1. Vorwort
Zur ersten Auflage
Sie bieten ein imposantes Bild, wenn sie über unsere Straßen rollen: die Großraum- und Schwertransporte, die z. T. Gesamtgewichte von 300 bis 400 t und Gesamtlängen bis zu 50 oder 60 m erreichen. In Deutschland werden jährlich ca. 500.000 Großraum- und Schwertransporte durchgeführt.
Doch damit ein solcher Transport gefahrlos und mit möglichst geringen Behinderungen für den übrigen Verkehr und ohne Schäden an den Straßen abgewickelt werden kann, ist ein komplexes Verfahren vorgesehen, das Fahrzeug, Ladung und Fahrtweg einer aufwändigen Prüfung unterzieht. Erst wenn die gesetzlich vorgeschriebene Prüfung erfolgreich verlaufen ist und der Unternehmer sich im Besitz aller Genehmigungen und Erlaubnisse befindet, kann mit der Durchführung des Transportes begonnen werden.
Dieses Büchlein soll ein Leitfaden für alle Personen sein, die in der einen oder anderen Form mit der Planung, Abwicklung oder Durchführung eines Großraum- oder Schwertransportes befasst sind.
Den Erfordernissen der Praxis entsprechend wurde bei der Darstellung versucht, sich auf das Notwendige zu beschränken und die komplexen Zusammenhänge möglichst transparent zu machen. Viele Beispiele, Tabellen und Diagramme sollen einen schnellen und leichten Einstieg in die Materie ermöglichen. Doch bei aller Knappheit wurden auch verwaltungsrechtliche Grundlagen (z. B. die Unterscheidung zwischen Bedingung und Auflage und die jeweils unterschiedlichen Folgen eines etwaigen Verstoßes gegen diese Nebenbestimmungen) behandelt.
Es wäre der Wunsch der Verfasser, dass dieses Büchlein einen Beitrag zu einer rationelleren Abwicklung der notwendigen Verfahren und damit letztendlich auch zu mehr Verkehrssicherheit leistet.
Zur zweiten Auflage
Seit der ersten Auflage sind 7 Jahre vergangen. Die (unveröffentlichten) „Richtlinien für die Erteilung von Ausnahmegenehmigungen nach § 70 StVZO für bestimmte Arbeitsmaschinen und bestimmte andere Fahrzeugarten (Richtlinien zu § 70 StVZO)“ wurden ersetzt durch die „Empfehlungen für die Erteilung von Ausnahmegenehmigungen nach § 70 Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung für bestimmte Fahrzeugarten und Fahrzeugkombinationen (Empfehlungen zu § 70 StVZO)“, VkBl. 2015, 503. Weiterhin wurden die RGST neu gefasst (RGST 2013), das Bundesverfassungsgericht (Beschl. v. 1.4.2014 – 2 BvF 1/12, 2 BvF 3/12) hat sich zur Problematik „Bedingungen in einer Ausnahmegenehmigung nach § 70 StVZO“ geäußert; die Frage, wie eine „ausgebeulte Plane“ „genehmigungstechnisch“ zu behandeln ist, ist aufgetaucht, weiterhin die Frage, wie Mähdrescher-Transporte abzuwickeln sind; VEMAGS hat sich etabliert, das BF 4 steht vor der Einführung,…
Die vorliegende Auflage berücksichtigt all diese Änderungen und wurde im Vergleich zur ersten Auflage um zahlreiche Beispiele, Erläuterungen (rechtlich und technisch) und Abbildungen ergänzt. Ein gesonderter Teil stellt bezogen auf die jeweilige „Empfehlung zu § 70 StVZO“ dar, bis zu welchen Maßen und Gewichten ein Unternehmer bundesweite Dauerausnahmegenehmigungen und Erlaubnisse erhalten kann. Nur als Entwurf berücksichtigt werden konnten die zur Neufassung anstehenden VwV-StVO zu §§ 29 und 46.
Zur dritten Auflage
Im Jahr 2017 wurden die Verwaltungsvorschriften zu den §§ 29 und 46 StVO neu gefasst. Damit sollte vor allem gewährleistet werden, dass eine Begleitung von GST durch die Polizei nur noch in Ausnahmefällen notwendig wird. Stattdessen soll verstärkt der Einsatz von Verwaltungshelfern erfolgen. 2020 erfolgte eine Änderung der GebOSt, um eine bundesweite Angleichung der Gebührenhöhe bei der Erteilung der Erlaubnis nach § 29 Abs. 3 StVO zu erreichen. Seit der zweiten Auflage haben sich weitere Rechtsfragen ergeben: etwa die, ob selbstfahrende Arbeitsmaschinen Anhänger ziehen dürfen oder ob es zulässig ist, überstehende Ladung bei geöffneten Hecktüren zu transportieren. Diese dritte Auflage bringt das Werk auf den aktuellen Rechtsstand und beantwortet diese zusätzlichen Fragen aus der Praxis.
Die Autoren
2. Definition der „Großraum- und/oder Schwertransporte“ (GST) und Abgrenzung zu den „Schwersttransporten“
Eine Legaldefinition dessen, was als „Großraum- oder Schwertransport“ anzusehen ist, existiert nicht. Eine Auslegungshilfe gibt aber die Randnummer (RN) 13 der Verwaltungsvorschrift (VwV) zu § 29 StVO. Danach bedürfen Fahrzeuge und Fahrzeugkombinationen, deren Abmessungen, Achslasten oder Gesamtgewichte die nach den §§ 32 und 34 StVZO zulässigen Grenzen überschreiten, einer Ausnahmegenehmigung nach § 70 StVZO. (Genehmigungspflichtig können auch selbstfahrende Arbeitsmaschinen sein.)
2.1 Großraumtransport
Unter Großraumtransport wird ein Transport mit Fahrzeugen und Fahrzeugkombinationen verstanden, deren Gewicht innerhalb der Grenzen des § 34 StVZO liegt, deren Abmessungen jedoch nicht den Vorgaben des § 32 StVZO entsprechen.
Die Abmessungen eines Fahrzeugs oder einer Fahrzeugkombination sind im Übrigen auch dann überschritten, wenn die Vorschriften über die Kurvenläufigkeit (§ 32 d Abs. 2 StVZO) nicht eingehalten werden (RN 80 VwV zu § 29 StVO).
2.2 Schwertransport
Dies sind Fahrzeuge und Fahrzeugkombinationen, deren Gewichte und Achslasten über den Grenzwerten der StVZO liegen.
2.3 Großraum- und/oder Schwertransport
Sind sowohl die gesetzlichen Längen-, Breiten- und/oder Höhenmaße als auch das zulässige Gewicht überschritten, handelt es sich definitionsgemäß um einen „Großraum- und Schwertransport“.
2.4 Schwersttransport
Ein „Schwersttransport“ hingegen ist anzunehmen, wenn Fahrzeug und Ladung ein Gesamtgewicht von 100 t überschreiten oder die Achslast mehr als 14 t beträgt.1
3. Notwendigkeit und Funktion von Ausnahmegenehmigungen und Erlaubnissen
Eine moderne Volkswirtschaft ist darauf angewiesen, dass ihre Güter und Produkte so schnell und sicher wie möglich ihren Bestimmungsort erreichen. Dafür steht ein leistungsfähiges Straßennetz zur Verfügung. Die Straßen sind – je nach Funktion und Verkehrsbedeutung – in verschiedene Klassen eingeteilt. Es gibt die Autobahnen, Bundesstraßen, Landes- oder Staatsstraßen, Kreisstraßen und Gemeindestraßen. Doch all diese Straßen sind nur für den „normalen“ Verkehr gebaut.2 Sowohl Straßenquerschnitte als auch die durch den Unterbau bestimmte Tragfähigkeit werden durch technische Normen und Vorschriften festgelegt, die – allein schon aus fiskalischen Gründen – nur für bestimmte Regelstandards angelegt sind.
So geht man bei der Festlegung der Straßenquerschnitte von einem sogenannten „Bemessungsfahrzeug“ aus. Dieses „standardisierte“ Fahrzeug hat eine Breite von 2,50 m und eine Höhe von 4,00 m. Hinzu kommen ein seitlicher Bewegungsspielraum von 0,25 m bis 1,25 m und ein oberer Bewegungsspielraum von 0,25 m. Der sog. „Verkehrsraum“ für den Kfz-Verkehr setzt sich dann zusammen aus dem vom Bemessungsfahrzeug eingenommenen Raum, den seitlichen und oberen Bewegungsspielräumen sowie den Räumen über den Randstreifen bzw. befahrbaren Entwässerungsrinnen und den Standstreifen.3
In ähnlicher Weise wird bei der Bemessun...