1. Coaching-Prozess
Grundsätzliches
Mit Coaching-Prozess ist der gesamte Ablauf eines Coachings vom Erstkontakt bis zur Erfolgskontrolle und Transfersicherung gemeint. Der Prozess sieht dabei von Coach zu Coach anders aus; den einen allgemeingültigen Ablauf gibt es nicht.
Ein Coaching-Modell entwickeln
Jeder Coach ist aufgerufen, sich Gedanken darüber zu machen, welchen Ablauf er für passend und stimmig erachtet. Als menschenorientierte Prozessberatung ist Coaching zwar nur bedingt planbar, da die Auswirkungen von Interventionen und Einflüssen aus dem Umfeld des Coachees sich beispielsweise nicht vorhersagen lassen. Dennoch ist es vorteilhaft, als Coach ein eigenes Coaching-Modell zu entwickeln, das die eigenen Vorstellungen von einem idealen Ablauf reflektiert. Dies kann sehr zu Klarheit beitragen – für den Coach selbst und für seine (potenziellen) Klienten. Die Klienten können sich dadurch besser vorstellen, was sie im Coaching konkret erwartet; diese Transparenz fördert auch das Vertrauen.
Ein Coaching-Modell sollte einen Überblick bieten, was genau im Coaching-Prozess passiert. Das Modell eines anderen Coachs zu nutzen, kann für den Anfang eine gute Sache sein, da es aber den eigenen Stil in der Regel nicht hundertprozentig widerspiegelt, ist es sinnvoll, wenn Coachs im Laufe der Zeit ihr eigenes Modell kreieren, das ihren individuellen Coaching-Stil vollumfänglich zum Ausdruck bringt. Dabei ist zu bedenken, dass ein Coaching-Modell etwas Lebendiges ist, das sich ändern kann, wenn ein Coach mit wachsender Erfahrung neue Erkenntnisse gewinnt. Es ist daher sinnvoll, das Modell regelmäßig zu überprüfen und gegebenenfalls an die aktuelle tatsächliche Praxis anzupassen.
Grundsätzlich lassen sich Coaching-Prozesse grob in die folgenden Phasen untergliedern:
- Orientierungs- und Auftragsklärungsphase
- Diagnose- und Interventionsphase
- Abschluss- und Evaluationsphase
Oder noch kürzer: Orientieren – Bearbeiten – Abschließen.
In der Zusammenarbeit mit einem Unternehmen kann es sein, dass ein Coach seinen Coaching-Prozess mit dem des Unternehmens abstimmen muss. Unternehmen definieren nämlich unter Umständen ihrerseits den Ablauf, wenn sie Coaching als Personalentwicklungsmaßnahme in ihr Programm aufnehmen. Das Unternehmen sollte dabei überlegen, welche Ziele es mit dem Coaching erreichen möchte und welcher Bedarf vorliegt. Hat das Unternehmen einen Prozess für Coaching definiert, muss der Coach sich überlegen, ob er mit dem definierten Ablauf einverstanden ist und unter den beschriebenen Bedingungen arbeiten kann und will.
Das Engpass-konzentrierte Coaching-Modell (EKC)
Im Folgenden wird das Engpass-konzentrierte Coaching-Modell von Silvia Richter-Kaupp näher beschrieben. Es wurde für Menschen in Führungsfunktionen entwickelt. Diese haben für ein Coaching meist wenig Zeit, sodass es wichtig ist, rasch sicht- und greifbare Ergebnisse zu erzielen, ohne Druck auf die Klienten auszuüben. Das Modell geht davon aus, dass jede herausfordernde Situation in der Regel einen primären Engpass hat – aus dem sich weitere, damit zusammenhängende Probleme ergeben. Sobald der zentrale „Knoten“ gelöst ist, ist der Weg frei für Entwicklung und Wachstum. Das Engpass-konzentrierte Coaching-Modell findet sowohl im Einzel- als auch im Team-Coaching Einsatz.
Die einzelnen Phasen werden nicht einmalig, sondern in jeder Sitzung durchlaufen. So wird beispielsweise zu Beginn einer Coaching-Sitzung die Vorgeschichte insofern geklärt, als besprochen wird, was sich seit der letzten Sitzung alles ereignet hat, und es werden Spielregeln vereinbart, nämlich der zeitliche Rahmen für die Sitzung festgelegt. Der aktuelle Engpass wird thematisiert und der Klient gefragt, wie er die Zeit nutzen will und was ein gutes Ergebnis am Ende der Sitzung wäre. Das Wunsch-Ergebnis nimmt der Coach dann als Ausgangspunkt für seine Interventionen. Gegen Ende der Sitzung regt er den Klienten an, zu prüfen, wo er gerade steht und was er gegebenenfalls noch braucht, und schließt dann mit einem wertschätzenden Feedback ab.
Die einzelnen Phasen des EKC-Modells werden in den nachfolgenden Abschnitten detailliert erläutert.
Entschluss herbeiführen
Die Klärung des potenziellen Auftrags in einem telefonischen oder persönlichen Gespräch oder auch via E-Mail oder Online-Fragen-Katalog ist der erste Schritt des Coachs bei einer An-frage.
Ziel der Auftragsklärung ist es für den Coach, herauszufinden, ob er wirklich ein guter Partner für den Anfragenden und sein Anliegen ist, und diesem eine Gelegenheit zu geben, ihn in Aktion zu erleben, damit auch der Coachee eine Entscheidung für oder gegen eine Zusammenarbeit treffen kann.
Fragen zur Auftragsklärung
Hilfreiche Fragen für die Auftragsklärung sind zum Beispiel:
- Was ist Ihr Anliegen? Welches Thema möchten Sie im Coaching besprechen?
- Welche Herausforderung möchten Sie mithilfe des Coachings besser meistern?
- Warum möchten Sie diese Herausforderung gerade jetzt angehen?
- Welche Lösungsversuche haben Sie bereits unternommen und mit welchem Ergebnis?
- Was ist Ihr Ziel? Was möchten Sie mithilfe des Coachings erreichen?
- Welche Funktion soll ich dabei übernehmen?
- Was würde eigentlich passieren, wenn Sie Ihr Ziel nicht erreichen?
- Was müsste ich tun, damit das Coaching erfolglos bleibt?
- Welche Vorstellungen haben Sie von einem Coaching? Wie sollte es aus Ihrer Sicht idealerweise ablaufen?
Im Auftragsklärungsgespräch stellt der Coach dem potenziellen Klienten also wie in einer ganz „normalen“ Coaching-Sitzung Fragen zu seinem Anliegen, hört ihm empathisch zu und fasst gelegentlich zusammen, was er von ihm verstanden hat. Außerdem beantwortet er selbstverständlich auch die Fragen des potenziellen Klienten. Die Intention dieser Art von Auftragsklärung ist es, Klarheit darüber zu erlangen, ob man wirklich ein guter Partner für den Anfragenden und sein Thema ist, und diesem einen Eindruck vom eigenen Coaching-Stil zu vermitteln. Gelangen beide Parteien zu der Auffassung, dass sie miteinander arbeiten möchten, wird ein Vertrag geschlossen.
Besonderheiten beim Coaching für Unternehmen
Bei unternehmensbezahltem Coaching gibt es in der Regel zwei Auftragsklärungsgespräche: eines mit demjenigen, der das Coaching zu zahlen gewillt ist – auch Sponsor genannt –, und eines mit demjenigen, der ...