Das böse Wort Verkauf
Wir trauen uns häufig eigenes Denken nicht zu. Wir glauben, dass wir Wissen von außen brauchen, irgendwen, der uns etwas erzählt, das wir umsetzen können. Einen geheimen Trick zum Beispiel, den wir anwenden können. Damit wir den Kunden quasi »austricksen« können. Im Leben kommt aber doch alles retour. Im Verkauf mit Tricks zu arbeiten, ist daher keine gewinnbringende Methode. Wofür brauchen wir also Hard-, Love-, Soft-, Top-, Extreme-, Mega-5.0-Selling? Wozu dieses Methoden-Geschwafel? Weshalb sagen wir nicht einfach Selling? Weil es »böse« ist – Verkaufen ist böse.
Erinnern wir uns zurück: Als es an der Tür klingelte und vom Staubsauger bis zur Lebensversicherung unnützes und überteuertes Zeug über die Küchentische unserer Eltern, Großeltern oder sogar unsere eigenen ging. Als gut gekleidete und auf »Keilen« getrimmte Vertreter bei der Gelegenheit ihre Kundschaft direkt mit rüber zogen. Diese Zeiten sind glücklicherweise vorbei. Trotzdem hat sich das Verkäufer-Image nicht mehr wirklich davon erholt.
Wir müssen verkaufen
Doch der Konsum boomt. Wir sind alle dann und wann im Kaufrausch. Das Paradoxe ist: Alle wollen kaufen, aber niemand will etwas verkauft bekommen. Und dennoch ist es so, dass Verkäufer meinen: »Wir MÜSSEN VERKAUFEN.« Tatsächlich? Also ich glaube nicht, was die Sales-Gurus, Verkaufsexperten und sonstigen Erfolgspropheten uns damit weismachen wollen.
»Verkaufen ist verkaufen«, sagt der Verkaufsexperte. Wenn das so ist, dann habe ich euch enttarnt, ihr falschen Propheten: Es geht euch ums Verkaufen, es geht euch um euch selbst! Wenn du es als Verkäufer aber so siehst, dass es primär darum geht zu verkaufen, dann hast du ein riesiges Problem, dann vertreibst du deine Kunden. Und das passiert tagtäglich im Vertrieb: Der Vertrieb vertreibt die Kunden. Die Erklärung dafür ist einfach: Der Verkäufer schaut zu viel auf sich.
»Wir MÜSSEN verkaufen.« Auch das ist ein klassischer Irrglaube, den Chefs gerne an ihre Verkäufer weitergeben. Kein Mensch muss irgendetwas. Das Wort »muss« macht immer Druck. Und ein Chef, der diese Art von Druck ausübt, hat meist selbst Druck: Er bekommt Geld dafür, dass die Dinge laufen und er trägt natürlich auch die Verantwortung. Er hat Mitarbeiter zu führen und zu leiten. Blöderweise wissen sehr viele Vorgesetzte nicht, wie das geht.
Die Erklärung dafür ist einfach und gleichermaßen verständlich: Die meisten Chefs haben ihre vorherige Aufgabe über einen längeren Zeitraum sehr gut gemacht. Und weil sie Erfolg hatten, wurden sie befördert. Das Dilemma: Sie haben eigentlich gar keine Ahnung vom Chef-sein. Sie führen nicht, sondern ziehen. Oder sie glauben, dass man durch Lob Ergebnisse steigern kann. Aber das ist der noch größere Unsinn. Das klappt durch Anerkennung, basierend auf Fakten, aber nicht durch das bloße Loben. Und außerdem klappt das auch nur bei denjenigen, die aufgrund ihrer Motive und persönlichen Antreiber Anerkennung brauchen. Ist das Motiv Anerkennung entsprechend hoch, wird der Chef bei diesem Mitarbeiter auch auf fruchtbaren Boden stoßen. Bekäme dieser Mitarbeiter nämlich nur ganz wenig oder keine Anerkennung, würde er für sich keinen Antreiber sehen, sich »kräftig ins Zeug zu legen«.
Kündigt ein Mitarbeiter, dann meist wegen des Chefs und nicht wegen des Produkts oder der Kunden. Mitarbeiter kündigen, weil sie sich nicht mit der Marke identifizieren – genau das ist aber Chefsache. Wenn es dem Chef nicht gelingt, dass sich seine Mitarbeiter mit der Marke, dem Unternehmen identifizieren, dann führt er nicht so, wie er sollte. Will sagen: Die Mitarbeiteridentifikation mit dem Unternehmen klappt auch nicht besser, wenn man zieht oder Druck ausübt.
Die richtige Haltung oder sagen wir, die alternative Haltung zum Müssen, kann nur sein: Ich bin froh, wenn ich KANN. Ich freue mich auf den Kunden!
Dazu ein Beispiel aus meiner Erfahrungskiste: Ich war für ein Messetraining gebucht und das Grundthema der 30 Damen und Herren war, dass sie sich nicht auf die Kunden gefreut haben. Das hat nichts zu tun mit einer Kundenansprache, einer Grußformel oder sonst einem rhetorischen Kniff, den die meisten von einem Messetraining erwarten. Es ist reine Einstellungssache. Die Einstellung soll lauten: »Ich bin froh, dass ich kann. Ich freue mich darauf!«
Wenn wir es schaffen, uns aus diesem Müssen herauszuschrauben, wenn wir es schaffen, diesen Druck rauszunehmen – bei den Mitarbeitern, bei den Kunden, im Markt, bei den Chefs –, dann gelingt es, den Kunden zum Kaufen zu bewegen. Genau um das geht es. Jeder (Verkäufer) will, dass der Kunde kauft. Aus diesem Grund sollte ein Verkäufer ganz klar fokussieren, was er als Potenzial sieht. Er hat die Vision, dass Kauf passiert, ohne Druck zu haben oder ihn selbst auszuüben! Denn es geht auch darum, mit einer gewissen Gelassenheit das zu tun, wo jeglicher Druck unangebracht ist. Verkaufen sollte Spaß machen – auch dem Kunden. Und es macht dem anderen erst dann Spaß, wenn es mir als Verkäufer Spaß macht!
Verkaufen ist verkaufen, sonst nix? Nein! Aus Sicht des Verkäufers geht es niemals ums Verkaufen. Auch wenn die meisten Verkäufer da draußen anderer Meinung sind, ist das ein ganz großer Irrglaube. Wenn wir uns alles bis hierhin Gesagte zu Herzen nehmen und verstanden haben, kann es im Grunde genommen doch nur um eins gehen: das Kaufen! Hilfe beim Kaufen statt verkaufen. Also kommt es auf die Sichtweise an. Diese kann nur »vom Kunden aus« und nicht »vom Verkäufer aus« kommen, wenn man erfolgreich verkaufen will.