Intelligenz zeigt sich in einem Verhalten, das sich an Situationen anpasst und darauf angemessen reagiert, und zwar besonders, wenn diese Situationen komplex sind und sich verändern. Ein wichtiges Merkmal der Intelligenz ist es, Vorhersagen treffen zu können. Das wird durch das Lernen und das Gedächtnis ermöglicht. Wenn Sie feststellen, dass ein Gewitter aufzieht, wäre es beispielsweise intelligent, einen Schirm mit ins Kino zu nehmen, denn es könnte ja sein, dass es regnet, wenn der Film vorbei ist. Wenn Sie wissen, dass es keine Parkplätze vor dem Kino gibt, ist es intelligent, den öffentlichen Nahverkehr zu nutzen. Und wenn Sie denken, dass der Film langweilig sein könnte, bleiben Sie vielleicht lieber zu Hause und machen etwas anderes. Intelligenz ist unter anderem auch vorausschauendes Handeln.
Die Fähigkeit, Vorhersagen zu treffen, liegt zweifellos zum Teil in unseren Genen. Intelligenz hat sich in der Evolution durchgesetzt, da sie eine Voraussetzung dafür war, Verhalten anzupassen, also komplexere Ziele auszuwählen und sie in einer komplexeren Umgebung zu verfolgen.
Was definiert Intelligenz: allgemein oder spezialisiert?
Unsere Umwelt ist komplexer als die jeder anderen Spezies, und einen Großteil davon haben wir selbst geschaffen. Wir haben unsere Umwelt so verändert, dass es viele Mikroumfelder gibt, die alle unterschiedliche Fähigkeiten erfordern: der Umgang mit einem Stift oder einer Tastatur, soziale Kompetenz im Umgang mit anderen Menschen, sprachliche Fähigkeiten für die Kommunikation, mathematische und räumliche Fertigkeiten, um Landkarten zu lesen und sich zu orientieren, und so weiter.
Eine der ältesten Kontroversen der Psychologie und der kognitiven Wissenschaften ist die Frage, ob Intelligenz etwas Einheitliches ist oder sich in verschiedene Unterkategorien aufteilen lässt.
Auf der einen Seite steht die
Verhaltensbiologie, die das Gehirn als eine universelle Lerneinheit betrachtet, auf deren interne Struktur es beim Verstehen von Lernen und Verhalten nicht ankommt. Auf der anderen Seite stehen die heute als überholt geltenden Ansichten der
Phrenologen, die der Meinung sind, dass die Entwicklung spezifischer intellektueller Eigenschaften mit dem Wachstum bestimmter Bereiche des Gehirns (einhergehend mit der Wölbung des Schädels nach vorn) in Zusammenhang steht. Die Phrenologen entwarfen eine aufwendige Karte, die den Sitz Dutzender Eigenschaften lokalisierte, indem sie Menschen untersuchten, von denen man glaubte, dass sie in bestimmten Bereichen besonders ausgeprägte oder unterentwickelte Eigenschaften besaßen. Dazu vermaßen sie die relative Höhe verschiedener Schädelbereiche (siehe
Abbildung 12.1).
Die Ansichten der Phrenologen sind mittlerweile vollständig widerlegt. Bestimmte Hirnareale sind nicht für bestimmte Arten von Intelligenz zuständig. Außerdem wachsen auch nicht einzelne Hirnbereiche und beulen den Schädel nach außen, wenn sich spezielle Eigenschaften herausbilden, wie Sie im Folgenden sehen werden.
Sensorische Leitungsbahnen zu spezifischen Hirnarealen
Sensorische und motorische Signale laufen auf verschiedenen Leitungsbahnen und werden hauptsächlich in speziellen Hirnarealen verarbeitet. Die meisten unserer Fähigkeiten beziehen allerdings mehrere Hirnareale mit ein. Der Präfrontalkortex ist äußerst wichtig für alle Fähigkeiten, die Intelligenz voraussetzen.
Eine Schädigung bestimmter Hirnareale kann manche Fähigkeiten wie beispielsweise das Sprachverständnis oder die Sprachproduktion deutlich mindern, während andere Fertigkeiten erhalten bleiben. Auch die räumliche Vorstellungskraft scheint durch Schädigungen bestimmter Hirnregionen beeinträchtigt zu werden. Diese Fakten deuten darauf hin, dass Intelligenz spezialisiert ist.
Abbildung 12.2 zeigt einige Fälle, bei denen spezielle Intelligenzmerkmale besonders von örtlich begrenzten Hirnschädigungen betroffen sind. Die räumliche Intelligenz wie der Orientierungssinn und die Mustererkennung hängt in hohem Maße vom rechten Parietallappen ab (oberes Bild in Abbildung 12.2). Die Sprache hängt dagegen vom Broca- und vom Wernicke-Areal auf der linken Gehirnhälfte ab (siehe Kapitel 13). Das sehen Sie auf dem unteren Bild in Abbildung 12.2.
Ein interessantes Syndrom, das relativ lokalisiert zu sein scheint, ist die erworbene Amusie. Die Betroffenen können keine Melodien mehr erkennen, selbst wenn die Sprache und das Gehör intakt sind. Amusie kann nach ein- oder beidseitiger Schädigung der Hörrinde im hinteren Temporallappen auftreten.
Lokalisation, Plastizität und Erholung nach einer Hirnschädigung
Menschen können sich von erheblichen Hirnschädigungen, wie sie beispielsweise bei einem Schlaganfall auftreten, wieder erholen. Das ist möglich, weil andere Hirnareale die Funktion der geschädigten Bereiche übernehmen:
- Lokale Besserung: Die geschädigte Hirnregion und das Gebiet, das diesen Bereich direkt umgibt, werden umstrukturiert, um einen Teil der verloren gegangenen Fähigkeit wiederherzustellen.
- Globale Besserung: Diese Art der Genesung ist komplizierter. Unterschiedliche Hirnareale und Leitungsbahnen sind daran beteiligt, die gleiche Aufgabe so wie immer zu lösen oder alternative Wege zu erlernen.
Mehr zur Plastizität des Gehirns können Sie in Kapitel 16 nachlesen.
Komponenten der Intelligenz
Unabhängig von der Diskussion, wie viele verschiedene Intelligenzarten es wohl gibt, hängt Intelligenz bei den meisten Aufgaben im Leben von verschiedenen Fähigkeiten ab. Dazu gehören Aufmerksamkeit, das Kurz- und Langzeitgedächtnis, Vorstellungskraft, Motivation und Erwartungen.
Entscheidungen stellen an die Intelligen...