Der Wachstumzwang
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Der Wachstumzwang

Warum die Volkswirtschaft immer weiterwachsen muss, selbst wenn wir genug haben

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Der Wachstumzwang

Warum die Volkswirtschaft immer weiterwachsen muss, selbst wenn wir genug haben

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Über dieses Buch

Mit dem Wirtschaftswachstum war über lange Zeit ein Heilsversprechen auf bessere Zukunft verbunden, das sich großenteils auch bewahrheitet hat. Doch aus diesem Heilsversprechen wird in neuester Zeit zunehmend eine Zwangshandlung. Für eine steigende Zahl von Menschen in reichen Ländern ist mehr materieller Wohlstand kein glaubhaftes Versprechen mehr auf ein noch besseres zukünftiges Leben. Deshalb wird Wachstum heute kaum noch mit diesem Argument begründet. Stattdessen hören wir, dass ein Land wie Deutschland bei geringem oder ausbleibendem Wachstum gegenüber anderen Ländern zurückbleibt, als Wirtschaftsstandort unattraktiv wird, an Innovationskraft einbüßt oder Arbeitsplätze verliert. Wir müssen wachsen, um wirtschaftlich erfolgreich zu bleiben, auch wenn wir gar nicht noch mehr materiellen Wohlstand wollen!
Das Buch von Mathias Binswanger zeigt auf, woher dieser Wachstumszwang genau kommt. Begründet ist er letztlich in der Tatsache, dass Unternehmen insgesamt über längere Zeit nur Gewinne machen können, wenn auch ein Wachstum des BIP stattfindet. Und Gewinne sind wiederum notwendig, damit Unternehmen längerfristig überleben. In neuester Zeit ist daraus zunehmend eine Zwangshandlung geworden: Wir müssen wachsen, um wirtschaftlich erfolgreich zu bleiben, auch wenn wir gar nicht noch mehr materiellen Wohlstand wollen! Genau das ist der Wachstumszwang!

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Information

Verlag
Wiley-VCH
Jahr
2019
ISBN
9783527822041

Teil I:
DER WACHSTUMSZWANG


1. Zweihundert Jahre Wirtschaftswachstum: Vom Heilsversprechen zur Zwangshandlung

»Wachstum um des Wachstums willen ist die Ideologie der Krebszelle.«
Edward Abbey, Notes from a Secret Journal
(Vox Clamantis in Deserto), Santa Fe, 1990

Der Beginn des Wirtschaftswachstums und seine Voraussetzungen

Seit ungefähr 200 Jahren ist Wirtschaftswachstum gemessen als Wachstum des realen BIP pro Kopf zu einem Dauerzustand moderner Wirtschaften geworden. Das Wachstum begann in England am Anfang des 19. Jahrhunderts und dehnte sich in der Folge auf dem ganzen Europäischen Kontinent, nach Nordamerika und im letzten Jahrhundert auf die ganze Welt aus. Da dieser Zustand so lange andauert, haben wir uns dermaßen an ihn gewöhnt, dass schon ein kurzfristiges Ausbleiben von Wachstum als Anzeichen einer dysfunktionalen Wirtschaft empfunden wird.
Schauen wir weiter zurück in die Geschichte, dann stellen wir allerdings fest, dass es vor dem 18. Jahrhundert nie längere Phasen von Wirtschaftswachstum gab. Zwar wuchsen Wirtschaften von Zeit zu Zeit, wenn Menschen in neue Gegenden einwanderten oder ein starkes Bevölkerungswachstum zu verzeichnen war. Doch dies führte nie zu einem länger anhaltenden Wachstum. Der Normalzustand war nicht eine wachsende, sondern eine stationäre Wirtschaft, bei der die Produktion an Gütern und Dienstleistungen pro Kopf mehr oder weniger konstant bleibt. Natürlich haben wir keine präzisen Zahlen für frühere Jahrhunderte und können beispielsweise nachschauen, wie hoch das Wachstum im Jahr 1723 war. Aber Wirtschaftshistoriker haben versucht, das Wachstum für frühere Jahrhunderte aufgrund vorliegender Daten abzuschätzen, und fanden keine Hinweise darauf, dass ein Wachstum oder Wachstum pro Kopf irgendwo über länger andauernde Phasen stattgefunden hätte (siehe Tabelle 1.1).
Zeitraum Jährliche Wachstumsrate des BIP Jährliche Wachstumsrate des BIP pro Kopf Jährliche Wachstumsrate des Energieverbrauchs
1000-1500 0.1% 0.0%
1500-1600 0.3% 0.1%
1600-1700 0.1% 0.0%
1700-1820 0.5% 0.1%
1820-1870 0.9% 0.5% 0.6%
1870-1900 1.9% 1.3% 1.2%
1900-1920 3.1% 2.2% 2.0%
1920-1940 1.1% 0.1% 1.2%
1940-1950 1.7% 0.8% 2.2%
1950-1960 4.7% 2.8% 3.9%
1960-1970 5.0% 3.1% 5.2%
1970-1980 3.8% 2.0% 2.6%
1980-1990 3.1% 1.4% 1.8%
1990-2000 3.1% 1.6% 1.3%
2000-2010 3.5% 2.3% 2.3%
Tabelle 1.1: Ungefähre Wachstumsraten der Weltwirtschaft und des Energieverbrauchs
(Quelle: Bevölkerung und BIP basierend auf Schätzungen von Angus Madison (Maddison Historical Statistics); Energieverbrauch basierend auf Schätzungen von Vaclav Smil in Energy Transitions: History Requirements, and Prospects, adjusted by recent information from BP’s 2012 Statistical Review of World Energy.)
Der Anfang des Wirtschaftswachstums als Dauerzustand moderner Wirtschaften steht in engem Zusammenhang mit dem Beginn der industriellen Revolution anfangs des 19. Jahrhunderts. Zuvor lebten die Menschen hauptsächlich in Agrarwirtschaften, in denen die landwirtschaftliche Produktion die dominierende wirtschaftliche Tätigkeit war. In einer solchen Wirtschaft war neben Arbeit Boden der wichtigste Produktionsfaktor. Die Bauern säten, pflanzten, pflügten und ernteten, was immer einer Kombination der Produktionsfaktoren Arbeit und Boden entsprach. Allerdings lässt sich die Produktion in einer solchen Wirtschaft nicht beliebig ausdehnen, denn es gibt natürliche Grenzen. Werden die Böden, die sich für die landwirtschaftliche Produktion eignen, einmal genutzt, dann lässt sich die Produktion nur noch in dem Ausmaß steigern, als die Böden intensiver genutzt werden. Das wurde zwar häufig versucht, doch führte dies schnell zur Übernutzung der Böden und damit längerfristig zu keiner nachhaltigen Steigerung der Produktion.
Die industrielle Revolution führte zu einer radikalen Veränderung des Produktionsprozesses. Jetzt wurde Kapital, das heißt Maschinen, Anlagen, Fahrzeuge oder später Computer, Roboter und Algorithmen, zum wichtigsten Produktionsfaktor neben der Arbeit. Der Boden verlor hingegen zunehmend seine Bedeutung. Kapital ist aber im Unterschied zum Boden menschengemacht und über Investitionen lässt sich die Menge an Kapital immer mehr ausdehnen. Damit war die natürliche Grenze der Produktion aufgehoben, und von nun an war es möglich, die Produktion von Jahr zu Jahr zu erhöhen. Denn nicht nur wurde die Produktionskapazität der Wirtschaft durch immer mehr Kapital, sondern auch durch immer besseres Kapital erhöht. Der technische Fortschritt machte das Kapital produktiver und differenzierter und ermöglichte so auch die Produktion einer stets größeren Vielfalt von Gütern und Dienstleistungen.
Verbunden mit dem Wachstum des Kapitals war auch eine stetige Zunahme des Ressourcenverbrauchs und vor allem des Energieverbrauchs. Die industrielle Revolution sorgte dafür, dass Maschinen nicht mehr mit physischer Arbeit, sondern mit Energie betrieben wurden. Die Nutzbarmachung stets neuer Energiequellen war somit ebenfalls eine Voraussetzung für den stetigen Wachstumsprozess. Zu Beginn waren dies erneuerbare Formen von Energiequellen wie Wasserkraft, Wind oder Holz. Das im 19. Jahrhundert einsetzende Wirtschaftswachstum war aber vor allem gekoppelt an nicht-erneuerbare Energiequellen wie Kohle, Erdöl, Erdgas aber auch Kernenergie. Diese Energiequellen waren jeweils so reichlich vorhanden, dass die Energiekosten nicht ins Gewicht fielen. Denn solange man Kapital mit billiger Energie betreiben kann, arbeitet die Natur fast gratis am Wachstumsprozess mit. Eine natürliche Grenze schien erst in den 70er Jahren des vergangenen Jahrhunderts mit der Erdölkrise wieder in Sicht. Aber heute sprudelt das Erdöl wieder reichlicher denn je und ist nach wie vor relativ billig. Der technische Fortschritt hat die natürlichen Grenzen des Wachstums einmal mehr in eine fernere Zukunft geschoben.
Doch die industrielle Revolution hätte für sich allein nicht ausgereicht, um ein dauerhaftes Wachstum zu ermöglichen. Notwendig war auch eine finanzielle Revolution, welche der industriellen Revolution voranging (siehe Ferguson, 2009, S. 50). Im London des 17. Jahrhunderts entstanden aus Goldschmiedewerkstätten die ersten modernen Banken, welche in der Lage waren, Geld nicht auszuleihen, sondern es gleichzeitig auch zu schaffen (Binswanger, 2015). Den Anfang dieses Prozesses bildeten einige Goldschmiede, die damit begannen, Goldmünzen und Goldbarren für Kunden in sicheren Lagerstätten aufzubewahren. Damit man nun wusste, wer wieviel Gold bei einem Goldschmied hinterlegt hatte, stellten diese dem Hinterleger sogenannte Goldsmith-Notes aus. Bei den Goldsmith-Notes handelte es sich im Grunde um Quittungen oder Geldaufbewahrungsscheine für hinterlegte Goldbarren oder Goldmünzen, die mit dem Namen des Goldhinterlegers versehen waren. Diese Goldsmith-Notes wurden mit der Zeit aber immer mehr selbst zum Zahlungsmittel, da es viel einfacher ist, ein Stück Papier für Zahlungszwecke zu verwenden, statt jedes Mal beim Goldschmied vorbeizugehen und sich Gold aushändigen zu lassen.
Doch die Goldsmith-Notes wurden nicht nur zum wichtigsten Zahlungsmittel, sondern die neu entstandenen Goldschmiedebanken begannen bald auch Kredite in Form von Goldsmith-Notes zu vergeben. Statt Goldmünzen wieder zu verleihen, welche die Kunden vorher bei ihnen hinterlegt hatten, beschrifteten Goldschmiede jetzt für die Kreditvergabe einfach weitere Papierstücke, welche dann als Zahlungsmittel verwendet wurden. Kredite führten auf diese Weise bereits im 17. Jahrhundert zu Geldschöpfung, da – wann immer ein Kreditnehmer der Goldschmiede einen solchen Kredit in Form von Goldsmith-Notes ausbezahlt bekam – die Geldmenge genau um diesen Betrag zunahm. Und heute läuft dieser Prozess ganz ähnlich ab. Nur vergeben Banken Kredite nicht mehr in Form von Papiergeld, sondern sie schreiben den Betrag direkt dem Konto des Kreditnehmers gut, was einer Geldschöpfung in Form von Giralgeld entspricht. Dieses Giralgeld oder Bankengeld ist das heute weitaus am häufigsten bei Zahlungen verwendete Geld, indem einfach Geld von einem Bankkonto auf ein anderes Bankkonto überwiesen wird.
Durch die Fähigkeit der Geldschöpfung wurde die Finanzierung von zusätzlichen Investitionen ermöglicht, ohne dass man zuerst sparen musste. Dies war eine Voraussetzung dafür, dass später im Rahmen der industriellen Revolution Kapital zum wichtigsten Produktionsfaktor in der wirtschaftlichen Produktion werden konnte. Der Hauptgrund, weshalb Geldschöpfung für das Wachstum eine so entscheidende Rolle spielt, ist leicht nachvollziehbar. Findet in einer Volkswirtschaft keine Geldschöpfung statt, dann kann nur das Geld wieder ausgegeben werden, das vorher eingenommen wurde. Wird deshalb mehr Geld für Investitionen ausgegeben, dann bedeutet dies zw...

Inhaltsverzeichnis

  1. Deckblatt
  2. Titelseite
  3. Impressum
  4. Widmung
  5. Einleitung
  6. Teil I: Der Wachstumszwang
  7. Teil II: Die Zukunft des Wachstums
  8. Anmerkungen
  9. Literatur
  10. Stichwortverzeichnis
  11. End User License Agreement