Im Tal der Ahnungslosen
eBook - ePub

Im Tal der Ahnungslosen

Intuition als strategisches Wissen

  1. 17 Seiten
  2. German
  3. ePUB (handyfreundlich)
  4. Über iOS und Android verfügbar
eBook - ePub

Im Tal der Ahnungslosen

Intuition als strategisches Wissen

Angaben zum Buch
Buchvorschau
Inhaltsverzeichnis
Quellenangaben

Über dieses Buch

"Wir brauchen unsere Intuition und Gefühle fürs Entscheiden wie die Luft zum Atmen." Andreas Zeuch sieht im fehlenden Wissen über alle Entscheidungsbedingungen gar keinen Fehler und macht Intuition sogar als Quelle für strategisches Wissen aus.

Häufig gestellte Fragen

Gehe einfach zum Kontobereich in den Einstellungen und klicke auf „Abo kündigen“ – ganz einfach. Nachdem du gekündigt hast, bleibt deine Mitgliedschaft für den verbleibenden Abozeitraum, den du bereits bezahlt hast, aktiv. Mehr Informationen hier.
Derzeit stehen all unsere auf Mobilgeräte reagierenden ePub-Bücher zum Download über die App zur Verfügung. Die meisten unserer PDFs stehen ebenfalls zum Download bereit; wir arbeiten daran, auch die übrigen PDFs zum Download anzubieten, bei denen dies aktuell noch nicht möglich ist. Weitere Informationen hier.
Mit beiden Aboplänen erhältst du vollen Zugang zur Bibliothek und allen Funktionen von Perlego. Die einzigen Unterschiede bestehen im Preis und dem Abozeitraum: Mit dem Jahresabo sparst du auf 12 Monate gerechnet im Vergleich zum Monatsabo rund 30 %.
Wir sind ein Online-Abodienst für Lehrbücher, bei dem du für weniger als den Preis eines einzelnen Buches pro Monat Zugang zu einer ganzen Online-Bibliothek erhältst. Mit über 1 Million Büchern zu über 1.000 verschiedenen Themen haben wir bestimmt alles, was du brauchst! Weitere Informationen hier.
Achte auf das Symbol zum Vorlesen in deinem nächsten Buch, um zu sehen, ob du es dir auch anhören kannst. Bei diesem Tool wird dir Text laut vorgelesen, wobei der Text beim Vorlesen auch grafisch hervorgehoben wird. Du kannst das Vorlesen jederzeit anhalten, beschleunigen und verlangsamen. Weitere Informationen hier.
Ja, du hast Zugang zu Im Tal der Ahnungslosen von Andreas Zeuch im PDF- und/oder ePub-Format sowie zu anderen beliebten Büchern aus Politics & International Relations & Political History & Theory. Aus unserem Katalog stehen dir über 1 Million Bücher zur Verfügung.
Andreas Zeuch
Im Tal der Ahnungslosen
Intuition als strategisches Wissen
Am 5. August 1949 war es in Helena, Montana, ungewöhnlich heiß. 36 Grad – so viel hatte man in dem Ort auf 1237 Meter Höhe noch nie gemessen. Keine Wunder also, dass es in der Nähe, irgendwo in den Wäldern der Gates of the Mountains, angefangen hatte, zu kokeln. Robert Wagner, von allen Wag Dodge genannt, packte seine Sachen und kletterte zusammen mit seinen 15 Feuerspringern ins Flugzeug. Für den erfahrenen Profi keine große Sache. Feuer der Kategorie C – eigentlich ein Routineeinsatz. Doch vor Ort sah die Situation anders aus: Wag Dodge spürte sofort: Dieses Feuer ist beileibe nicht so harmlos, wie es scheint. Schnell dirigierte er seine Truppe Richtung Osten auf den Missouri zu, ungefähr zwei Kilometer von der Absprungstelle entfernt. Hier in der Nähe des Wassers fühlte er sich sicherer, und er brauchte Zeit zum Nachdenken. Verstärkung konnte er nicht rufen. Das Funkgerät hatte den Aufprall nicht überlebt – der Fallschirm, an dem es hing, war anscheinend defekt gewesen. Schnell aus dem engen Tal raus – dazu fehlte ihm eine Landkarte der Mann Gulch. Er entschied sich dafür, abzuwarten und das Feuer zu beobachten. Doch dann ging alles ganz schnell.
Gegen 17 Uhr verwandelten mehrere Winde das Feuer in ein Inferno. Feuerwirbel schleuderten brennende Äste und Tannenzapfen in die Luft und entfachten neue Brandherde. Doch das war nicht das Problem, sondern erst der sogenannte »Blow-up«, der folgte. Das Gebiet zwischen dem Hauptfeuer und den sich verbindenden neuen Brandherden erhitzte sich über dem Brennpunkt. Der sogenannte Konvektionseffekt – heiße Luft steigt auf, kalte und sauerstoffreiche Luft stürzt ab und tritt an ihre Stelle – führte zu einer Feuerexplosion mit unvorstellbaren Ausmaßen.
Die Winde trieben die 90 Meter breite und zwölf Meter hohe Feuerwand genau in Richtung der Männer. Dodge befahl den sofortigen Rückzug. Das anfängliche Tempo des Feuers war nicht bedrohlich, es lag bei etwa zwei Stundenkilometern. Doch dann ging es bergauf – und bergauf rennen Menschen bekanntlich langsamer, während für Feuer Steigungen ein Brandbeschleuniger sind. Zuletzt jagte das lodernde Monster den Männern mit zwölf Stundenkilometern hinterher und brannte bei Temperaturen von mehr als 1000 Grad alles nieder.
Die Feuerspringer rannten um ihr Leben, sprinteten mit aller Kraft den Berghang hoch und versuchten, den Kamm der Schlucht zu erreichen, in der Hoffnung, dass auf der anderen Seite nicht mehr so viel brennbares Material war. Doch als sie die Hitze in ihren Nacken spürten, nur noch 50 Meter war das »Monster« von ihnen entfernt, blieb Wag Dodge plötzlich stehen. Er brüllte seinen Männern zu, sie sollen auch stehen bleiben, aber vermutlich konnten sie ihn nicht hören, ein solches Feuer ist ein tosender Lärm. Und selbst wenn sie ihn gehört hätten – wer bleibt in solch einer Situation stehen? Dodge nahm ein Streichholz, zündete das Gras vor sich an, wartete ein paar Sekunden und stieg dann in die abgebrannte Stelle, machte sein Taschentuch nass, hielt es sich vor den Mund und legte sich mit dem Gesicht nach unten in die noch glühenden Grasreste. Während die Feuerwalze über ihn hinwegdonnerte, atmete er den wenigen verbliebenen Sauerstoff direkt über dem Boden ein. Das Feuer war so stark, dass die entstehenden Konvektionen ihn mehrere Male vom Boden in die Höhe sogen.
Als das Inferno vorüber war, stand Wag Dodge auf, ohne ernsthaften Schaden, ohne Verbrennungen. Nur zwei seiner Männer hatten ebenfalls Glück, bei ihrer Flucht bergauf fanden sie eine Felsspalte, in der sie sich verstecken konnten. Die anderen 13 hatten keine Chance, selbst wenn sie es bis über den Kamm geschafft hätten, wären sie verloren gewesen. Dort stand überall hohes, strohtrockenes Gras.
In dieser Situation gab es keine Zeit, lange zu überlegen, Optionen bewusst durchzuspielen, Chancen auszurechnen. Der Instinkt half ebenso wenig, denn er jagte die Männer den Hang hoch in den sicheren Tod. Es gab zu dem Zeitpunkt auch keine Anweisungen oder Pläne, was in einer derartigen Situation zu tun sei. Selbst zwei der damals angesehensten Experten des Forstdienstes für Feuer, Bud Moore und Edward Heilman, hatten noch nie zuvor von der Praxis gehört, zum Schutz vor einer Feuerwalze ein Stückchen Erde abzufackeln und sich dann daraufzulegen. Auf die Frage der anschließenden Untersuchungskommission, ob ihm das jemand beigebracht hätte, antwortete Wag Dodge: »Nicht, dass ich wüsste. Es schien mir nur logisch zu sein.« Heute gehört das Fluchtfeuer zum Standardrepertoire von Feuerspringern.
Dieser dramatische und tragische Vorfall verdeutlicht vor allem eines: Es ist keineswegs immer unser bewusstes Wissen, das uns die – wie in diesem Fall – rettende Lösung bringt. Der bewusste Zugriff auf unsere bewussten Wissensbestände ist natürlich legitim, aber längst nicht so wertvoll, wie wir in unserer technokratischen Gesellschaft gerne glauben und zumeist fordern. Wag Dodge rettete sein eigenes Leben unter extremem Druck, der kaum zu überbieten ist; und er entwickelte intuitiv eine Lösung und Rettung für Feuerspringer in darauffolgenden brandgefährlichen Situationen.
Was genau ist eigentlich Intuition?
Intuition ist ein Begriff mit einer gut 2000 Jahre währenden Geschichte, einer Vielzahl an Bedeutungsgebungen und Bewertungen. Deswegen für den weiteren Verlauf dieses Essays erst einmal ein paar grundlegende Reflexionen.
Intuition ist ein unbewusstes Urteil, das auch im Nachhinein nicht erklärt werden kann. Dieses unbewusste Urteil zeigt sich entweder in einer Erkenntnis und/oder einem Handlungsimpuls. Genau das zeigt die anfängliche Geschichte um Wag Dodge. Letztlich geht eine Intuition meistens einher mit Körperwahrnehmungen, Gefühlen, inneren Bildern oder einer inneren Stimme. All diese begleitenden Phänomene lassen sich unter dem wissenschaftlichen Konzept der »somatischen Marker«, das vom amerikanischen Neurologen António Damásio entwickelt wurde, zusammenfassen. Diese somatischen Marker sind häufig ein Start- oder Stoppsignal, einer intuitiven Eingebung zu folgen oder etwas zu unterlassen. Folgender Fall illustriert dies gut:
Im Rahmen meiner Dissertation zur Professionalisierung von Intuition interviewte ich Anfang 2000 einen Unternehmensberater, der für sich gelernt hatte, zwei verschiedene Körpersignale zu unterscheiden: Wenn sich in einer Auftragsklärung mit potenziellen Kunden sein Rücken verspannte, war dies überzufällig häufig ein sicherer Hinweis darauf, dass es noch weiteren Klärungsbedarf gab und er den Auftrag so nicht annehmen sollte. Seine Verspannungen waren ein klares Stoppsignal. Umgekehrt verhielt es sich, wenn er eine gewisse Aufregung verspürte, die sich in einem erhöhten Herzschlag zeigte. Das war das Signal, loszulegen. Der Auftrag kann angenommen werden, einer gemeinsamen Arbeit steht nichts mehr im Weg. Diese äußerst klare Wahrnehmung somatischer Marker, vulgo Körpergefühle in diesem Fall, ist geradezu prototypisch für einen gelungenen Umg...

Inhaltsverzeichnis

  1. Cover
  2. Verlag
  3. Andreas Zeuch
  4. Über den Autor
  5. Impressum