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Tolle Designer sind tolle Kommunikatoren
Mussten Sie jemals Änderungen an Ihren Entwürfen vornehmen, mit denen Sie nicht einverstanden waren? Ich auf jeden Fall! Es ist nicht einfach, über Design zu sprechen, besonders mit Menschen, die selbst keine Designer sind. Die Fähigkeit, Designentscheidungen effektiv zu vermitteln, ist für den Erfolg eines Projekts von entscheidender Bedeutung, da sich in der Regel derjenige durchsetzt, der sich am besten verkaufen kann. Ich würde sogar so weit gehen und behaupten, dass der Unterschied zwischen einem guten Designer und einem hervorragenden Designer in der Fähigkeit liegt, nicht nur durch Gestaltung bestimmte Probleme oder Aufgaben zu lösen, sondern auch überzeugend deren Funktion und Wirkungsweise zu erklären, um schließlich die nötige Zustimmung und Unterstützung zu erhalten, um mit dem Projekt voranzukommen. Und genau darum geht es in diesem Buch: Unterstützung für Ihre Designentscheidungen zu erhalten.
Am Designprozess sind viele Personen beteiligt. Was einst als bloße visuelle Ästhetik für eher nachrangig gehalten wurde, steht heute im Zentrum der Aufmerksamkeit. Menschen aus dem gesamten Unternehmen wissen heutzutage, wie wichtig es ist, eine hervorragende Benutzererfahrung zu bieten – und alle wollen an ihrem Entstehungsprozess beteiligt sein. Marketing, Führungskräfte, Entwickler, Produktmanager und selbst Mitarbeiter aus der Buchhaltung möchten gern mitteilen, wie etwas ihrer Meinung nach funktionieren sollte. Die Menschen begeistern sich für UX, für die User Experience, weil sie um die langfristigen Auswirkungen auf das Produkt, das Unternehmen und das Geschäftsergebnis wissen. Und die gute Nachricht? Sie sind eine ziemlich gefragte Person!
Das große Meeting
An einem Sonntag im Januar musste ich einen verspäteten Flug nach San Francisco nehmen, um mich am nächsten Morgen mit einem Kunden zu treffen. Aber es war nicht »irgendein Treffen«. Etwa ein Dutzend Personen aus verschiedenen Bereichen des Unternehmens präsentierten dem CEO eines großen Onlinehändlers ihre Entwürfe. Vice Presidents, Geschäftsführer, Product Owner, UX-Designer: Alle waren Teil einer dreistündigen Veranstaltung, die den Grundstein für eine ganze Saison voller Projekte legen sollte, die sämtlich davon abhingen, ob der CEO sie letztlich absegnen würde.
Nachdem ich zur Vorbereitung mit mehreren Produktmanagern gearbeitet und an mehreren Meetings teilgenommen hatte, war mir klar, was Gegenstand meiner geplanten Präsentation sein sollte, sodass ich mit der Vorbereitung meiner Folien beginnen konnte. Am Freitag vor dem großen Meeting nahm ich an einer vierstündigen Telefonkonferenz teil, in der jeder im Team seine Präsentation vor einem der Vice Presidents übte, der Feedback dazu gab und Vorschläge machte, wie man seine Ideen am besten dem CEO präsentieren könnte.
Es drehte sich alles nur um eines: die Präsentation von Designideen vor einem CEO, um dessen Unterstützung und Zustimmung zu erhalten. Es gab weitere vorbereitende Besprechungen, Diskussionen darüber, wie der CEO wohl reagieren würde, lange Abende, um alles perfekt vorzubereiten, und Umstellungen von Terminplänen, damit auch zeitlich alles passte. Ich selbst bin alleine für dieses eine Meeting 16 Stunden gereist, verbrachte zwei Nächte im Hotel und einen ganzen Tag in einem Konferenzraum. Glücklicherweise verlief das Treffen gut. Der CEO war sehr aufgeschlossen, gab hervorragendes Feedback, und alle gingen anschließend daran, die von ihnen konzipierte Arbeit umzusetzen.
Aber das ist nicht der wichtige Teil dieser Geschichte.
Was mir an der ganzen Sache auffiel, war der Aufwand, der betrieben wurde, um einer einzelnen Person Designideen zu vermitteln. Der Zeitaufwand, den die anderen Designer für die eigentliche Erstellung der Mockups brauchten, war trivial im Vergleich zu der Zeit und Energie, die in die Suche nach der besten Art und Weise floss, diese zu präsentieren. Die Kommunikation über die Entwürfe war wichtiger als die Entwürfe selbst.
Auch wenn Sie nicht zu einem derart großen Team gehören oder nicht mit einem riesigen Unternehmen zusammenarbeiten, in dem ein Meeting mit dem CEO eine solch große Sache ist, bleibt das Prinzip doch gleich: Die Art und Weise, wie wir mit anderen Projektbeteiligten über Design sprechen, ist entscheidend für den Erfolg unserer Projekte.
Design ist subjektiv … irgendwie
Wenn ich für mein Team neue Designer suche und mit ihnen Bewerbungsgespräche führe, frage ich sie immer: »Was macht ein gutes Design aus?« Die Antworten sagen viel darüber aus, wie die Bewerber über Design und insbesondere über UX denken. Die meisten Antworten sind vorhersehbar und klingen oft so oder ähnlich: »Eine gute Nutzung von Freiraum«, »Einfachheit« oder – einer meiner Favoriten: »Wenn man nichts mehr entfernen kann.« Nun, an diesen Antworten ist nichts falsch. Sie zeigen typische Herangehensweisen an Design, aber sie beschreiben nicht wirklich, was ein Design in den Augen eines Unternehmens gut macht. Das ist nicht die Herangehensweise, die ich mir von Designern und Designerinnen in meinem Team wünsche, denn sie basiert auf subjektiven Aspekten – auf einer Ästhetik, der nicht unbedingt jeder zustimmen würde.
Ich weiß nicht genau, wie die Bewerber auf solche Definitionen kommen, die sich anhören, als stammten sie direkt aus den Memoiren einer Jonathan-Ive-Biografie. Ich glaube nicht, dass sie das auf einer Kunsthochschule gelernt haben. Mich beunruhigt, dass sie diese Schlagwörter wahrscheinlich im Umfeld von Social-Media-Design aufgeschnappt haben, wo »UX« ungefähr so viel bedeutet wie »etwas, das so cool aussieht wie ein iPhone«. Das ist eine Mentalität, bei der es vor allem um Beliebtheit geht und bei der die Schönheit von Dingen vorschnell mit Benutzerfreundlichkeit gleichgesetzt wird. Es ist dieselbe Kultur, die gut meinende Designer dazu veranlasst, ein »Redesign«-Mockup irgendeiner populären Website oder App zu entwerfen, ohne die geringste Ahnung davon zu haben, was ein Unternehmen wirklich braucht. Bei dieser Denkweise geht es weniger um die Lösung von Problemen als vielmehr um reine Likes.
In Wahrheit ist natürlich jedes Design subjektiv. Was die eine mag, hasst der andere. Was mir einleuchtend erscheint, mögen Sie ganz anders betrachten. Was in einem Kontext funktioniert, kann in einem anderen kläglich scheitern. Deshalb ist es so schwierig, über Design zu sprechen, besonders – ich wiederhole mich da gern – mit Menschen, die keine Designer sind. Es gibt nur wenig gemeinsames Verständnis davon, was Design ist oder sein sollte.
Zu viele Köche …
Es wäre ein Leichtes, Designs zu entwickeln, wenn es da nicht andere Personen im Projekt gäbe, die mit unseren Entscheidungen möglicherweise nicht einverstanden sein werden. Aber genau das wird passieren!
Es gibt eine Menge Leute, die wenig oder gar nichts über Design wissen, aber Kraft ihrer Autorität unsere Designpraxis beaufsichtigen und letztlich bestimmen können. Sie wollen sich berechtigterweise an der Diskussion beteiligen, sind aber keine ausgebildeten Designer und besitzen nicht das gleiche Fachwissen wie wir, was Gestaltung oder Technologie angeht.
Interessanterweise geben diese Personen oft gern zu, dass sie keine Experten sind. Sie wissen, dass sie nichts wissen, bestehen aber trotzdem darauf, dass ihre Ideen und Vorstellungen richtig sind. Das ist eines der bizarrsten Phänomene unserer Beziehung zu anderen Stakeholdern! Da geben Menschen bereitwillig zu, dass sie von unserem Job nicht viel verstehen, bestehen aber dennoch auf Änderungen, von denen wir annehmen, dass sie sich nachteilig auf die UX auswirken. Sie behaupten, dass sie uns als Experten vertrauen, und überstimmen uns dennoch häufig. Das kann ausgesprochen demütigend und verwirrend sein, aber vielleicht liegt das Problem nicht vollständig bei diesen Entscheidern.
Stakeholder sind naturgemäß Teil des Entscheidungsprozesses, aber wir als Designer tun uns schwer damit, sie auf eine förderliche Weise einzubeziehen, die unsere Ziele nicht gefährdet. Wie genau wir das schaffen können, das müssen wir jetzt herausfinden.
Jeder ist ein Designer!
Jeder erkennt gutes Design, wenn er es sieht, selbst wenn er nicht weiß, wie man es selbst entwickelt. Das klingt frustrierend (sogar absurd), aber es stimmt. Das Gleiche gilt für andere Künste, wie z.B. Musik. Auch wenn ich kein Instrument spielen kann, kann ich doch entscheiden, welche Musik ich mag (und welche nicht). Trotz unterschiedlichster Vorlieben wissen wir alle ziemlich genau, welche Musik wir gerne hören, auch wenn wir nicht wissen, wie wir solche Klänge selbst produzieren können.
Andy Zelman, Skeleton Claw Comics (mit freundlicher Genehmigung: http://skeletonclaw.com)
Die Schnittstelle ist Ihre Schnittstelle
Da Designarbeit so oft visuell geprägt ist, interessieren sich Menschen für den Teil, den sie sehen, fühlen oder mit dem sie interagieren. Sie interessieren sich für die Schnittstelle. Wenn Ihre Aufgabe darin besteht, eine Benutzeroberfläche zu entwerfen, werden sich also alle für alles interessieren, was Sie tun! Ihre gesamte Arbeit ist damit exponiert und löst natürlich mehr Meinungsäußerungen und Vorschläge aus, als das in vielen anderen Bereichen in einem Unternehmen der Fall wäre.
Unsere Designarbeit ist entscheidend für den Markterfolg der Produkte unserer Arbeitgeber oder Kunden, deshalb sind wir auch dafür verantwortlich, deutlich zu machen, in welcher Weise und warum unsere Arbeit so wertvoll ist. Das passiert nicht von selbst. Dazu braucht es Arbeit, dazu braucht es Übung, aber noch wichtiger: Dazu braucht es gute Kommunikation.
Da ist kein U oder X in »Team«
Man könnte vermuten, Kollaboration müsse der Höhepunkt eines großartigen Designprozesses sein: Unterschiedliche Meinungen finden zusammen, damit daraus die bestmögliche Lösung entsteht. Das ist es, was sich alle wünschen. Dabei hat man das Bild einer kleinen Gruppe respektvoller Intellektueller vor Augen, die leidenschaftlich und gemeinschaftlich über die richtigen Lösungen debattieren, bis die Diskussion zu einem idealen Design führt, auf das niemand allein hätte kommen können. Teamwork in Reinkultur! Alle gehen zufrieden nach Hause, fühlen sich erfüllt und respektiert – bereit für die nächste gestalterische Herausforderung. Oder? Wir mögen uns diese Form der Zusammenarbeit zwar wünschen, aber es wird deutlich komplizierter, wenn wir nicht alle einer Meinung sind. Wenn wir nicht miteinander übereinstimmen, neigen wir dazu, uns defensiv zu verhalten – uns zu verteidigen. Und wenn das passiert, können wir uns nicht mehr auf die wirklichen Probleme konzentrieren. Das Meeting endet dann nicht mit einem gemeinschaftlichen Ergebnis, sondern mit einem murrend akzeptierten Kompromiss und – oft genug – einer verkrüppelten User Experience.
In solchen Situationen verderben zu viele Köche den Brei. Jeder hat irgendeinen Vorschlag dazu, wie man ein bestimmtes Problem lösen könnte. Wir hören von verschiedenen Seiten unterschiedliche Meinungen und sind außerstande, unsere eigenen Entscheidungen gegen diese Flut von Rückmeldungen zu verteidigen. Aus einer Anregung wird eine Idee für etwas anderes. Diese Idee regt dazu an, über etwas Drittes nachzudenken. Wird dem jetzt nicht Einhalt geboten, kann die Konversation außer Kontrolle geraten und zu einem Durcheinander gut gemeinter Änderungen mutieren, die in ihrer Gesamtheit den Untergang für das komplette Projekt bedeuten. Das Ziel, das wir gemeinsam erreichen wollten, gerät durch Gruppendenken und Herdentrieb aus dem Blick. Denken Sie daran: Teamarbeit hört immer mit Arbeit auf.
Der CEO-Button
Aus diesem Grund gibt es Phänomene wie den CEO-Button.