Unser Arbeitsleben Ă€ndert sich - nicht zuletzt aufgrund der Digitalisierung. Organisationen benötigen kompetente BeschĂ€ftigte, um wettbewerbsfĂ€hig zu bleiben. BeschĂ€ftigte benötigen neue Kompetenzen, um bei verĂ€nderten Berufs- und Rollenbildern beschĂ€ftigungsfĂ€hig zu bleiben. Der Ansatz des Kompetenzmanagements verbindet beide Perspektiven. Das Buch beschreibt u. a., wie Kompetenzmanagement aufgebaut sein sollte, wie Kompetenzanforderungen erhoben und systematisiert werden und wie Kompetenzen erworben werden können. SchlieĂlich umfasst der Band einen Ausblick auf eine digitalisierte Arbeitswelt.
Die Online-Druckerei »Druckfrisch«, ein mittelstĂ€ndisches Unternehmen, steht trotz guter Auftragslage vor einigen Herausforderungen. Die Druckbranche entwickelt sich mit rasantem Tempo. Neue Technologien ermöglichen es, Druckprodukte schneller, effizienter und darĂŒber hinaus individualisiert anzubieten. Digitale Lösungen ermöglichen zudem, vom Kundenkontakt bis zur Bestellabwicklung viele Prozesse zu automatisieren. »Druckfrisch« startete einen Strategieprozess mit dem Ergebnis, das zukĂŒnftig individualisierte und an KundenbedĂŒrfnissen orientierte neue Produkte angeboten werden sollen. Damit dies von Erfolg gekröhnt ist, benötigt »Druckfrisch« kompetente BeschĂ€ftigte, die auf diese Herausforderungen vorbereitet sind. Noch ist dem Unternehmen unklar, wie dies gelingen kann und deshalb holt es sich eine Beratung ins Haus. Diese empfiehlt, ein Kompetenzmanagement im Unternehmen zu implementieren. Die GeschĂ€ftsfĂŒhrung wirkt interessiert und möchte mehr erfahren.
Was verbirgt sich hinter dem Begriff »Kompetenzmanagement«? Ein Kompetenzmanagement beschreibt einen systematischen Ansatz um Kompetenzen aufzubauen. Systematik erhĂ€lt dies durch eine strategische Relevanz: Es werden die Kompetenzen aufgebaut, die strategisch relevant sind. Nun stellt sich die Frage, was Kompetenzen sind. Der Begriff »Kompetenz« ist in aller Munde, hĂ€ufig ist im Alltag die Rede von Kompetenzen als ZustĂ€ndigkeit â so werden Kompetenzen manches Mal z. B. ĂŒberschritten. Dies ist mit dem Begriff hier nicht gemeint. Einen besseren Zugang erhalten wir, wenn wir uns in die Rolle einer Kundin oder eines Kunden hineinversetzen. Ansprechpersonen am Telefon oder in einem Beratungschat nehmen wir öfter als kompetent oder inkompetent war â unabhĂ€ngig davon, ob die Person ĂŒber eine formelle Ausbildung verfĂŒgt. Kompetenz zeigt sich in der BewĂ€ltigung konkreter Arbeitsanforderungen. Diese besteht beispielsweise darin Kundinnen und Kunden erfolgreich zu beraten. Gelingt dies, war das Handeln kompetent. Dies setzt entsprechende FĂ€higkeiten, Fertigkeiten und WissensbestĂ€nde voraus. Kompetentes Verhalten ist zudem nicht auf einzelne Personen beschrĂ€nkt, sondern umfasst auch Teams oder ganze Organisationen (
Kasten 1).
Kasten 1: Definition Kompetenz
Berufliche Handlungskompetenz umfasst alle FÀhigkeiten, Fertigkeiten und WissensbestÀnde, die eine Person, ein Team oder eine Organisation bei der BewÀltigung konkreter sowie vertrauter als auch neuartiger Arbeitsaufgaben handlungs- und reaktionsfÀhig machen und sich in der erfolgreichen BewÀltigung konkreter Arbeitsanforderungen zeigen (vgl. Kauffeld, 2006).
Wichtig ist der Bezug zur erfolgreichen Handlung: Um kompetent zu sein, reicht es also beispielsweise nicht aus, dass ein Energie- und GebĂ€udeelektroniker im Kundendienst, der eine Waschmaschine reparieren soll, weiĂ, welche typischen Fehler auftreten können und wie man diese dann theoretisch behebt. Er muss erst einmal herausfinden, welcher Fehler im konkreten Fall vorliegt. Hierzu wendet er Methoden der systematischen Fehleranalyse an und holt sich auch Informationen beim Kunden ein. Bei besonders komplizierten Problemen schaltet er möglicherweise einen spezialisierten Kollegen ein, damit eine Lösung gefunden und die Anforderung erfolgreich bewĂ€ltigt werden kann. Kompetenzen sind also eng an die erfolgreiche ProblembewĂ€ltigung und damit an die Arbeitsleistung geknĂŒpft. Kompetenzen lassen sich so auch von Qualifikationen abgrenzen (
Kasten 2).
Kasten 2: Abgrenzung Kompetenz vs. Qualifikation
Kompetenzen zeigen sich nicht nur in der erfolgreichen BewĂ€ltigung von Arbeitsanforderungen, sondern werden vor allem in der Auseinandersetzung mit konkreten beruflichen Anforderungen erworben. Kompetenzen können auch in nicht geplanten und unstrukturierten Situationen und Lernprozessen aufgebaut werden. Sie lassen sich damit von Qualifikationen abgrenzen. Qualifikationen sind in der Regel an Zertifikate oder Zeugnisse gebunden, wurden in einem klar umschriebenen Curriculum in zumeist strukturierten und formalen Lernsettings erworben und sind stark am Input orientiert. Sie hĂ€ngen maĂgeblich von den Inhalten ab, die in das Curriculum eingehen. Kompetenzen orientieren sich hingegen am Output von Lernprozessen. Kompetenzen abstrahieren also vom Erwerb. Ob BeschĂ€ftigte ĂŒber Kompetenzen verfĂŒgen, hĂ€ngt nicht davon ab, ob sie LehrgĂ€nge oder Weiterbildungen besucht haben. BeschĂ€ftigte können Kompetenzen auch im Prozess der Arbeit erwerben (Kauffeld, 2006).
Qualifikationen können, mĂŒssen jedoch nicht zu Kompetenzen fĂŒhren. Im Alltag erleben wir dies oft als Unterschied zwischen »Theorie« und »Praxis«. Wer sich beispielsweise durch FachbĂŒcher Wissen aneignet, muss dies in Verbindung mit Anwendungsmöglichkeiten bringen. Wissen kann ebenfalls von Kompetenzen abgrenzt werden: Erst die Anwendung des Wissens und die Motivation, das Wissen anzuwenden, fĂŒhrt zu Handeln. Ist das Handeln erfolgreich, d. h. konkrete Aufgaben werden bewĂ€ltigt, dann handelt es sich um eine Kompetenz. Die Unterscheidung verdeutlicht North (2002) in der »Wissenstreppe«, welche die Beziehung Information, Wissen und Kompetenz darstellt (
Abb. 1 und
Kasten 3).
Abb. 1: Beziehung zwischen Information, Wissen, Handeln und Kompetenz in Anlehnung an North (2002)
Kasten 3: Abgrenzung Kompetenz und Wissen
Kompetenz ist mehr als Wissen. Erst die Anwendung des Wissens und die Motivation das Wissen anzuwenden fĂŒhrt zu Handeln. Ist das Handeln erfolgreich, d. h. werden konkrete Aufgaben bewĂ€ltigt, dann handelt es sich um eine Kompetenz. Die Unterscheidung verdeutlicht North (2002), der die Beziehung von Informationen zu Kompetenz treppenförmig darstellt. Informationen werden durch Vernetzung mit Erfahrungen und dem Kontext, also einer persönlichen Anbindung, zu Wissen. Wissen ergibt zusammen mit einem Anwendungsbezug das Können. Können und Wollen fĂŒhren schlieĂlich zum Handeln. Das erfolgreiche Handeln entspricht nun der Kompetenz (weitere ErlĂ€uterung der einzelnen Stufen
Tab. 1).
Tab. 1: Stufen der Wissenstreppe und Beschreibung dieser
Der Unterschied zwischen Wissen und Kompetenz zeigt zweierlei:
1. Wissen ist eine Voraussetzung fĂŒr Kompetenz.
2. Wissen alleine reicht nicht aus.
Auch in Wissensgesellschaften ist Wissen zwar von groĂer Bedeutung, jedoch nicht hinreichend fĂŒr Kompetenzen. Kompetenzen sind hingegen in der Wissensgesellschaft zu einer der erfolgskritischsten Ressource fĂŒr Organisationen geworden. Sie ermöglichen, dass Wissen in Arbeitsprozesse eingebracht wird. Das Wissen der BeschĂ€ftigten und ihre FĂ€higkeit dieses einzubringen, werden als ein zentraler Wettbewerbsvorteil fĂŒr Unternehmen gesehen (Ployhart, Nyberg, Reilly & Maltarich, 2014). Diese Annahmen werden durch empirische Untersuchungen unterstĂŒtzt. Metaanalysen konnten zeigen, dass FĂ€higkeiten und Wissen der BeschĂ€ftigten in einem Zusammenhang mit dem organisationalen Erfolg stehen (Crook, Todd, Combs, Woehr & Ketchen, 2011; Unger, Rauch, Frese & Rosenbusch, 2011) und dass der Verlust von BeschĂ€ftigten, z. B. durch KĂŒndigung, in einem negativen Zusammenhang zum Unternehmenserfolg stehen (Hancock, Allen, Bosco, McDaniel & Pierce, 2013).
1.1 Kompetenzen als wertvolle Ressource
Kompetenzen gelten aus mehreren GrĂŒnden als wertvolle Ressource, die letztendlich zum Unternehmenserfolg beitrĂ€gt (Kauffeld, 2006).
âą Kompetenzen sind eine knappe Ressource, weil sie sich nicht kurzfristig aufbauen lassen, sondern ĂŒber einen lĂ€ngeren Zeitraum hinweg entwickelt werden mĂŒssen.
âą Kompetenzen sind wertvoll, weil sie sich â so die Annahme â in einer höheren Produkt- und DienstleistungsqualitĂ€t und letzendlich auch im Unternehmenserfolg niederschlagen.
âą Kompetenzen mĂŒssen kontinuierlich entwickelt werden. Neues Wissen muss angeeignet werden, altes Wissen muss mit neuem Wissen vernetzt und in neue Handlungskontexte eingebracht werden.
âą Neben generellen Kompetenzen entwickeln BeschĂ€ftigte spezifische Kompetenzen. In vielen Unternehmen sind die Kompetenzen eng an die Arbeitsprozesse gebunden. Dadurch sind Kompetenzen beschrĂ€nkt imitierbar â mit der Folge, dass der Aufwand zum Aufbau von spezifischen Kompetenzen steigt.
âą Kompetenzen sind auch nicht ohne Weiteres zu ĂŒbertragen. Auch wenn Individuen bereits in der Lage sind, Wissen auf andere Anwendungskontexte zu transferieren und so ins Handeln zu kommen, sind die spezifischen Gegebenheiten andere. Erfolgreiches Handeln ist nicht garantiert und bedarf Ăbung.
⹠Die oben genannten Faktoren tragen dazu bei, dass Kompetenzen nur eingeschrÀnkt substituierbar sind. Selbst wenn Unternehmen wollen: Kompetenzen können nicht beliebig eingekauft werden, weil es oft nicht die spezifischen Kompetenzen auf dem Markt gibt.
Der Begriff »Kompetenz« ist kein neuer Begriff. Er hat eine lÀngere Geschichte und gewann in den 90er Jahren des 20. Jahrhunderts auch im deutschsprachigen Raum Aufwind (
Kasten 4). Die FĂ€higkeit und Bereitschaft, unter unsicheren Bedingungen zu handeln, wurde als zentrales Merkmal von Kompetenzen angesehen (Erpenbeck & Heyse, 1999). Von besonderer Bedeutung fĂŒr den Aufschwung der Kompetenzforschung in Deutschland ist der Transformationsprozess nach der Wiedervereinigung anzusehen. Viele QualifizierungsmaĂnahmen gingen an den beruflichen Anforderungen vorbei. Aufgrund schneller technologischer VerĂ€nderungen schlussfolgerten Staudt und Kriegsmann (1999) beispielsweise, dass Weiterbildungen chronisch verspĂ€tet kommen. Das bedeutet, wenn Weiterbildungen auf Trends reagieren, sind lĂ€ngst andere Trends aktuell. Der Fokus galt nun stĂ€rker den Anforderungen in konkreten beruflichen Situationen und dem Lernen im Prozess der Arbeit. WĂ€hrend frĂŒher Anwendung und Qualifzierung bei vertretbarer Effizienz getrennt waren, fĂŒhren kurzlebige Prozesse dazu, dass Qualifikat...
Table des matiĂšres
Deckblatt
Titelseite
Impressum
Vorwort zur Buchreihe
Vorwort
Inhalt
1 Relevanz des Kompetenzmanagements
2 Entwicklung und Implementierung von Kompetenzmanagementsystemen
3 Kompetenzmodelle nutzen, adaptieren und entwickeln
4 Kompetenzmessung
5 IT-gestĂŒtzte Instrumente des Kompetenzmanagements
6 Kompetenzen entwickeln
7 Dokumentation und Anerkennung von im Arbeitsleben erworbener Kompetenzen
8 Zukunft des Kompetenzmanagements
9 Literaturverzeichnis
Stichwortverzeichnis
Normes de citation pour Kompetenzmanagement in Unternehmen
APA 6 Citation
Kauffeld, S., & Paulsen, H. (2018). Kompetenzmanagement in Unternehmen ([edition unavailable]). Kohlhammer. Retrieved from https://www.perlego.com/book/1075227/kompetenzmanagement-in-unternehmen-kompetenzen-beschreiben-messen-entwickeln-und-nutzen-pdf (Original work published 2018)
Chicago Citation
Kauffeld, Simone, and Hilko Paulsen. (2018) 2018. Kompetenzmanagement in Unternehmen. [Edition unavailable]. Kohlhammer. https://www.perlego.com/book/1075227/kompetenzmanagement-in-unternehmen-kompetenzen-beschreiben-messen-entwickeln-und-nutzen-pdf.
Harvard Citation
Kauffeld, S. and Paulsen, H. (2018) Kompetenzmanagement in Unternehmen. [edition unavailable]. Kohlhammer. Available at: https://www.perlego.com/book/1075227/kompetenzmanagement-in-unternehmen-kompetenzen-beschreiben-messen-entwickeln-und-nutzen-pdf (Accessed: 14 October 2022).
MLA 7 Citation
Kauffeld, Simone, and Hilko Paulsen. Kompetenzmanagement in Unternehmen. [edition unavailable]. Kohlhammer, 2018. Web. 14 Oct. 2022.