XII
Wege aus der Sackgasse
Wenn wir vom Gottesdienst reden, ergreift uns unterschwellig die Vorstellung eines abgegrenzten Raumes, nĂ€mlich des Gotteshauses sowie einer geheimnisvollen Liturgie. Einen Gottesdienst, der dem Willen Jesu Christi entspricht, gibt es jedoch nicht, ohne dass dieser sich in der Sympathie, Liebe und Gerechtigkeit gegenĂŒber den anderen Menschen verkörpert.
Also findet der Gottesdienst nicht zuerst in einem KirchengebĂ€ude statt, sondern in der Familie, in der Fabrik oder im BĂŒro, in der Kommunikation mit anderen Menschen, mit denen wir zusammenleben. Folglich sind nicht die sakramentalen Symbolhandlungen die erste Liturgie. Und auch nicht das KirchengebĂ€ude ist der erste Ort der Liturgie, sondern unser alltĂ€gliches Leben, das praktisch die Arbeit leistet, die biblische Botschaft in den Alltag unserer Zeit zu ĂŒbersetzen.
Friedhelm Hengsbach SJ
Was bleibt denn noch angesichts der Diagnose, dass wir einer »reformunwilligen« und »reformunfĂ€higen« Kirche angehören? Zwingt dieser Befund nicht dazu, eine solche Kirche, die keine Hoffnung mehr rechtfertigt, stracks zu verlassen? Und kommen nicht hundert weitere GrĂŒnde aus dem sattsam bekannten SĂŒndenregister â Religionszwang, Schwertmission, Inquisition, KreuzzĂŒge, Judenfeindschaft und Sexualfeindlichkeit â hinzu? Es fĂ€llt nicht schwer, handfeste Motive zu benennen, die katholische Kirche zu verlassen. Es gibt auch Menschen, die nur aus der Körperschaftskirche ausgetreten sind, sich aber, wie erstmals Heinrich Böll formulierte, der Glaubensgemeinschaft weiterhin zugehörig fĂŒhlen.
Von 1990 bis 2009 haben in Deutschland 2 595 433 Menschen die katholische Kirche verlassen, im Skandaljahr 2010 etwa 180 000, fast vierzig Prozent mehr als ein Jahr zuvor und erstmals ĂŒberstieg die Zahl der Katholiken die der Protestanten. Im gleichen Zeitraum (aber nur bis 2008 erfasst) sind ĂŒber 3,8 Millionen Menschen aus der evangelischen Kirche ausgetreten. Die österreichische Statistik zĂ€hlt 727 739 Katholiken, die von 1994 bis 2010 der katholischen Kirche den RĂŒcken kehrten. FĂŒr die Schweiz liegt keine Gesamtstatistik vor. Manche gehen mit stillem Bedauern, aber aus tiefer EnttĂ€uschung. Die meisten treten aus der Kirche aus, weil sie GlaubwĂŒrdigkeit und Sinn mit ihr nicht mehr verbinden. Die Austrittswelle sei inzwischen »tsunamigleich bis zum Kern vorgedrungen zu den Treuen und Engagierten«, kommentierte Matthias Drobinski in der SĂŒddeutschen Zeitung. Aber Frust und Resignation fĂŒhren auch nicht weiter, und im Blick auf Gesellschaft und Staat ist es eine Katastrophe, wenn das stetig gröĂer werdende Sinnvakuum nur noch von der Betriebsamkeit des Lebens ĂŒberdeckt wird. Es erscheint inzwischen denkbar, dass die kirchliche Hierarchie dem Christentum keine neuen ZugĂ€nge mehr bahnt und sich auch nicht bewegen lĂ€sst, das »Loch« im Glaubensbekenntnis so zu fĂŒllen, dass daraus neues Leben erblĂŒhen kann. Wenn es dennoch zu einer »Neuerfindung« des Christentums kommen soll, stĂŒtzt sich die Hoffnung auf allein jene, die im Reich-Gottes-Programm Jesu ein weiterhin lohnendes Engagement fĂŒr die Welt sehen und sich als Christen nicht ĂŒber Amtsstrukturen definieren lassen.
Es ist nicht zu beschönigen, dass viele Begegnungen mit der Kirche enttĂ€uschen. Die Messfeiern haben ihre theologische Stimmigkeit verloren. Die Predigten lassen sprachlich wie inhaltlich erheblich zu wĂŒnschen ĂŒbrig. Von Kinder-, Jugend-, Familien-, Kranken- und Altenseelsorge ist angesichts der pastoralen MegarĂ€ume kaum noch zu reden. Und doch wollen wir nicht darauf verzichten, weiterhin in christlichen Gemeinschaften und Gemeinden zu leben, miteinander Gottesdienst zu feiern, GlĂ€ubigen und NichtglĂ€ubigen das Evangelium Jesu zu erschlieĂen und es mit GlĂ€ubigen wie NichtglĂ€ubigen in heutige VerhĂ€ltnisse zu ĂŒbersetzen. Wir wollen nicht, dass unsere Kirchen zu GrĂ€bern Gottes werden, sondern zu Orten der Besinnung und der Meditation. Wir meinen, dass sie auch Orte der Kultur sein dĂŒrfen, aber in Restaurants und KonzertsĂ€le nicht umgewandelt werden sollen. Wir trauen uns zu, neue Wege zu gehen, wenn die Klerikerkirche personell an ihr Ende gelangt. Und da die Bischöfe offensichtlich schon gar nicht mehr realisieren, wie weit das theologische Denken vorauseilt, was die Gemeinden von ihnen erwarten, was noch mehr Menschen zu erwarten aus EnttĂ€uschung aufgegeben haben âŠ, geht vieles an ihnen vorbei, was ein engagiertes Laienchristentum in seinen eigenen Freizonen und Reichweiten unternimmt.
Um wenigstens die wichtigsten Momente zu bedenken, wie Christen auf örtlicher Ebene neues Gemeindeleben verwirklichen können, sollen einige MöglichÂkeiten der Gemeindeleitung, der gottesdienstlichen Meditation, der Eucharistiegestaltung und einer theologischen Neudeutung skizziert werden.
1. Das Modell »Pfarrgemeinde« ist ablösbar. Ăber priesterlose Gemeinden
Der offene Zusammenbruch der kirchlichen Seelsorge (vollzieht sich) nicht nur in westlichen LĂ€ndern. Die massenhafte Aufhebung und Zusammenlegung von Gemeinden verdrĂ€ngt das Problem, denn entgegen einer jeden Sachlogik werden die Gemeinden fĂŒr den Priestermangel in Haft genommen, statt den bestehenden Gemeinden vollgĂŒltige Gemeindeleiterinnen oder Gemeindeleiter zuzugestehen. Die Aufhebung des Zölibats und die Ordination von Frauen könnte allerdings nur eine erste Entlastung bieten. Zu leisten ist eine grĂŒndliche Neuordnung der Rechte, Pflichten und Vollmachten der Gemeinden.
Aus allen genannten GrĂŒnden ist die traditionelle Unterscheidung zwischen Klerikern und Nicht-Klerikern zu ĂŒberprĂŒfen. Sakramental begrĂŒndete Differenzierungen, gar Wesensunterschiede sind inakzeptabel ⊠Jedes Amt (ist) ungĂŒltig und geraubt, das sich nicht auf eine ausdrĂŒckliche Zustimmung durch die betroffene Gemeinde berufen kann. Dies gilt auch fĂŒr die Ernennung von Pfarrern und Bischöfen âŠ
Hermann HĂ€ring
Derzeit versuchen die Bischöfe Europas, durch Zusammenlegung von Gemeinden ihren Priestermangel administrativ »aufzufangen«. Die GröĂe des Seelsorgeraumes wird der je verfĂŒgbaren Priesterzahl angepasst, das heiĂt, man laboriert mit provisorischen Versorgungskonzepten, die laufend umgeschrieben werden mĂŒssen. UnverĂ€ndert bleibt lediglich das priesterzentrierte Kirchenbild. Doch der Pfarrer in den neuen GroĂgemeinden hört auf, Seelsorger der GlĂ€ubigen zu sein. Er wird zum Manager eines pastoralen Megaraumes, in dem sich die Kirche vom alltĂ€glichen Leben der Menschen entfernt. PfarrhĂ€user stehen leer, Kirchen werden verkauft oder umgewidmet. Eine nachgehende Seelsorge, die aus der NĂ€he zu den Menschen gedeiht, kann der ĂŒberforderte Pastor nicht mehr leisten. Und doch verlangt Seelsorge die Begleitung in gesunden und in kranken Tagen, das GesprĂ€ch mit Kindern und Heranwachsenden, mit glĂŒcklichen und unglĂŒcklichen Menschen. Mit dem Ende dieser Begleitung löst sich die Pfarrerschaft aus ihrer Verwurzelung im Lande. Das forciert den Verfallsprozess der Gemeinden, und dies umso mehr und heftiger, als die bestehende AbhĂ€ngigkeit vom Klerus keine eigenstĂ€ndige Laienkompetenz und Verantwortung entstehen lĂ€sst â was das Kirchenrecht bisher auch nicht einrĂ€umt.
Will man dennoch die heutige Krise nicht als Erschöpfung und Abbruch hinnehmen, sondern als Chance zu einem neuen Aufbruch wenden, liegen im derzeitigen Mangel zugleich die AnsĂ€tze fĂŒr eine vitalere Zukunft, die nicht in einer Kirche sakramentaler Versorgung besteht, sondern in Gemeinden, die das Schema Priester-Laie hinter sich lassen und sich in bewusster Eigenverantwortlichkeit auf den Weg nach vorne machen.
Die Wahl besteht zunĂ€chst zwischen zwei Optionen: Die erste, noch am vorhandenen Denken orientierte, modifiziert das Konzept der bisherigen Priesterkirche. Das kann zur Aufhebung der allgemeinen Zölibatspflicht fĂŒhren â ohne damit den freiwilligen Zölibat abschaffen zu mĂŒssen â und darĂŒber hinaus zur Ordination von MĂ€nnern, die anderen Berufen nachgehen, die aber von ihrem geistigen und spirituellen Format her fĂ€hig und bereit sind, die örtliche Gemeinde zu entwickeln. Dem Weg zur Frauenordination hat sich die Kirche im Pontifikat Johannes Pauls II. vorerst verschlossen, wobei ihr Argument, Jesus habe nur MĂ€nner berufen, ins Leere geht. Auf derselben Ebene lĂ€sst sich auch sagen, Jesus habe nur Juden oder Fischer berufen, und darum kĂ€men nur Juden oder Fischer als Priester in Frage â einmal davon abgesehen, dass »die Zwölf« des Abendmahls fiktiv sind und Jesus ĂŒberhaupt keine »Priester« berufen hat.
Im Januar 2011 wandte sich ein Kreis prominenter CDU-Politiker an die deutschen Bischöfe mit der Bitte, wegen der »besorgniserregenden Zunahme des Priestermangels âŠ, die Zulassung von viri probati (bewĂ€hrten, aber verheirateten MĂ€nnern) zur Priesterweihe zu ihrem eigenen Anliegen zu machen und sich dafĂŒr in der Gemeinschaft der Bischöfe der Weltkirche und vor allem in Rom mit Nachdruck einzusetzen«. BunÂdesÂtagsprĂ€Âsident Lammert warf in einem anschlieĂenden GesprĂ€ch mit der SĂŒddeutschen Zeitung dem Vatikan vor, er beschĂ€ftige sich »mit dem Problem in einer Weise, die diesem absolut nicht gerecht wird«. Weil offensichtlich die Kirchenoberen glaubten, das Problem »aussitzen« zu können, mĂŒssten nun die katholischen Laien die Sache selbst in die Hand nehmen. »Ich wĂŒnsche mir auch mehr Tapferkeit von deutschen Bischöfen in dieser Frage.«
WĂ€hrend die Deutsche Bischofskonferenz wie geÂwohnt problemscheu reagierte â erst »in den kommenden Jahren« werde es Gelegenheit geben zu einer »Meinungsbildung und Entscheidung auf gesamtkirchlicher Ebene« â, sprach Kurienkardinal Walter BrandmĂŒller von einer »Kampagne«, welche die im Zölibat lebenden Priester und auch Jesus Christus, »den Sohn Gottes«, »beleidige«. Kardinal Karl Lehmann hingegen »schĂ€mte« sich fĂŒr BrandmĂŒllers Schelte â immerhin eine ungewohnte Bereitschaft, Differenzen zu benennen. Vorerst also Stillstand.
Die Debatte hat allerdings dazu gefĂŒhrt, sich eines VorstoĂes zu erinnern, den einundvierzig Jahre frĂŒher eine Gruppe von neun Theologen gewagt hat. Am 9. Februar 1970 wandten diese sich angesichts einer »notvollen Situation der Kirche ⊠in aller Ehrfurcht« an die deutschen Bischöfe und baten um eine ĂberprĂŒfung der Zölibatsregelung, weil es »theologisch einfach nicht richtig« sei, »dass man in neuen geschichtlichen und gesellschaftlichen Situationen etwas nicht ĂŒberprĂŒfen« mĂŒsse. Zu den Unterzeichnern zĂ€hlten auch Karl Lehmann, Walter Kasper â und Joseph Ratzinger. »Alle« Verfasser des Memorandums seien »davon ĂŒberzeugt, dass eine ĂberprĂŒfung [des Zölibatgesetzes] auf hoher und höchster kirchlicher Ebene angebracht, ja notwendig ist«, schrieben sie. Sie wĂŒnschten, die deutschen Bischöfe möchten dieses Anliegen dem Papst vortragen, »selbst wenn ein solcher Rat ungern gehört wĂŒrde«. Ihr Argument: »Wenn schon ein einfacher Untergebener Recht und Pflicht hat, sich zu fragen, ob er den ihm Ăbergeordneten nicht in wichtigen Dingen ungefragt Bedenken und Warnungen vortragen könne und mĂŒsse, um wie vielmehr gilt dies auch fĂŒr die Bischöfe in der katholischen Kirche, auch gegenĂŒber dem Papst?« In der Sache fĂŒhrten sie aus: »Gerade die jungen Priester ⊠fragen sich angesichts dieses akuter werdenden Priestermangels, wie diese Lebensprobleme der Kirche und ihres eigenen Amtes in einigen Jahren noch gemeistert werden können. FĂŒr sie genĂŒgt der ideale Blick nach rĂŒckwĂ€rts nicht.«
Ratzinger und Kollegen machten sich auch Sorgen um die QualitĂ€t des Priesternachwuchses: Wer seinem Bischof versichere, er habe mit dem Zölibat keine Schwierigkeiten, habe seine Eignung noch lĂ€ngst nicht bewiesen. Vielmehr hĂ€tten sie, die unterzeichneten Professoren, »sehr oft den Eindruck, dass die jetzige Regelung bei uns in einem nicht unerheblichen AusmaĂ nicht bloĂ zu einer Schrumpfung der Zahl der Priesteramtskandidaten, sondern auch zu einer Senkung der Begabung« der noch zur VerfĂŒgung stehenden Priester fĂŒhre. Wenn genĂŒgend Jungpriester nicht zu gewinnen seien, »dann hat die Kirche einfach die Pflicht, eine gewisse Modifizierung vorzunehmen«.
Einundvierzig Jahre spĂ€ter stellten die deutschsprachigen Theologen in ihrem »Memorandum Freiheit« von 2011 fest: »Christliche Gemeinden sollen Orte sein, an denen Menschen geistliche und materielle GĂŒter miteinander teilen. Aber gegenwĂ€rtig erodiert das gemeindliche Leben ⊠Historische IdentitĂ€ten und gewachsene soziale Netze werden aufgegeben. Priester werden âșverheiztâč und brennen aus. GlĂ€ubige bleiben fern, wenn ihnen nicht zugetraut wird, Mitverantwortung zu ĂŒbernehmen und sich in demokratischeren Strukturen an der Leitung ihrer Gemeinde zu beteiligen. Das kirchliche Amt muss dem Leben der Gemeinden dienen â nicht umgekehrt. Die Kirche braucht auch verheiratete Priester und Frauen im kirchlichen Amt.«
Nun können mit dem Konzept der viri probati vielleicht zölibatsbedingte EngpĂ€sse ĂŒberwunden werden, aber die UnmĂŒndigkeit der Gemeinden bleibt bestehen. Wie Gemeinden zugeschnitten sind und auszusehen haben, wird von oben bestimmt. Die Basis hat nicht ĂŒber sich selbst zu befinden. Und dass Frauen in die Gemeindeleitung gehören, darf nicht einmal diskutiert werden. Wollte man aus den Bedingungen einer lĂ€ngst problematisch gewordenen Struktur nur diesen Weg weiterdenken, bliebe alle KreativitĂ€t ausgesperrt.
Also ein zweiter Weg: Im französischen Bistum Poitiers wird auf das Potential der Laien gesetzt, auf ihre Ideen und Möglichkeiten, miteinander Kirche entwickeln zu können. Nicht der Priestermangel liefert die BegrĂŒndung fĂŒr den neuen Weg, sondern der Wille, Gemeinden auf Basis der Initiationssakramente Taufe und Firmung zu errichten. Das ist die Grundentscheidung.
Der Erzbischof von Poitiers, Albert Rouet, formuliert die Ausgangsposition so: »Hier wie ĂŒberall haben Menschen ihre KrĂ€fte verbraucht, um Priestern zu helfen und zu Diensten zu sein. Ihre ausdauernde und treue Beharrlichkeit hat niemandem Mut gemacht, deren Aufgabe zu ĂŒbernehmen. Einen solchen Dienst mag man bewundern, aber er bringt keine Freiheit in der Kirche hervor.« Albert Rouet fragt: »Warum sollte es bei einer kirchlichen Funktionsweise bleiben, die unmöglich aufrechtzuerhalten ist? Trotz aller Mahnungen und NotfallmaĂnahmen gelangt das Modell Pfarrei an die Grenzen seiner Möglichkeiten. Wenn man befĂŒrchtet, dass die Laien nicht zum pastoralen Handeln fĂ€hig sind, warum firmt man sie dann? Sollten sie UnmĂŒndige in der Kirche bleiben?«
Das Modell Pfarrgemeinde wird hier aufgegeben, d. h. die Gemeinde definiert sich nicht mehr vom Pfarrer her. Der Bischof beruft sich auch nicht auf den Kanon 517 § 2 des kirchlichen Gesetzbuches, nach dem Laien an der Verantwortung fĂŒr die Pastoral beteiligt werden können. »Diese Erlaubnis fĂŒhrt in eine Sackgasse ⊠Um die Strukturen von gestern beizubehalten, ist man zu allen Tricks bereit.«
Im Poitou sind fĂŒr eine örtliche Gemeinde fĂŒnf Verantwortliche Bedingung. Diese leitende Equipe wird fĂŒr drei Jahre gewĂ€hlt, aber niemand darf lĂ€nger als sechs Jahre im Amt bleiben. »Wenn man einen Posten zu sehr personalisiert, verwehrt man Leuten mit anderem Profil den Zugang.« Zur Aufgabe der Equipe gehört die Verantwortung fĂŒr den (ĂŒberwiegend priesterlosen) Gottesdienst, die Sorge fĂŒr Alte, Kranke und HilfsbedĂŒrftige; die Katechese fĂŒr Kinder, Jugendliche und Erwachsene; alles, was eine lebendige Gemeinde konstituiert âŠ, bis zur Gestaltung von BegrĂ€bnisfeiern. Keineswegs sollen jedoch die fĂŒnf Verantwortlichen das alles selbst tun; sie können andere Menschen, die dazu geeignet sind, dafĂŒr suchen. Die örtliche Gemeinde ist auch nicht an die Umschreibung der bisherigen Pfarrgemeinden gebunden. Sie kann kleiner wie gröĂer sein. »Die neuen Gemeinden werden nicht gebildet, um fehlende Priester zu ersetzen, sondern um alle in die Verantwortung einzubinden. ⊠Der Priester steht nicht mehr im Zentrum dessen, was möglich ist, sondern der Gemeinde gegenĂŒber als derjenige, der bestĂ€rkt (zuweilen auch tröstet) und unterstĂŒtzt, der Grundlagen schafft und bei der Unterscheidung der Geister hilft.«
In zwölf Jahren pastoraler Arbeit sind im Erzbistum Poitiers mehr als dreihundert örtliche Gemeinden neu entstanden. »Das Empfinden von SchwĂ€che und Schwund, das bis dahin geherrscht hat, nimmt ab. SpĂŒrbar lebt die Hoffnung auf. Die Menschen wandeln sich durch die AusĂŒbung ihrer Aufgaben.«
Der hier gegangene Weg verlangt nicht nach viri probati, weder nach Diakonen noch studierten Laientheologen, die den Pfarrer ersetzen sollen. Das Experiment Poitiers regt an, das bisherige Denkgleis zu verlassen, um fĂŒr neue Vorstellungen und kĂŒhne Lösungen offen zu werden.
»Daher muss man zulassen«, erklĂ€rt Erzbischof Rouet, »dass die Festlegung des Gebiets einer Gemeinde nicht einfach auf dem Verwaltungsweg erfolgt, sondern sich aus der Geschichte einer betroffenen Bevölkerung ergibt, die gerufen ist, sich durch eigene Gremien an der Festlegung zu beteiligen ⊠Worauf es grundlegend ankommt, ist der Ăbergang vom Helfen zur Ăbernahme von Verantwortung.« Das bedeutet zugleich: Bischof und ...