Heilseffizienz aus Gemeinschaftssinn
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Heilseffizienz aus Gemeinschaftssinn

Die Rosenkranzbruderschaft als innovative Form der Jenseitsvorsorge um 1500

Christian Ranacher

  1. 326 páginas
  2. German
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Heilseffizienz aus Gemeinschaftssinn

Die Rosenkranzbruderschaft als innovative Form der Jenseitsvorsorge um 1500

Christian Ranacher

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Die Rosenkranzbruderschaft stellt eine echte Innovation in der Jenseitsvorsorge um 1500 dar. Anders als die lokal agierenden Bruderschaften war sie nicht mehr an einen einzelnen Ort gebunden. Vielmehr sollten die verschiedenen Niederlassungen als Teile eines Ganzen, als ein transregionaler Verbund verstanden werden. Aufgrund dieser innovativen Organisation konnte die Rosenkranzbruderschaft ihren Mitgliedern eine heilseffiziente Jenseitsvorsorge in Aussicht stellen: Während die Gebetsverpflichtung für die einzelnen Brüder und Schwestern signifikant reduziert werden konnte, schien das gemeinsam akkumulierte Heilsreservoir der Bruderschaft gleichzeitig ins schier Unermessliche zu wachsen. Im Konzept der Rosenkranzbruderschaft ging es mithin nicht darum, dass die einzelnen Mitglieder möglichst viel beteten, sondern, dass möglichst viele Brüder und Schwestern beteten. Diese heilseffiziente Jenseitsvorsorge wird hier erstmals auf einer breiten Quellengrundlage und im Vergleich zu den traditionellen, lokal agierenden Bruderschaften untersucht.

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Información

Editorial
De Gruyter
Año
2022
ISBN
9783110749199

1 Einleitung

1.1 Hinführung und Erkenntnisinteressen

Ein Appell war es, den der Rostocker Dominikaner Joachim Ratstein († 1526) wohl im Jahr 1517 in der Offizin des hiesigen Druckers Ludwig Dietz († 1559) auf ein Flugblatt in der Größe eines halben Papierbogens aufbringen ließ.1 Adressiert war sein Aufruf an alle christgläubigen Menschen. Der Kern der Botschaft lautete: Tretet um des großen Nutzens willen sowie in Anbetracht des großen, zur Verfügung stehenden Ablasses in die Bruderschaft des Rosenkranzes der allerheiligsten Jungfrau Maria ein.2 Einige Zeilen weiter konkretisierte Ratstein noch einmal, welche Gründe genau für eine Mitgliedschaft in der Rosenkranzbruderschaft sprächen. Sein vierter und letzter Punkt ist zweifelsohne am aussagekräftigsten:
To deme veerden male kamet und gaet yn desse broederschop, alle gy boetsamige mynschen, de gy begeren uthloesschynge der pyne yuwer sunde, de gy beruwet und bychtet hebben, maket yw deelafftich der groten gnade und aflaetes, dath hir to gegeven ys van so velen bysschoppen, dat se untellelick synt.3
In der Rosenkranzbruderschaft seien demzufolge aufgrund der großen Gnade und des unzählbaren Ablasses all diejenigen bußfertigen Menschen richtig aufgehoben, die nach der Auslöschung der Pein ihrer Sünden strebten. Wenngleich die Datierung des Appells in oder um das Jahr 1517 bereits Martin Luther († 1546) und dessen Ablasskritik, später auch seine Verurteilung der Bruderschaften, ins Gedächtnis rufen mag, ist es in erster Linie eine der dringlichsten Herausforderungen für die Gläubigen dieser Zeit, die hinter den Aussagen des Dominikaners steht: Die Überwindung des purgatorium – jene uthloesschynge der pyne yuwer sunde.4
Mannigfach waren allein die bildlichen Darstellungen, die den Zeitgenossen unter anderem im Kirchenraum auf Retabeln oder Epitaphen sinnfällig vor Augen zu führen wussten, dass ihren Seelen nach dem Tod – insofern sie nicht unmittelbar in die ewige Verdammnis einfuhren – eine (un)gewisse Verweildauer im Fegefeuer bevorstand.5 In dieser transzendenten Läuterungsinstanz mussten die sogenannten armen Seelen für ihre zu Lebzeiten noch nicht verbüßten Sündenstrafen leiden, bevor sie ‚gereinigt‘ in das Himmelreich einziehen konnten. Folglich war ihr Aufenthalt im purgatorium zwar zeitlich limitiert, jedoch konnte kein Einziger auch nur annähernd abschätzen, für wie viele Sünden er noch Buße zu leisten hatte.6 Die generelle Omnipräsenz und Expansion der Ablässe in der Lebenswelt um 1500 vermittelt allerdings schon einen ersten Eindruck davon, mit welch ausgedehnten Fegefeuerzeiten am Ausgang des Mittelalters kalkuliert wurde.7 Nicht grundlos ist daher auf dem Flugblatt von der Unzählbarkeit der Indulgenzen beziehungsweise der sie ausstellenden Bischöfe geschrieben worden.
Weitaus sicherer hingegen schien das Wissen um das zu sein, was die ‚armen Seelen‘ im purgatorium erwarten würde: Unermessliche Qualen, die denen der Hölle durchaus vergleichbar waren.8 Ein Akzent, der die Angst um die Todesstunde und das Begehren der Menschen nach Möglichkeiten, für ihr Seelenheil vorzusorgen, immer weiter zu steigern vermochte. Der oben zitierte Aufruf spiegelt diese Sehnsucht, dieses begeren in aller Deutlichkeit wider.
Vor diesem Hintergrund präsentierte Joachim Ratstein seinen Mitmenschen die Rosenkranzbruderschaft als klare Lösungsoption im Streben nach der Überwindung des Fegefeuers. Am Ende des Textes resümiert er: Gaet denne alle to my, spreckt de broderschop Marien unde entfanget desse vorschrevenen fruchte unde nutticheyten yn dessem levende unde na dessem levende dat ewyge levent.9 Das Auffallende an diesem Satz ist, dass von einer Läuterung im purgatorium gar keine Rede mehr ist. Infolge der von ihm angeführten „Früchte und Nützlichkeiten“ der Rosenkranzbruderschaft könne nach dem irdischen unmittelbar das ewige Leben folgen.
In Ratsteins Worten deutet sich bereits an, dass die Rosenkranzbruderschaft keineswegs als e i n e Variante in der Jenseitsvorsorge unter vielen anzusehen sei. In dem von dem Leipziger Dominikaner Marcus von Weida († 1516) einige Jahre früher, nämlich Ende 1514 verfassten und im März 1515 von Melchior Lotter dem Älteren († 1549) in Leipzig gedruckten Der Spiegel hochloblicher Bruderschafft des Rosenkrantz Marie / der allerreinsten Jungfrawen wird dieses Selbstverständnis explizit benannt:
Wer in diser loblichen bruderschafft ist, die treulich helt biß an sein ende, dem kompt do von unseglicher nutz und frommen am leben, am letzten ende unnd noch dem tode. Derhalben ich auch wol mit warheit sagen mag, dz dise bruderschafft einem menschen, der in der gnade gots und die treulich heldt biß an sein ende, die aller nutzlichste bruderschafft ist noch etzlichen umbstenden, als er uff erden haben mag. Am leben ist dise bruderschafft die nutzlichste tzu des leibes und tzu der selen selickeit.10
Die Rosenkranzbruderschaft sei mithin d i e Wahl in der Jenseitsvorsorge. Diese Aussage steht am Beginn des zehnten Kapitels des Bruderschaftsspiegels, in dem es um den Nutzen der Rosenkranzbruderschaft geht. Der Leser oder die Leserin blickt dabei gleichzeitig auf einen neben den Text platzierten großformatigen Holzschnitt, der veranschaulichen soll, worin der Nutzen dieser Korporation lag (siehe Abb. 1): Abgebildet sind im linken unteren Bereich die lebenden Mitglieder der Rosenkranzbruderschaft. In vorderster Reihe – von links nach rechts – ein Dominikaner (zu identifizieren an der Tonsur, dem weißen Habit und der schwarzen Cappa), ein Kaiser (unverwechselbar an der Krone), ein Kardinal (charakteristisch ist besonders der rote Galero) und ein Papst (signifikant ist hier vor allem die Tiara). Alle knien, Kaiser und Papst halten sichtbar jeweils einen Rosenkranz in ihren zum Gebet gefalteten Händen. Dass sich diese vier Personen konkret benennen lassen, es sich zum Beispiel bei dem Kaiser um Friedrich III. († 1493) handelt, der als eines der ‚prominentesten‘ Mitglieder der Vereinigung immer wieder in Drucken oder auf Retabeln abgebildet worden ist, wird im Verlauf der Studie noch einmal Thema sein. Im unteren rechten Bereich sind die ‚armen Seelen‘ der verstorbenen Bruderschaftsmitglieder in den Banden des Fegefeuers zu sehen. Ein vom Himmel herabfliegender Engel ergreift in dem Moment, den das Bild eingefangen hat, die ausgestreckten Hände einer Seele, ein mittig positionierter Engel trägt eine erlöste, ‚gereinigte‘ Seele – in zeittypischer Ikonographie als Säugling dargestellt – zu Gottvater ins Himmelreich.
Der Holzschnitt kommuniziert somit zuallererst das Funktionieren und die Wirksamkeit der bruderschaftlichen praxis pietatis. Darüber hinaus weist er zugleich auf die enge Verbindung zwischen der Rosenkranzbruderschaft und der Mutter Gottes hin, denn der links oberhalb der Betenden abgebildete Engel bringt den Mitgliedern der Korporation einen Rosenkranz. Die Gottesmutter Maria ist exakt auf dieser horizontalen Bildachse über den Bruderschaftsmitgliedern und dem Engel platziert, ihr Blick scheint nach unten auf die Gemeinschaft gerichtet. Insofern sind alle drei Sphären, die himmlische, die irdische und die des Fegefeuers durch die Engel miteinander verwoben.
Allerdings fallen das Flugblatt und der Bruderschaftsspiegel in eine Zeitspanne, die als Blütezeit der Bruderschaften charakterisiert werden kann. Genau genommen stehen sie sogar an deren Ende. In Köln bildeten sich beispielsweise die meisten der insgesamt 130 nachweisbaren Laienbruderschaften im 15. (immerhin 64) sowie in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts (noch 32).11 Ähnliche Befunde zeigen sich ebenso in anderen Städten oder Regionen des Reiches. Exemplarisch seien die Bruderschaftsgründungen im linkselbischen Dresden, in Braunschweig, Hamburg oder jene im ländlichen Raum des Bistums Merseburg genannt.12 Das Bemühen, für das Seelenheil der Mitglieder zu sorgen, ist in dem Zusammenhang bei Weitem kein Alleinstellungsmerkmal der Rosenkranzbruderschaft. Die Schrift- und Bildzeugnisse der anderen spätmittelalterlichen Bruderschaften bieten vergleichbare Inhalte: Der dritte Ertrag ist die Förderung des Seelenheils, heißt es etwa in den 1503 niedergeschriebenen Statuten der Dresdner Bruderschaft der Heiligen Dreifaltigkeit.13 Ein zweites Beispiel ist der Holzschnitt, der die Bruderschaft der heiligen Ursula metaphorisch als Schiff zeigt, das unter dem Mastbaum des gekreuzigten Christus in Richtung Erlösung segelt (siehe Abb. 2). In der oberen rechten Bildecke ist – ähnlich zu der Abbildung bei Marcus von Weida – die Befreiung einer Seele aus dem Fegefeuer abgebildet, hier aber nicht durch die Gebete dieser Bruderschaft, sondern durch die Messfeier.14
Die Ursache für diese Ähnlichkeiten ist, dass die Memoria, also all diejenigen Maßnahmen, die darauf ausgerichtet waren, die Leidenszeit der ‚armen Seelen‘ im purgatorium zu reduzieren und, nicht zuletzt, sie aus selbigem – im Wortsinn – zu entheben, als Kernanliegen der Bruderschaften bezeichnet werden muss.15
Weshalb soll nun ausgerechnet die verhältnismäßig spät, nämlich – offiziell – erst am 8. September 1475 in Köln gegründete Rosenkranzbruderschaft ‚nützlicher‘ sein als alle anderen Bruderschaften? Joachim Ratstein hat die große Gnade und die unzählbaren Ablässe genannt. Marcus von Weida kommt in diesem Zusammenhang unter anderem auf die Mitgliederzahl sowie die praxis pietatis der Vereinigung zu sprechen. Allein in Leipzig fänden sich 55.000 Namen in die Matrikel der Rosenkranzbruderschaft eingeschrieben. Doch sei Leipzig damit kein Sonderfall: Es ist oben gesagt, das in diser bruderschafft untzellich vil tausent menschen hin unnd wider in der heilgen cristenheit uffgenommen und...

Índice

  1. Title Page
  2. Copyright
  3. Contents
  4. 1 Einleitung
  5. 2 Ausgangsbedingungen: Das vage Seelenheil
  6. 3 Tradition: Die Dresdner Bruderschaft der Heiligen Dreifaltigkeit als lokaler Akteur in der Jenseitsvorsorge
  7. 4 Innovation: Die Rosenkranzbruderschaft als transregionaler Akteur in der Jenseitsvorsorge
  8. 5 Synthese: Heilseffizienz aus Dezentralität und Gemeinschaftssinn
  9. 6 Zusammenfassung
  10. Abkürzungen und Siglen
  11. Quellen- und Literaturverzeichnis
  12. Abbildungen
  13. Personen- und Ortsregister
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APA 6 Citation

Ranacher, C. (2022). Heilseffizienz aus Gemeinschaftssinn (1st ed.). De Gruyter. Retrieved from https://www.perlego.com/book/3455634/heilseffizienz-aus-gemeinschaftssinn-die-rosenkranzbruderschaft-als-innovative-form-der-jenseitsvorsorge-um-1500-pdf (Original work published 2022)

Chicago Citation

Ranacher, Christian. (2022) 2022. Heilseffizienz Aus Gemeinschaftssinn. 1st ed. De Gruyter. https://www.perlego.com/book/3455634/heilseffizienz-aus-gemeinschaftssinn-die-rosenkranzbruderschaft-als-innovative-form-der-jenseitsvorsorge-um-1500-pdf.

Harvard Citation

Ranacher, C. (2022) Heilseffizienz aus Gemeinschaftssinn. 1st edn. De Gruyter. Available at: https://www.perlego.com/book/3455634/heilseffizienz-aus-gemeinschaftssinn-die-rosenkranzbruderschaft-als-innovative-form-der-jenseitsvorsorge-um-1500-pdf (Accessed: 15 October 2022).

MLA 7 Citation

Ranacher, Christian. Heilseffizienz Aus Gemeinschaftssinn. 1st ed. De Gruyter, 2022. Web. 15 Oct. 2022.