Traumdeutung und empirische Traumforschung
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Traumdeutung und empirische Traumforschung

Christian Roesler

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Traumdeutung und empirische Traumforschung

Christian Roesler

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Träume und ihre Bedeutung haben Menschen schon immer beschäftigt und erscheinen oftmals seltsam bedeutungsvoll. Aber hat der Traum Bedeutung? Stellt er eine Verzerrung seiner tatsächlichen Inhalte dar oder eher eine umfassende Selbstdarstellung der Situation der Psyche? Ist der Traum als ein neurotisches Symptom zu verstehen, oder haben Träume nicht vielmehr ein kreatives und problemlösendes Potenzial? Was bedeuten diese unterschiedlichen Auffassungen für die klinische Arbeit mit Träumen? Auf Basis der empirischen Erkenntnisse beurteilt der Autor die Gültigkeit unterschiedlicher Traumtheorien und legt eine zeitgemäße, forschungsbasierte Theorie des Traumes und seiner Funktion vor. Ein Fokus liegt auf dem Vergleich zwischen Freud und Jung, die gegensätzliche Auffassungen über den Traum und seine Bedeutung für die Persönlichkeit vertreten.

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Información

Año
2022
ISBN
9783170384347
Edición
1
Categoría
Psicologia

1          Einleitung

 
 
Das Phänomen Traum ist praktisch allen Menschen bekannt, auch wenn die einen ihre Träume besser erinnern können, die anderen weniger oder kaum. Die Träume und ihre Bedeutung haben Menschen schon immer beschäftigt und auch heutigen Menschen erscheinen sie oftmals seltsam bedeutungsvoll. In früheren Zeiten wurden sie gar als Sprache Gottes bzw. der Götter verstanden.
Erst im Moment des Erwachens realisieren wir mitunter, dass wir uns gerade noch in einer »anderen Welt« befunden haben, diese sich relativ rasch zurückzieht und kaum noch erinnerbar ist. Manchmal sind die Ähnlichkeiten der beiden Welten stärker, manchmal schwächer. Diese Unfassbarkeit und die Rätselhaftigkeit dieses Prozesses wurden eindrücklich in der linguistischen Bedeutung des Wortes Traum festgehalten: Das germanische draugma, aus der indogermanischen Wortgruppe dreugh- (trügen), bedeutet Trugbild (Strauch & Meier, 2004). Träumen kann uns das Gefühl vermitteln, dass da jenseits unserer Vernunft noch andere Dinge, eine andere Welt bestehen, die uns »unsere Schulweisheit nicht träumen lässt«.
Verschiedene Wissenschaftsbereiche haben sich mit dem Phänomen Traum beschäftigt: Psychoanalyse, Psychotherapie, Psychologie, Erfahrungswissenschaft des Bewusstseins, Neurowissenschaften, Sozial- und Geisteswissenschaften, Kunst- und Kulturwissenschaften. Die Auffassungen sind dabei durchaus kontrovers und es gibt bisher keine allgemein akzeptierte Definition des Träumens (Windt, 2015). Hier seien stellvertretend drei bewusst sehr unterschiedliche Erklärungsversuche erwähnt, ohne zunächst näher auf die einzelnen Theorieansätze einzugehen.
Für den Begründer der modernen Psychoanalyse Freud ist der Traum ein störender Rest psychischer Aktivität aus dem Wachleben und »eine besondere Form unseres Denkens, die durch die Bedingungen des Schlafzustandes ermöglicht wird. Die Traumarbeit ist es, die diese Form herstellt, und sie allein ist das Wesentliche am Traum, die Erklärung seiner Besonderheit« (Freud, 1900, S. 510f.; Hervorh. im Original). Für den britischen Psychoanalytiker Bion (1962; vgl. auch Berner 2018a) ist Träumen ein Prozess, der im Schlaf und auch im Wachzustand stattfindet (Bewusstsein und Unbewusstes funktionieren simultan), identisch ist mit unbewusstem (Wach-)Denken und die Voraussetzung für das Funktionieren der Psyche darstellt. Als Grundlage aller psychischen Arbeit gewährleistet der Traum die Umwandlung der Sinnes- und Gefühlswahrnehmungen zu Erfahrung, ermöglicht bewusste Erinnerungs-, Denk- und Lernprozesse und somit die Persönlichkeitsentwicklung (Angeloch, 2020). Für den Neuropsychologen und Psychoanalytiker Solms (2011, S. 540) ist Träumen »(1) a state of consciousness, characterized by (2) reduced constraints and controls on (3) memory and perceptual imagery with (4) motivational incentive and emotional salience. The occurrence of this hallucinatory mental state during normal sleep probably requires no further explanation than that motivated behaviour is precluded during sleep«.
Die Definition eines zeitgenössischen Traumforschers klingt demgegenüber fast simpel: Träumen sei schlichtweg die psychische Aktivität während des Schlafes (Schredl, 2018).
Andererseits ist mittlerweile durch die empirische Traumforschung ein umfangreicher Fundus an Erkenntnissen über die Funktionsweise des Träumens sowie die Zusammenhänge zum Wachleben entstanden. Diese Erkenntnisse wurden unter anderem auch in der Entwicklung von Theorien zum Bewusstsein sowie der Philosophie des Geistes aufgenommen und hat zu sehr aufregenden Konzepten hinsichtlich des Funktionierens des menschlichen Geistes überhaupt geführt (Windt, 2015).
Ausgehend von Freuds epochalem Werk »Die Traumdeutung« (1900) hat die Deutung von bzw. Arbeit mit Träumen in der Psychoanalyse bis heute einen zentralen Stellenwert. Im Grunde wurde mit der Entwicklung der modernen Psychotherapie fast zeitgleich auch die therapeutische Arbeit mit Träumen etabliert. Allerdings haben sich die Auffassungen vom Traum und seiner Bedeutung sowie der Verwendung von Träumen in der Therapie im Laufe der Zeit als auch in verschiedenen psychoanalytischen Schulen gewandelt. Hinzu kommt, dass auch andere therapeutische Schulen, bis hin zur Verhaltenstherapie, mittlerweile Konzepte zur Arbeit mit Träumen in der Psychotherapie entwickelt haben. Zudem ist seit der Entdeckung des REM-Schlafes in der empirischen Traumforschung ein umfangreiches Korpus an Erkenntnissen entstanden, ebenso wie in der psychoanalytischen und nicht-psychoanalytischen klinischen Traumforschung. Diese Erkenntnisse können zu einer besseren Beurteilung verschiedener Auffassungen vom Traum, nicht nur in der Psychoanalyse, beitragen. Nach meinem Eindruck werden diese oftmals sehr interessanten Forschungsergebnisse, insbesondere aus der empirischen Traumforschung, nach wie vor in breiten Kreisen der Psychoanalyse sowie in der Psychotherapie und Psychologie im Allgemeinen ignoriert. Das ist meines Erachtens bedauerlich, weil sie interessante Aspekte zu einem Verständnis des Traumes und seiner Verwendung in der Psychotherapie liefern können und darüber hinaus Aussagen zur Gültigkeit verschiedener psychoanalytischer Traumtheorien ermöglichen. Das vorliegende Buch möchte die zentralen Fragestellungen, die seit Freud in Bezug auf den Traum diskutiert werden, mit den empirischen Forschungsergebnissen zusammenbringen, um damit zu einer Weiterentwicklung insbesondere psychoanalytischer Traumtheorien beizutragen.
Es werden zunächst verschiedene Auffassungen vom Traum und seiner Bedeutung sowie der klinischen Verwendung referiert. Die Darstellung bezieht sich dabei insbesondere auf Fragestellungen, die die Debatte innerhalb der Psychoanalyse seit Freuds Zeiten bestimmen sowie Fragestellungen aus der empirischen Traumforschung:
Was genau ist die Funktion von Träumen: Hütet der Traum den Schlaf oder produziert er vielmehr Lösungen für psychische Probleme des Wachlebens? Gibt es einen Unterschied zwischen latentem und manifestem Trauminhalt, d. h. entstellt der Traum die eigentlichen unbewussten Inhalte, oder deckt er sie vielmehr gerade auf? Ist der Traum insofern eine Verschlüsselung unbewusster Inhalte oder gerade eine umfassende Selbstabbildung des Unbewussten? Soll der Traum als eine Wunscherfüllung betrachtet werden oder kompensiert er eher die Einstellung des Bewusstseins? Braucht es die Assoziationen des Träumers oder stellt der Traum nicht schon als solcher psychologische Informationen über den Träumer bereit? Ja, hat der Traum überhaupt Bedeutung, wie die Psychoanalyse annimmt, oder ist er so etwas wie ein bedeutungsloser Leerlauf des Gehirns?
Es werden zunächst verschiedene theoretische Positionen zum Traum und zur Traumdeutung in der psychoanalytischen Literatur gesichtet, mit einem besonderen Fokus auf dem Vergleich zwischen Freuds und Jungs Auffassung vom Traum, weil diese beiden in Bezug auf die oben aufgeführten Fragestellungen besonders kontrastieren. Der Fokus dieser Darstellung liegt nicht darauf, eine erschöpfende Darstellung psychoanalytischer Traumtheorien sowie deren Entwicklung zu liefern (ausführliche Darstellungen hierzu bei Deserno, 1999; Moser, 2003; Bohleber, 2012; Vinocur Fischbein, 2011; Jiménez, 2012). Der Fokus liegt vielmehr auf den oben formulierten Fragestellungen, die die Debatte zu Traumtheorien innerhalb der Psychoanalyse seit über einem Jahrhundert durchziehen und zu denen die empirische und klinische Traumforschung Erkenntnisse beitragen kann, die im Folgenden berichtet werden. Auf dieser Basis wird versucht, Schlussfolgerungen bezüglich der Gültigkeit verschiedener Auffassungen vom Traum zu ziehen.
Es wird die These vertreten, dass sich die Traumdeutung in der Psychoanalyse, sowohl in theoretischen Konzepten als auch in der Praxis, von Freuds Konzeption weg entwickelt und dabei der von Jung vertretenen Auffassung angenähert hat. Dazu werden zum einen verschiedene theoretische Positionen zum Traum und zur Traumdeutung in der psychoanalytischen Literatur gesichtet. Ergänzt wird dies zum anderen durch Erkenntnisse aus der empirischen (nicht psychoanalytischen) Traumforschung, welche Jungs Auffassung deutlich unterstützt, wogegen zentrale Annahmen in Freuds Traumtheorie widerlegt oder zumindest kritisch betrachtet werden.
Vor einer Darstellung der Traumtheorien und Forschungsergebnisse ist es allerdings notwendig, die grundsätzlichen Unterschiede im Erkenntnisinteresse sowie in den Methoden der Erkenntnisgewinnung in der Psychoanalyse sowie in der Psychotherapie im Allgemeinen einerseits und der empirischen Forschung andererseits zu diskutieren.
Die Psychoanalyse entwickelt ihre Theorien über den Traum und seine Bedeutung mit dem Ziel, im Rahmen der Psychotherapie Träume des Klienten für die Bewusstmachung des Unbewussten zu nutzen; in diesem Sinne ist der Traum der Königsweg zum Unbewussten. Die Bedeutung des Traumes wird in einem dialogischen und hermeneutischen Prozess in der Beziehung zwischen Analytiker und Klient (re-)konstruiert. Das Ergebnis ist also immer (inter-)subjektive Bedeutung mit dem Ziel, therapeutische Veränderungen zu fördern, und nicht die Auffindung einer allgemeingültigen oder objektiven Bedeutung des Traumes, wenn dies denn überhaupt möglich sein sollte. Klinische Traumforschung, zumindest insofern sie innerhalb der Psychoanalyse stattfindet, zielt darauf ab, diese Prozesse der intersubjektiven Bedeutungsherstellung und ihre Effekte auf die Therapie empirisch nachzuzeichnen.
Die empirische Traumforschung dagegen, mit ihrem Anspruch als nomothetische Wissenschaft, zielt auf allgemeingültige und objektive Erkenntnisse über Gesetzmäßigkeiten des Traumes und seine Funktion für den menschlichen Organismus. Daher ist sie an einer subjektiven Bedeutung des Traumes für den Träumer gerade nicht interessiert. Hinzu kommt, dass die Psychoanalyse in ihrem grundlegenden theoretischen Modell bei der Entstehung des Traumes von den Wirkmechanismen eines dynamischen Unbewussten ausgeht, was impliziert, dass der Traum auch Bedeutungen enthält, die der Träumer eben nicht wissen kann und auch nicht wissen will. Die Arbeit mit dem Traum zielt gerade darauf ab, unbewusste Inhalte in diesem Sinne zugänglich zu machen. Von daher ist auch die Überprüfung der Korrektheit der Deutung – wenn man von einer solchen überhaupt sprechen kann – erkenntnistheoretisch zumindest komplex, wenn nicht problematisch. Da der eigentliche Kern der Bedeutung des Traumes dem Träumer ja unbewusst ist, kann er diesen nicht bestätigen. Eine Bestätigung aus Sicht der Psychoanalyse findet eher dadurch statt, dass emotionale Betroffenheit entsteht, dass in der Therapiesitzung oder in weiteren Träumen neues Material auftaucht und insbesondere dadurch, dass therapeutische Veränderung entsteht. Diese Dialektik der Bedeutungsfindung ist der nomothetisch orientierten Traumforschung nicht nur fremd, sondern wird von dieser explizit abgelehnt. Interessanterweise ist die empirische Traumforschung anfänglich mit dem Anspruch angetreten, nachzuweisen, dass die psychoanalytischen Auffassungen vom Traum, der Traum habe überhaupt Bedeutung, zu widerlegen ist. Insofern ist es umso verblüffender, dass die Ergebnisse eben dieser Forschung mittlerweile viele der ursprünglichen psychoanalytischen Annahmen zum Traum bestätigt haben oder diese zumindest unterstützen. Daher betrachte ich diese Ergebnisse als besonders interessant für die Psychoanalyse, und diese darzustellen ist das Ziel dieses Buches. In einem gewissen Sinne könnte man sogar sagen, die Psychoanalyse hat mit ihren Annahmen gegenüber den anfänglichen Zielen der empirischen Traumforschung einerseits letztlich einen Sieg davongetragen. Andererseits macht aber auch die Psychoanalyse durchaus Aussagen mit Allgemeingültigkeitsanspruch, z. B. was die Funktion des Träumens für den Organismus sei, und diese lassen sich durchaus anhand empirischer Forschungsergebnisse überprüfen. Meines Erachtens hat die Psychoanalyse im Allgemeinen bislang die Auseinandersetzung mit der empirischen Traumforschung gescheut, was schade ist, weil hier tatsächlich sehr interessante Ergebnisse produziert wurden, die auch eine Prüfung verschiedener psychoanalytischer Traumtheorien zulassen. Ich halte es für sehr wichtig, dass die Psychoanalyse ihre theoretischen Konzepte nicht mit einem Wall von Immunisierungsstrategien umgibt, da diese Konzepte, auch wenn sie letztlich der intersubjektiven Bedeutungsfindung im Rahmen der Psychotherapie dienen sollen, durchaus Geltungsansprüche von nomothetischem Charakter haben – und das impliziert, dass man sich auch einer Überprüfung stellen muss. Das vorliegende Buch möchte hierzu einen Beitrag leisten.

2 Traumtheorien

2.1 Traum und Traumdeutung in der Menschheitsgeschichte

Träume und ihre Bedeutung haben die Menschheit schon immer beschäftigt (Barrett & McNamara 2007b). Zu den ältesten erhaltenen Schriften der Menschheit zählen Anleitungen zur Traumdeutung oder regelrechte Traumdeutungsbücher, z. B. der Beatty Papyrus (Ägypten um 1800 v. Chr.) oder das Traumdeutungsbuch des Artemidoros v. Daldis, ca. 500 v. Chr. Im Gilgamesch Epos (ca. 1200 v. Chr.), einer der ältesten aufgezeichneten Geschichte der Menschheit, steht ein Traum und seine Bedeutung ebenfalls an zentraler Stelle und bestimmt das weitere Schicksal des Helden. Bulkeley (2007, 2008) argumentiert sogar, dass Religionen ohne Träume und ihre Deutung an zentraler Stelle gar nicht denkbar seien. Religion nehme ihren Ausgang vom Phänomen des Traumes, der als eine Mitteilung göttlicher oder jenseitiger Mächte verstanden wird, und ihrer Deutung.
In den ältesten Ansätzen war die ursprüngliche Auffassung zur Bedeutung von Träumen, dass sie Mitteilungen der Götter an Fürsten darstellen und Hinweise auf die Zukunft geben. Im antiken Griechenland und auch im hebräischen Talmud kommt erstmals die Idee auf, dass Träume unterdrückte Regungen enthalten und im Zusammenhang mit den aktuellen Lebensumständen des Träumers stehen (Kramer & Glucksman, 2015). Dies wird auch im Koran betont (Bulkeley 2008): Es gäbe keine universell passenden Trauminterpretationen, man müsse den Inhalt des Traumes in Verhältnis zur Persönlichkeit und den Lebensumständen des Träumers setzen. Schon die Sumerer sowie der antike Arzt Hippokrates nahmen an, dass Träume wichtige Informationen beinhalten, die für die Diagnostik medizinischer Probleme genutzt werden können. Im antiken Griechenland gab es die Tradition der Trauminkubation. Dabei verbrachte man bei gesundheitlichen Problemen, wenn man medizinischen Rat und Behandlung suchte, eine Nacht im Tempel des Gottes der Heilkunst, Asklepios., Dort schlief und träumte man und am nächsten Morgen erzählte man den Priestern des Tempels diesen Traum, aus dem diese dann Hinweise auf die Diagnostik der Erkrankung sowie deren Behandlung zogen (Bulkeley, 2008). Faszinierenderweise lebt diese Tradition der Trauminkubation an manchen Orten bis heute fort, so zum Beispiel auf der griechischen Insel Naxos sowie in anderen Zentren der orthodoxen Christenheit, wie in Theben oder Bulgarien, wo Patienten in Kirchen schlafen und dabei auf ihre Träume achten. Auch im Koran wird eine Praxis beschrieben, genannt Istikhara, die aus Gebeten und bestimmten Praktiken besteht, die man vor dem Schlaf absolviert, um einsichtsfördernde Träume zu fördern oder hervorzurufen (Bulkeley, 2008). Auch diese Praxis findet ihre Fortsetzung in modernen islamischen Ländern. Beispielsweise bieten im Iran populäre Zeitschriften Kolumnen an, in denen die Leser seltsame Träume einsenden können, die dann von muslimischen Psychiatern mit kurzen Interpretationen und praktischen Hinweisen versehen werden.
Im Europa der Neuzeit dagegen wurde erstmals infrage gestellt, ob Träume überhaupt eine Bedeutung enthalten, und angenommen, dass sie eher eine Art Leerlauf des Gehirns darstellen. Diese Auffassung verbreitete sich im 19. Jahrhundert und die entsprechende wissenschaftliche Debatte erhielt eigentlich erst durch Freuds Veröffentlichung »Die Traumdeutung« im Jahr 1900 eine neue Wende.
In zeitgenössischen Theorien des Traums ist es weitgehend akzeptiert, dass Träume Bedeutungen tragen und diese eng verknüpft sind mit dem Wachleben des Träumers und dass Traumdeutung eine hilfreiche und effektive Methode bei psychotherapeutischen Interventionen darstellt (Hill, 1996). DeCicco, Donati und Pini (2012) geben einen aktuellen Überblick über Studien, die die Wirksamkeit von therapeutischer Arbeit mit Träumen im Rahmen der Psychotherapie untersuchen. Außerdem zeigen sie unterschiedliche therapeutische Methoden der Traumdeutung auf, darunter ihre eigene Storytelling Method of Dream Interpretation als ein Beispiel für eine in jüngerer Zeit entwickelte Methode.
Die Psychoanalyse beginnt gewissermaßen mit der Traumdeutung (Freud, 1900) und immer noch wird die therapeutische Arbeit mit Träumen in den psychoanalytischen Schulen als der Königsweg zum Unbewussten betrachtet (Fosshage, 1987; Fonagy, Kächele, Leuzinger-Bohleber & Taylor, 2012).

2.2 Kulturelle Auffassungen zum Verständnis und zur Deutung von Träumen

Hamburger (2013) berichtet über eine vergleichende Studie der Ethnopsychologie, in der weltweit 221 Ethnien auf fünf Kontinenten hinsichtlich ihrer Auffassung zum Traum und zum Umgang mit den Träumen untersucht wurden. Weltweit geht die Mehrzahl indigener Kulturen davon aus, dass das Traumleben eine Wirklichkeit abbildet, die mit anderen Menschen geteilt wird und auch eine Verbindung zu den Vorfahren darstellt.
Lohmann (2007) bietet auf der Basis ethnografischer Forschung eine Liste von Typen kultureller Traumtheorien:
1. Nonsenstheorie: Interessanterweise gibt es auch bei traditionellen Völkern die Vorstellung, dass Träume nichts bedeuten, sondern sozusagen sinnloser Leerlauf des Gehirns sind.
2. Träume als die wahre Wirklichkeit: Manche Völker, wie der südamerikanische Indianerstamm der Jivaro, gehen davon aus, dass Träume eine stärkere Wirklichkeit darstellen als die Welt des Wachbewusstseins; letzteres wird eher als eine Illusion betrachtet.
3. Nachrichtentheorie: Diese...

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