Kursbuch 181
eBook - ePub

Kursbuch 181

Jugend forsch

  1. 196 Seiten
  2. German
  3. ePUB (handyfreundlich)
  4. Über iOS und Android verfügbar
eBook - ePub
Angaben zum Buch
Buchvorschau
Inhaltsverzeichnis
Quellenangaben

Über dieses Buch

"Jugend forsch" – das Kursbuch 181 huldigt nicht dem Jugendwahn, sondern lässt AutorInnen unter 36 zu selbstgewählten Themen sagen, was sie schon immer mal sagen wollten. Klare Forderungen, Schluss mit Gefühlsduselei, Einmischung statt Rückzug – forsch eben. So beschreibt Eduardo Maura von der spanischen Bewegung Podemos seinen Kampf gegen Korruption und Machtmissbrauch, die Israelin Adi Livny fordert eine neue Politik für Israel, Lara Fritzsche beklagt den Magerwahn, dem vor allem Frauen unterliegen und Tilo Jung spricht über Insiderspiele in politischen Talkshows.

Häufig gestellte Fragen

Gehe einfach zum Kontobereich in den Einstellungen und klicke auf „Abo kündigen“ – ganz einfach. Nachdem du gekündigt hast, bleibt deine Mitgliedschaft für den verbleibenden Abozeitraum, den du bereits bezahlt hast, aktiv. Mehr Informationen hier.
Derzeit stehen all unsere auf Mobilgeräte reagierenden ePub-Bücher zum Download über die App zur Verfügung. Die meisten unserer PDFs stehen ebenfalls zum Download bereit; wir arbeiten daran, auch die übrigen PDFs zum Download anzubieten, bei denen dies aktuell noch nicht möglich ist. Weitere Informationen hier.
Mit beiden Aboplänen erhältst du vollen Zugang zur Bibliothek und allen Funktionen von Perlego. Die einzigen Unterschiede bestehen im Preis und dem Abozeitraum: Mit dem Jahresabo sparst du auf 12 Monate gerechnet im Vergleich zum Monatsabo rund 30 %.
Wir sind ein Online-Abodienst für Lehrbücher, bei dem du für weniger als den Preis eines einzelnen Buches pro Monat Zugang zu einer ganzen Online-Bibliothek erhältst. Mit über 1 Million Büchern zu über 1.000 verschiedenen Themen haben wir bestimmt alles, was du brauchst! Weitere Informationen hier.
Achte auf das Symbol zum Vorlesen in deinem nächsten Buch, um zu sehen, ob du es dir auch anhören kannst. Bei diesem Tool wird dir Text laut vorgelesen, wobei der Text beim Vorlesen auch grafisch hervorgehoben wird. Du kannst das Vorlesen jederzeit anhalten, beschleunigen und verlangsamen. Weitere Informationen hier.
Ja, du hast Zugang zu Kursbuch 181 von Armin Nassehi, Peter Felixberger, Armin Nassehi,Peter Felixberger im PDF- und/oder ePub-Format sowie zu anderen beliebten Büchern aus Social Sciences & Sociology. Aus unserem Katalog stehen dir über 1 Million Bücher zur Verfügung.

Information

Jahr
2015
ISBN
9783867744331
Auflage
1
Sabine Donauer
Ihr seid mir unheimlich
Von der Welt- zur Selbstoptimierung
Ein heutiger Top-Performer meiner Generation entspricht in vielerlei Hinsicht dem, wie sich Großunternehmen vor knapp 100 Jahren den idealen Arbeitnehmer der Zukunft ausgemalt haben. Zu dieser Zeit standen die Arbeiter nämlich schon zwei Minuten vor Betriebsschluss vor dem Werkstor und arbeiteten nicht freiwillig unbezahlt in die Abendstunden hinein. Auch legten sie Deutschland mit massiven Streikwellen lahm, um den Acht-Stunden-Tag einzufordern. Mit dermaßen renitenten Arbeitern konfrontiert, konzipierte der Industriellenverband DINTA in der Weimarer Republik erstmals eine systematische Personalarbeit. Betriebliches Personalmanagement hatte in den 1920er-Jahren »die Aufgabe, eine lebendige, persönliche Beziehung zum Werk im Arbeiter zu wecken. Seine Arbeit soll für ihn selbst nicht nur Erfüllung vertraglich übernommener Verpflichtungen, sie soll nicht nur Ausübung der nötigen Handverrichtungen, sondern bewußtes Schaffen an einem Betriebsvorgange sein, dessen Sinn er begreift, dessen Erfolg er als seine eigene Sache erkennt.«1 Heute würde man neudeutsch sagen: Es ging den Unternehmern darum, den Arbeitnehmer an die Vision und Mission des Unternehmens glauben zu lassen. Er sollte in der Arbeit mehr sehen als nur einen Broterwerb.
Ein weiteres Zukunftsziel betraf die Frage, wie sich der Arbeiter selbst sah: Idealerweise sollte er sich nicht mehr dem streikenden Arbeiterblock zugehörig fühlen, der den »Kapitaleignern« feindlich gesinnt gegenüberstand und ständig die Verteilungsfrage stellte. Statt dieser »Kollektivexistenz« waren Arbeitnehmer gefragt, die sich als Individuum sahen, die sich mehr für ihr eigenes Fortkommen als für das ihrer sozialen Schicht interessierten und die daran glaubten, dass es für sie vorteilhafter war, sich dem Unternehmen partnerschaftlich verbunden zu fühlen statt in einer Konfrontation Tarif- und Sozialrechte einzufordern. In der Nachkriegszeit, als die Forderungen nach kollektiver Mitbestimmung in der Neuordnung der deutschen Wirtschaft besonders virulent wurden, formulierten die Personalmanager dieses Ziel wie folgt: »So umständlich und mühselig es auch erscheinen mag, wir müssen an den Einzelmenschen herankommen. Wir müssen ihn ansprechen im weitesten Sinne des Wortes. Wir müssen ihn tangieren und bewegen im besten Sinne des Wortes. Richtschnur des Verhaltens: Vom Einzelnen zum Einzelnen!«2 Eine Masse streikender, bummelnder und zu Sabotageakten geneigter Arbeiter zu mitziehenden und leidenschaftlich arbeitenden Einzelleistungsträgern zu machen, das war im wahrsten Sinne des Wortes eine Jahrhundertaufgabe für die Personalarbeit der Unternehmen.
Bereits Max Weber bemerkte 1904 in seiner Protestantischen Ethik, dass ein langwieriger »Erziehungsprozess« erforderlich sein würde, um diese Art kapitalistisches Arbeitssubjekt hervorzubringen. Denn: Zu Webers Zeit gingen die Arbeiter bei jeder Stücklohnerhöhung früher nach Hause, statt bei gleicher Arbeitszeit mehr Geld zu verdienen. Sie hatten also eine klare Freizeitpräferenz gegenüber der Möglichkeit, höhere Konsummittel zu erwerben.3 Mit solchen Arbeitnehmern war kein Wachstumskurs zu machen.
Das sahen Unternehmen ähnlich, und sie ließen sich über die folgenden Jahrzehnte einiges einfallen, um aus teilnahmslosen Gesellen engagierte Mitarbeiter zu formen, den Arbeitnehmern die »richtigen« Arbeitsgefühle beizubringen. Ob dieses Unterfangen bezogen auf die hier interessierende »Jugend« tatsächlich gelungen ist, dazu später. Zuvor lohnt ein Blick im Zeitraffer auf das, was Personalexperten seit der Weimarer Republik unternommen haben, um den »Top-Performer« hervorzubringen.
Vom Klassenhass zur Job Satisfaction
Den Arbeiter aus seiner oppositionellen Blockhaltung herauszulösen, war kein einfaches Unterfangen, aber aus Sicht der Unternehmer doch ein nötiges. Auf der Sitzung des Vereins der deutschen Eisenhüttenleute, dem Interessenverband der Stahlwerksbetreiber, wurde das Problem 1925 in einem Vortrag unter dem Titel »Massenpsychologie und Arbeitserfolg« wie folgt zusammengefasst: »In den Gewerkschaften hat man es wohl begriffen, wie man Massen zu gewinnen und zugleich auf bestimmte Zwecke hin zu organisieren und zu leiten hat. Die Wirtschaft hingegen, die innerhalb ihrer Fabrikmauern Millionen und Abermillionen leitet, hat die Arbeitsmassen viel zu sehr sich selbst überlassen, oder sie begnügt sich mit dem aufgedrungenen Abwehrkampf gegenüber wirtschaftsfeindlichen Verbänden der Arbeiterbewegung. Drum ist es Zeit, daß wir die Frage aufwerfen und zu beantworten suchen, wie eine auf Mitarbeit einer Masse von Menschen angewiesene Wirtschaft psychologisch beraten sein muß, um das uralte wirtschaftliche Gesetz zu erfüllen, mit den verfügbaren Mitteln möglichst großen Erfolg zu erzielen.«4
Just diese psychologische Beratung organisierten sich Unternehmen in der Folge. Betriebssoziologen, Industriepädagogen und Arbeitspsychologen entstanden als neue Tätigkeitsprofile, und sie veränderten das Gesicht deutscher Fabrikarbeit, angefangen bei der Sprachpolitik der Betriebe: In den 1920er-Jahren wurde aus dem »Arbeiter« der »Mitarbeiter«. Das mittlere Management, also Meister und Vorarbeiter, wurde von den Unternehmensleitungen darauf verpflichtet, seinen harschen Umgangston mit den Arbeitern durch ein freundliches und zugewandtes Auftreten zu ersetzen. Ein Symposion unter dem Titel Industrieller Friede mit Beiträgen von Unternehmensführern wie Robert Bosch und Henry Ford resümierte diese Entwicklung 1928 mit den Worten: »Die alten und kalten begrifflichen Unterscheidungen Direktor, Angestellter, Arbeiter sind in der Auflösung begriffen. An ihre Stelle tritt der Begriff des Mitarbeiters.«5
»Der Mitarbeiter« wurde in den 1920er-Jahren von den Unternehmen auf völlig neue Weise umgarnt: Auf den Firmengeländen wurden enorme Summen in Sport- und Parkanlagen, behagliche Kantinenräume, Werkswohnungen, fabrikeigene Kauf- und Krankenhäuser, Kinderbetreuungseinrichtungen und in Erholungsheime für die Arbeitnehmer investiert. Den emotionalen Bezugspunkt sollte der Einzelne nicht mehr in der Arbeiterbewegung, sondern in »seiner Betriebsfamilie« finden. Die Maßnahmen setzten bereits am Neuzugang an: Lehrlinge liefen nicht mehr einfach nur neben dem Gesellen mit, sondern wurden einer systematisierten Ausbildung unterzogen. Die Ausbilder wurden angehalten, sanft im Ton zu sein und die Lehrlinge bei Fehlern zu unterstützen, statt sie zu schelten. Durch die Kultivierung dieser individuell-empathischen Ansprache hofften die Unternehmen, den »Klassenhass« zu brechen und den Einzelnen emotional für die Firma einnehmen zu können.
Hinter all diesen Bemühungen stand »die Erhebung des Einzelnen aus der Massenexistenz zur selbstbewußten Persönlichkeit«, wie es der Industriellenverband DINTA in der Weimarer Republik beschrieb.6 Der gewünschte neue »Arbeitertyp« war laut DINTA »tüchtig, seines Wertes sich bewußt, auf die Besserung seiner Lebensverhältnisse bedacht, aber zu stolz, um sich in eine von heimlichem Haß vergiftete Opposition zu seinem Werk treiben zu lassen«.7
Der Verband DINTA ging nach 1933 unmittelbar in die nationalsozialistische Einheitsgewerkschaft Deutsche Arbeitsfront (DAF) über. Es mag verwundern, aber der Nationalsozialismus setzte im Zeichen der Leistungssteigerung seiner Betriebe weiter auf das Rezept »Individualisierung«. Hatten Weimarer Betriebssoziologen bereits zur Verwendung eines Leistungslohnes geraten (statt flächendeckender Löhne), »um die Persönlichkeit im Arbeiter zur Geltung zu bringen«8, so versuchte die DAF, dieses Entgeltsystem durchgehend einzuführen. In ihrem Mitteilungsblatt schrieb sie 1942: »Ein Baubetrieb ermöglichte nach Umstellung auf das System der Leistungsrichtsätze nach eigenen Angaben eine Gesamtsteigerung der Leistung von 40 bis 65 %. Das Beispiel beweist, daß die Betriebsführer, welche sich mit besonderer Sorgfalt dem individuellen Arbeitseinsatz widmen, um darauf das System des Leistungslohnes aufzubauen, große Erfolge in der Aktivierung von bis jetzt noch zurückgehaltenen menschlichen Leistungsreserven erzielen.«9
Um im Sinne der Leistungssteigerung »die schöpferische Kraft des Einzelnen zu entwickeln«10, führte die DAF auch den Reichsberufswettkampf ein, bei dem sich Lehrlinge und Arbeiter einzelner Berufsgruppen erst auf regionaler, dann auf nationaler Ebene nach olympischem Prinzip miteinander messen sollten. Im Jahr 1938 nahmen zwei Millionen Arbeiter mit dem Ziel teil, als Sieger durch Hitler persönlich geehrt zu werden. Die Teilnehmer sollten einen kompetitiven Ehrgeiz entwickeln. Auch hier lässt sich der Gedanke in die 1920er-Jahre zurückverfolgen, denn bereits die Weimarer Industriellen hatten erkannt: »Durch den Wettbewerb wird der Mensch frei von der Masse, er wird sich seiner selbst bewußt und wird stark in sich selbst.«11
In dieser Hinsicht bestand ebenso eine Kontinuität zur Nachkriegszeit. Auf dem Münchener Psychologen-Kongress 1949, der unter dem Titel Psychologie in Wirtschaft und Politik veranstaltet wurde, rief der Vortragende zum Thema »Menschenführung im Betrieb« dazu auf, »das Individuum zu einer selbstschöpferischen Mitarbeit zu bewegen und die vielfältig auftretenden Probleme aus eigener Kraft zu lösen«.12 Diese historische Linie der gezielten Stärkung des Einzelnen hat sich bis heute fortgesetzt: Individualisierende Techniken wie die persönliche Ansprache, Vergütungssysteme, die die individuelle Leistung honorieren, Feedback-Gespräche, maßgeschneiderte Fortbildungskonzepte, aber auch die personalisierte Leistungsvermessung im Gewand von individuellen Zielvereinbarungen sind für die Firmen Garant für Leistungssteigerung und Mitarbeitermotivation. Diese emotionale Adressierung des einzelnen Mitarbeiters könnte jedoch nicht ihre produktivitätssteigernde Wirkung entfalten ohne die zweite große Entwicklungslinie im Personalmanagement des 20. Jahrhunderts: die zunehmende Verheißung, dass Arbeit mehr ist als ein Erwerbsmittel.
Von der mühseligen Pflicht zur Selbstverwirklichung
»Gehaßte Arbeit ist menschlich und sachlich unproduktiv« – so fasste der Ingenieur Adolf Friedrich in der Weimarer Republik das zeitgenössische Problem auf der Jahrestagung des Vereins Deutscher Ingenieure zusammen.13 Um die Erwerbsarbeit den Arbeitnehmern als etwas Wertvolles und Erfüllendes nahezubringen, scheuten Unternehmen im 20. Jahrhundert keine Mühen. Auch hier lassen sich erste Anläufe in die 1920er-Jahre zurückverfolgen. Der bereits genannte Industriellenverband DINTA begann zunächst mit der Einführung von »Werkszeitschriften« in millionenfacher Auflage und in firmenspezifischem Gewand. Hinter diesem Medium stand eine klare betriebliche Gefühlspolitik: Die Mitarbeiter sollten ein Gefühl des Stolzes auf ihr Werk entwickeln sowie Faszination und Begeisterung für die hergestellten Produkte. Darüber hinaus ri...

Inhaltsverzeichnis

  1. Cover
  2. Verlag
  3. Benutzerhinweise
  4. Inhalt
  5. Armin Nassehi
  6. Vera Bachmann
  7. Julian Müller
  8. Sabine Donauer
  9. Dark Horse
  10. Gustav Theile
  11. Leo Fischer
  12. Tilo Jung
  13. Mario Gerth
  14. Eduardo Maura
  15. Adi Livny
  16. Anne Wizorek
  17. Lara Fritzsche
  18. Jakob Schrenk
  19. Dominik Prantl
  20. Nora Bossong
  21. Anhang