuletzt zu wenig Freiraum für den Einzelnen empört. Künstlerkritik heißen diese Formen auch, weil sie mit dem Wachstum des sogenannten Kreativsektors der Wirtschaft parallel laufen – ein Sektor, der auch klassische Industrieprodukte einholt, vom schönen und symbolisch passenden Automobil über lebensstildistinktionsfähige Alltagsprodukte bis zu ethischen Krediten. Unternehmen reagieren darauf mit einer starken Werteorientierung in ihren Selbstbeschreibungen. Auch das ist ein Ausdruck dafür, dass es um etwas Sauberes geht – um saubere Produkte, saubere Produktionen, saubere Emissionen und eine geordnete Welt, in der die hard facts gar nicht recht vorkommen wollen. Ist das noch Arbeit?
Arbeit verrückt
Was ist Arbeit? Arbeit verrückt. Zumindest physikalisch gesehen. Denn der physikalische Begriff für Arbeit meint nichts anderes als das Produkt aus Kraft und Wegstrecke. Verrichtete Arbeit rückt also einen Körper von hier nach dort. Mehr geleistet hat die Arbeit übrigens dann, wenn sie für diese Wegstrecke eine kürzere Zeit gebraucht hat. Leistung ist also Arbeit in Abhängigkeit zur Zeit. Gute Arbeit ist dann die, die besonders schnell zu Verrücktheiten führt. So geht sie als Kostenfaktor in betriebswirtschaftliche Gesamtrechnungen ein. Je mehr in kürzerer Zeit verrückt wird, desto günstiger und produktiver.
Das Verrückte ist nicht schön, aber nötig. Das ist ein altes Motiv. Es ist älter als das 19. Jahrhundert, in dem jene Konzepte von Arbeit entstanden sind, an denen wir noch heute laborieren, es steht bereits am Anfang der westlichen Kultur. Im ersten Buch Mose heißt es: »Im Schweiße deines Angesichts sollst du dein Brot essen.« Subsistenz ist Mühe, heißt das. Arbeit ist Subsistenz. Arbeit ist Mist.
Und gerade weil sie Mist ist, muss man sie offensichtlich wollen. Das Motiv bleibt in der gesamten abendländischen Geschichte als die Geringschätzung der schweißtreibenden Arbeit erhalten, zu der man die Leute nur ...

Inhaltsverzeichnis

  1. Cover
  2. Verlag
  3. Benutzerhinweise
  4. Armin Nassehi
  5. Über den Autor
  6. Impressum