1Einleitung
Ich schaffs! als Leitungsmaxime, GrundzĂŒge der Lösungsfokussierung und des Ich schaffs!-Programms
»Ich schaffs!« ist eine praktische Anwendung zur Umsetzung des lösungsfokussierten Ansatzes in der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen.
1.1Was ist Lösungsfokussierung?
Lösungsfokussierung ist ein von Steve de Shazer und Insoo Kim Berg ursprĂŒnglich als Solution Focused Brief Therapy (SFBT) entwickelter Beratungs- und Therapieansatz (de Shazer 2008, 2010; de Shazer a. Dolan 2008, de Jong a. Berg 2010). Er bĂŒndelt die Aufmerksamkeit aller GesprĂ€chsteilnehmer konsequent darauf, dass Probleme als Hinweise auf zu erlernende FĂ€higkeiten anzusehen sind, dass wir alle an der Weiterentwicklung unsere FĂ€higkeiten arbeiten können, seien es psychische, soziale oder körperliche FĂ€higkeiten, und dass wir in Kooperation mit anderen Menschen besser lernen können. Auf diese Weise können fĂŒr als »problematisch« angesehene Ist-ZustĂ€nde zuerst mehr Handlungsmöglichkeiten gedacht und spĂ€ter umsetzbar werden.
Das Konzept der Lösungsfokussierung hat eine seiner Wurzeln in den Konzepten der Systemtheorie und dabei vor allem in denen der systemischen Therapie, wie sie ursprĂŒnglich im kalifornischen Mental Research Institute (MRI), Palo Alto, von Bateson und seinen SchĂŒlern Jackson, Weakland, Fisch und Watzlawick als Familientherapie entwickelt wurde (Foerster et al. 1992). Zentrale Idee ist die der ZirkularitĂ€t. Es geht um die Interaktionen der Mitglieder eines Systems untereinander und mit der Umwelt, systemisch als Kontext bezeichnet. NĂŒtzlich ist es dabei, mehrere Dimensionen im Auge zu behalten (Bauer u. Hegemann 2018, S. 22):
1)Personen als die Elemente eines sozialen Systems,
2)die subjektiven Wirklichkeitsdeutungen der Beteiligten,
3)die expliziten und impliziten Regeln in Systemen,
4)die Muster und Regelkreise, nach denen sich die Mitglieder verhalten,
5)die Beziehungen zur relevanten Umwelt des Systems,
6)die Geschichte und Entwicklungsrichtung des Systems.
Die zweite Wurzel ist die Hypnotherapie nach Milton Erickson (Haley 2010; Zeig 2013), die ihre Klienten durch Erfindung potenzialaktivierender Geschichten in einer Lösungstrance hÀlt. Hier geht es darum, solche Geschichten zu verwenden, die anschlussfÀhig an die Erlebniswelt der Klienten sind und als Modelle dienen können, wie mit aktuellen Anforderungen variabler als bisher umgegangen werden kann.
Die BegrĂŒnder des lösungsfokussierten Ansatzes de Shazer und Berg haben die LeitsĂ€tze der Lösungsfokussierung so formuliert (de Shazer u. Dolan 2008):
âąWas nicht kaputt ist, muss auch nicht repariert werden!
Demnach sind Beratung und Therapie nur angezeigt, wenn Klienten etwas als problematisch erleben. Prophylaktische Beratung ist nach diesem Ansatz nur dann erforderlich, wenn die Furcht vor zukĂŒnftigen Problemen als problematisch erlebt wird.
âąDas, was funktioniert, sollte man hĂ€ufiger tun!
Entsprechend dem genannten pragmatischen Vorgehen, werden Klienten konsequent ermutigt, nĂŒtzliche und bewĂ€hrte Vorgehensweisen zur BewĂ€ltigung des Alltags und von Problemen einzusetzen und möglichst viele Erfahrungsfelder dazu zu nutzen.
âąWenn etwas nicht funktioniert, sollte man etwas anderes probieren!
Im Umkehrschluss werden Klienten dazu ermutigt, Umgangsweisen mit den Anforderungen des Alltags ebenso wie mit Problemen, die von ihnen als beklagenswert beschrieben werden, zu Ă€ndern und dazu dosierte, ĂŒberschaubare (emotionale) Risiken einzugehen.
âąKleine Schritte können zu groĂen VerĂ€nderungen fĂŒhren!
Unter dieser Annahme werden mit den Klienten »kleinstmögliche« VerÀnderungsschritte ausgehandelt. Dieses pragmatische Vorgehen erhöht die Wahrscheinlichkeit der Umsetzung und damit von Erfolgserlebnissen, was seinerseits die Zuversicht, sich VerÀnderungen zu stellen, stÀrkt.
âąDie Lösung hĂ€ngt nicht zwangslĂ€ufig direkt mit dem Problem zusammen!
Dieser Leitsatz fokussiert auf die Erkenntnisse der Resilienztheorien und der Salutogenese, wonach VerĂ€nderungen nicht notwendigerweise eine Analyse oder Betrachtung von Problemen voraussetzen; vielmehr lernen wir am besten von den Menschen, die VerĂ€nderungen ohne professionelle UnterstĂŒtzung erreichen.
âąDie Sprache der Lösungsentwicklung ist eine andere als die, die zur Problembeschreibung notwendig ist!
Dieser Leitsatz bezieht sich am stĂ€rksten auf Ludwig Wittgenstein und sein Statement (Wittgenstein 1997, S. 83, § 6.43): »Die Welt des GlĂŒcklichen ist eine andere als die des UnglĂŒcklichen.« Um in die Zukunft zu schauen, ist eine optimistische und (selbst)ermutigende Sprache erforderlich, die sich deutlich von einer problem- und vergangenheitsorientierten Sprache unterscheidet.
âąKein Problem besteht ohne Unterlass; es gibt immer Ausnahmen, die genutzt werden können!
Hier wird davon ausgegangen, dass kein Problem kontinuierlich gleich bleibt und gleich erlebt wird. Daher ist es Aufgabe von Beratern und Therapeuten, nach Ausnahmen zu suchen, also nach Zeiten, in denen der problematisch erlebte Zustand nicht oder seltener oder weniger problematisch auftritt. Denn diese Situationen bieten den SchlĂŒssel zu VerĂ€nderungen.
âąDie Zukunft ist sowohl etwas Geschaffenes als auch etwas Verhandelbares!
âąMit diesem Leitsatz wird die Verbindung zum Konstruktivismus hergestellt. Menschen werden nicht als Determinanten ihrer eigenen Handlungen oder ihres Kontextes gesehen â seien es soziale und kulturelle HintergrĂŒnde oder Diagnosen â, und die Zukunft wird als Ort der Zuversicht betrachtet, der Visionen ermöglicht, die als Leitlinien fĂŒr neues Handeln dienen.
Steve de Shazer und Insoo Kim Berg sowie weitere Praktiker haben konkrete Vorgehensweisen beschrieben, wie lösungsfokussiertes Arbeiten beobachtbar wird (z. B. Dolan 2009; Furman 2008a, 2008b; Furman u. Ahola 2010; Isebaert 2009; Walter u. Peller 1996; Bamberger 2015). Hier zeigt sich, ob und wie eine lösungsorientierte Haltung in lösungsfokussiertes Handeln in der Beratung umgesetzt wird. Die wichtigsten Vorgehensweisen sind:
âąEine Haltung, ein Auftreten und eine Sprache, die jeweils konsequent auf Lösungen ausgerichtet sind, verbreiten den Klienten gegenĂŒber die Zuversicht, dass es möglich ist, das Leben zu verbessern und zu erleichtern. Keinesfalls geht es darum, Schweres schönzureden oder zu bagatellisieren. Diesem ist mit Respekt zu begegnen, vor allem den damit verbundenen GefĂŒhlen. Der Respekt Ă€uĂert sich auch darin, dass allen Reaktionen der Klienten, die die WĂŒnsche nach Schutz, Vorsicht und Langsamkeit ausdrĂŒcken â und von anderen AnsĂ€tzen gerne als Widerstand bezeichnet werden â, wertschĂ€tzend begegnet wird. Lösungsfokussierte Berater reagieren daher mit Fragen und nicht mit Konfrontationen. Eine Haltung der anteilnehmenden Neugier drĂŒckt sich in einer Sprache aus, die konkret und zukunftsorientiert alle VerĂ€nderungen, auch die kleinen, wertschĂ€tzt.
âąEine Suche nach frĂŒheren Lösungen, Ausnahmen und UnterstĂŒtzern fokussiert die Klienten auf ihre Ressourcen und Ă€uĂert sich in der Suche nach Kompetenzen in vergangenen Situationen und in Nischen, in denen das Problem geringer erlebt wurde oder wird. Der Fokus auf UnterstĂŒtzer fördert die Orientierung auf Netzwerke, die ĂŒber die jetzige Beratung hinaus Bestand haben.
âąFragen nach Sichtweisen und Perspektiven, die auf die Gegenwart und die Zukunft fokussieren, helfen den Klienten, sich auf einer Entwicklungslinie zu verorten, die einen zunehmend besseren Umgang mit den Anforderungen des Lebens gestattet. Skalierungsfragen rĂŒcken die Entwicklung in den Vordergrund, die Wunderfrag...