EIN PAAR GRUNDLAGEN
Wir wollen einer Welt, in der zunehmend wieder Patriarchen regieren, in der die rein hierarchische Führung, in der Befehl und Gehorsam plötzlich wieder Einzug halten, etwas Konstruktives entgegensetzen. Denn wer glaubt, Arbeit ließe sich heute nur von oben herab organisieren, wer den »starken Mann« (oder die »starke Frau«) an der Spitze wünscht, den Chef, der allein und wissend weise Entscheidungen trifft, der »Machtworte« spricht, an die sich dann alle Subgeordneten halten, der hat nicht begriffen, dass das auf Dauer nicht mehr funktionieren wird.
Neue Wege und Lösungen entstehen im Team. Wer dabeibleiben will, wer sein Unternehmen erfolgreich in die Zukunft führen will, muss die Teams stärken, muss jede einzelne Mitarbeiterin, jeden einzelnen Mitarbeiter stärken.
Das entspricht auch unserem christlichen Menschenbild. Auch weil wir jedem Menschen Respekt und Wertschätzung entgegenbringen wollen, müssen wir uns von den Organigrammen verabschieden.
Behandle den anderen,
wie du selbst behandelt
werden willst, respektiere
den anderen, wie er ist.
Komplexität: alte Mittel helfen nicht
Wir haben uns gemeinsam mit unseren Mitarbeitern gefragt: Warum sind Organisationen seit Jahrzehnten unverändert? Welche Konsequenzen hat dieses traditionelle Vorgehen in einer immer komplexer werdenden Arbeitswelt, und wird es dieser überhaupt noch gerecht? Denn eines ist klar: Viele der etablierten und lange Zeit wenig hinterfragten Managementsysteme und hierarchischen Führungsstrukturen stammen aus einer Zeit, die sich grundlegend von der heutigen unterscheidet.
Tatsächlich haben sich beispielsweise die strenge Teilung zwischen Hirn (Management) und Hand (Produktion) sowie die immer kleinere Zerlegung von Arbeitsprozessen in Teilprozesse mit der intensivierten Mechanisierung in Fertigungsbetrieben und der beginnenden Massenproduktion in Fabriken zu Beginn des 20. Jahrhunderts herausgebildet.
Visionäre Unternehmer wie Henry Ford, der die Fließbandarbeit erfand, oder Arbeitswissenschaftler wie Frederick Winslow Taylor haben zu dieser Zeit Erfolgsprinzipien für unternehmerisches Handeln begründet, die lange Jahre genau das taten, was sie versprachen: Sie garantierten stabile Wachstumsraten. Doch ab Mitte der 1960er Jahre setzten Gegenbewegungen ein. Die oftmals rigide Prozesssteuerung von Abläufen mit den einhergehenden Arbeitsbedingungen wurde inzwischen kritisch als Taylorismus bezeichnet. Forderungen nach einer Humanisierung und Demokratisierung der Arbeitswelt wurden laut. Hinzu kamen im ausgehenden 20. Jahrhundert gesellschaftliche Veränderungen wie Globalisierung und Digitalisierung sowie die zunehmende Volatilität der Märkte – nur drei von vielen Gründen, die dazu führten, dass Unternehmen heute in einer immer komplexeren Welt agieren. Die bis dahin etablierten Arbeits- und Organisationsformen sind dieser Komplexität häufig nicht mehr gewachsen.
Geschwindigkeit: rennen und dabei stehen bleiben
Zugleich wird es immer anstrengender, die alten Arbeits- und Organisationsformen unter den neuen Gegebenheiten zu praktizieren. Das Phänomen, das dabei zu beobachten ist, vergleicht der Ökonom Eric Beinhocker, Direktor des Institute for New Economic Thinking in Oxford, mit dem Land der roten Königin aus Lewis Carrolls Buch Alice hinter den Spiegeln. In diesem Land muss man immer schneller rennen, um auf dem Fleck zu bleiben – vorwärts kommt man dabei nicht. Das Resultat in der realen Welt: sinkende Wachstumsraten, erschöpfte Mitarbeiter, ratlose Manager. Und spätestens hier wird deutlich: Es geht bei der Suche nach neuen Arbeitsformen mitnichten nur um die Erfordernisse der Märkte, sondern auch um die Bedürfnisse der Mitarbeiter. Denn was sich abstrakt ausgedrückt und global betrachtet an Symptomen wie sinkenden Wachstumsraten diagnostizieren lässt, kann sich für das Erleben des Einzelnen sehr konkret und wenig erbaulich darstellen.
Kurz und gut: Diese Formen der Zusammenarbeit ergaben für uns schlicht und ergreifend keinen Sinn mehr. Bevor es jedoch um das Entwickeln neuer Strukturen ging, wollten wir zunächst ein gemeinsames Verständnis zukünftiger Zusammenarbeit erarbeiten. Dazu haben wir einige Dinge festgelegt.
Unsere Antwort: Arbeit neu denken – selbstorganisiert
Für uns war früh klar: Wir wollten stärker in Netzwerken statt in Silos arbeiten und denken. Wir wollten unsere Teams dazu befähigen, eigenständiger und selbstverantwortlicher zu handeln, statt sie durch hierarchische Abstimmungsprozesse zu bremsen. Und wir wollten ein viel höheres Ausmaß an Kommunikation und Transparenz miteinander.
Ohne ein Organigramm gelingt uns das, was heute alle wollen: der Umgang mit steigender Komplexität und höherer Geschwindigkeit. Wir sind das beste Beispiel.
B. Braun ist ein Unternehmen, das in 64 Ländern aktiv ist, in dem Tausende Mitarbeiter tätig sind, und in dieser Komplexität besteht die Gefahr, sich zu verlieren, ja von der Komplexität erschlagen zu werden. Auf der anderen Seite müssen wir an Geschwindigkeit gewinnen. Die Innovationszyklen auf dem Gesundheitsmarkt sind rasend, viele Entwicklungen nicht vorhersehbar, und die Vergänglichkeit vieler Innovationen ist hoch. Nicht selten müssen wir schnell mit einem neuen Produkt auf den Markt gehen. Zeit zum Beispiel bei der Qualitätskontrolle einzusparen verbietet sich. Das heißt, wir müssen an anderer Stelle schneller und besser werden. Will sagen: Wir können nicht für jede Entscheidung die Hierarchien abfragen. Wir brauchen flexiblere Organisationsformen. Statt absolute Kontrolle auszuüben und als Führungskraft jede Entscheidung mitzubestimmen, müssen wir die Dinge mehr laufen lassen. Wir müssen nicht lässiger, aber durchlässiger werden.
TASKS & TEAMS – DER WEG ZU EINER NEUEN IDEE
Das Organigramm gesprengt, die Trümmer gesichtet und sortiert, geklärt, was wir erhalten wollen und was auf die Schutthalde gehört, und wichtige grundlegende Überlegungen angestellt – so weit waren wir nun. Jetzt ging es für uns darum, neue Formen der Zusammenarbeit zu finden. Wichtig war, wie es weitergehen konnte.
Der Kern
Im Grunde geht es bei der Umsetzung von Tasks & Teams um eine Sache: Sie müssen immer wissen, wie Sie dem Satz »Ich kann es nur mit mehr Mitarbeitern schaffen« konstruktiv begegnen. Denn dieser Satz ist weit verbreitet in der Organigramm-Welt.
Dazu ein Beispiel. Es liegt ein neues Thema an, Thema X. Das Thema X wird an Abteilung A übertragen, und der erste Reflex ist: Ich brauche mehr Leute in meiner Abteilung. Am besten installieren wir für das Thema X eine eigene Abteilung, weil ein solches Thema so aufwendig, so zeitraubend ist und so viel Manpower bindet, dass es Sinn machen würde, eine eigene Abteilung mit entsprechenden Mitarbeitern aufzubauen.
Genau darauf müssen Sie eingehen. Dem müssen Sie begegnen. Die Reaktion einer Führungskraft kann es jedoch nicht sein, zu sagen: »Dann arbeiten Sie eben mehr, dann muss eben jeder von Ihnen mehr ran. Das ist ja nur für eine überschaubare Zeit, das wird schon gehen.« Das ist sicher nicht die Lösung. Denn Mehrarbeit sorgt für eine weitere Arbeitsbelastung.
Die ersten Antworten sind also die Gegenfragen: Was sind die Aufgaben, die Tasks? Wie sind die Prioritäten? Was gilt es, als Erstes zu tun? Worin liegt der Mehrwert, den wir durch das Bedienen des Themas erzielen? Was können wir weglassen? Und: Was haben unsere internen Kunden davon, wenn wir dieses Thema bearbeiten?
Denn auch das ist ein Nebeneffekt von Tasks & Teams: Wir entwickeln ein anderes Verständnis von der Kooperation im Unternehmen, wenn wir andere Abteilungen als Kunden betrachten. Wenn wir kundenzentrierter denken und handeln, wenn wir Themen »a...