Warum ist E = mcÂČ?
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Warum ist E = mcÂČ?

Einsteins berĂŒhmte Formel verstĂ€ndlich erklĂ€rt

Brian Cox, Jeff Forshaw

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Einsteins berĂŒhmte Formel verstĂ€ndlich erklĂ€rt

Brian Cox, Jeff Forshaw

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E = mcÂČ ist die berĂŒhmteste Formel der Welt. Mit ihr brachte Einstein es auf den Punkt: Energie und Masse sind zwei Seiten derselben Medaille und die Lichtgeschwindigkeit c ist ihr Wechselkurs. Doch warum besteht dieses so einfache VerhĂ€ltnis? Wie ist Albert Einstein zu diesem Schluss gekommen? Und welche Folgen fĂŒr das VerstĂ€ndnis des Universums ergeben sich daraus? Brian Cox, Professor fĂŒr Physik und in England durch seine Sendungen auf BBC sehr bekannt, hat sich zusammen mit seinem Kollegen Jeff Forshaw, Professor fĂŒr theoretische Physik, die scheinbar einfache Einstein-Gleichung vorgenommen, um sie mit viel Energie ausfĂŒhrlich und verstĂ€ndlich zu erklĂ€ren.

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Informations

KAPITEL 1: Raum und Zeit

KAPITEL 1
Raum und Zeit
Was bedeuten fĂŒr Sie die Begriffe »Raum« und »Zeit«? Vielleicht stellen Sie sich den Raum als die Leere zwischen den Sternen vor, wenn Sie Ihren Blick in einer kalten Winternacht an den Himmel richten. Oder Sie haben die Weite zwischen Erde und Mond vor Augen, die ein in Goldfolie gepacktes Raumschiff zurĂŒcklegte – herausgeputzt mit der amerikanischen Flagge, gesteuert von kahlrasierten Astronauten, die Namen wie Buzz trugen. Die Zeit könnte das Ticken Ihrer Uhr sein oder das Welken der BlĂ€tter, wenn die Erde bei ihrem Umlauf um die Sonne zum FĂŒnfmilliardsten Mal ihre nördlichen Breiten von der Sonne weg neigt. Wir haben alle ein intuitives GefĂŒhl fĂŒr Raum und Zeit; sie sind mit unserer Existenz verwoben. Wir bewegen uns durch den Raum auf der OberflĂ€che unseres blauen Planeten, wĂ€hrend die Zeit vergeht.
Gegen Ende des 19. Jahrhunderts gab es eine Reihe von wissenschaftlichen DurchbrĂŒchen, die scheinbar nichts miteinander zu tun hatten. Sie zwangen die Physiker nach und nach dazu, diese einfache, intuitive Vorstellung von Raum und Zeit nochmals zu ĂŒberprĂŒfen. Anfang des 20. Jahrhunderts fĂŒhlte sich Albert Einsteins Kollege und Lehrer Hermann Minkowski dazu bemĂŒĂŸigt, seinen inzwischen berĂŒhmten Nachruf auf die bis dahin akzeptierte Vorstellung zu verfassen: »Der Raum und die Zeit, jeweils fĂŒr sich genommen, sind zu bloßen Schatten geworden, und nur die Vermischung der beiden existiert eigenstĂ€ndig.«
Was könnte Minkowski mit der Vermischung von Raum und Zeit gemeint haben? Um diese fast mystisch klingende Aussage zu verstehen, muss man Einsteins Spezielle RelativitĂ€tstheorie nachvollziehen – jene Theorie, die der Welt die berĂŒhmteste aller Gleichungen gebracht hat, E = mc2, und die in den Mittelpunkt unseres VerstĂ€ndnisses von der Struktur des Universums die GrĂ¶ĂŸe mit dem Symbol c, die Lichtgeschwindigkeit, gerĂŒckt hat.
Einsteins Spezielle RelativitĂ€tstheorie ist in ihrem Kern die Beschreibung von Raum und Zeit. Zentral fĂŒr die Theorie ist die Vorstellung einer besonderen Geschwindigkeit – einer Geschwindigkeit, ĂŒber die hinaus nichts im Universum beschleunigen kann, egal wie leistungsfĂ€hig etwas ist. Diese Geschwindigkeit ist die Lichtgeschwindigkeit: 299.792.458 Meter pro Sekunde im Vakuum des leeren Raums. Ein von der Erde ausgesendeter Lichtblitz benötigt bei dieser Geschwindigkeit acht Minuten bis zur Sonne, 100.000 Jahre, um das Milchstraßensystem zu durchqueren, und mehr als zwei Millionen Jahre, um unseren galaktischen Nachbarn zu erreichen, die Andromedagalaxie. Heute Nacht wird das grĂ¶ĂŸte Teleskop auf der Erde in die SchwĂ€rze des Raums blicken und das Licht von fernen, schon lange erloschenen Sonnen am Rande des beobachtbaren Universums auffangen. Deren Licht trat seine Reise vor mehr als zehn Milliarden Jahren an, mehrere Jahrmilliarden, bevor die Erde aus einer kollabierenden Wolke interstellaren Staubs entstanden ist. Die Lichtgeschwindigkeit ist schnell, aber bei weitem nicht unendlich schnell. Bei den gewaltigen Entfernungen zwischen Sternen und Galaxien kann die Lichtgeschwindigkeit entmutigend langsam sein – langsam genug, dass wir sehr kleine Körper fast bis auf Lichtgeschwindigkeit beschleunigen können. Möglich ist das mit Anlagen wie dem 27 Kilometer großen Large Hadron Collider am EuropĂ€ischen Zentrum fĂŒr Kernforschung (CERN) in Genf.
Dass eine solche spezielle Geschwindigkeit existiert, eine kosmische Höchstgeschwindigkeit, ist eine seltsame Vorstellung. Wie wir im Verlauf des Buches erkennen werden, wird sich die VerknĂŒpfung dieser besonderen Geschwindigkeit mit der Lichtgeschwindigkeit als eine Art Ablenkungsmanöver herausstellen. Sie muss in Einsteins Universum eine viel grundlegendere Rolle spielen, und es gibt gute GrĂŒnde dafĂŒr, dass sich Licht mit dieser Geschwindigkeit bewegt. Wir werden darauf spĂ€ter zurĂŒckkommen. FĂŒr den Moment genĂŒgt es zu sagen, dass sonderbare Dinge geschehen, wenn Körper sich der Lichtgeschwindigkeit nĂ€hern. Wie ließe sich ein Körper davon abhalten, ĂŒber diese Geschwindigkeit hinaus zu beschleunigen? Es wĂ€re so, als ob es ein universelles physikalisches Gesetz gĂ€be, das Ihr Auto daran hindert, schneller als mit 100 Kilometer pro Stunde zu fahren, egal wie leistungsfĂ€hig der Motor ist. Anders als eine Geschwindigkeitsbegrenzung muss diesem Gesetz jedoch nicht durch eine himmlische Polizei Geltung verschafft werden. Die bloße Struktur von Raum und Zeit ist so gestaltet, dass es absolut unmöglich ist, dieses Gesetz zu brechen. Das erweist sich als sehr glĂŒcklicher Umstand, denn sonst kĂ€me es zu unerfreulichen Folgen. Wenn es möglich wĂ€re, die Lichtgeschwindigkeit zu ĂŒberschreiten, ließen sich Zeitmaschinen bauen, die uns zurĂŒck zu jedem beliebigen Punkt in der Vergangenheit befördern könnten. Wir könnten uns vorstellen, in eine Zeit vor unserer Geburt zurĂŒckzureisen und zufĂ€llig oder absichtlich verhindern, dass sich unsere Eltern jemals kennen lernten. Das ist exzellente Science-Fiction, aber keine Methode, ein Universum aufzubauen. Und Einstein fand tatsĂ€chlich heraus, dass das Universum so nicht aufgebaut ist. Raum und Zeit sind filigran miteinander verwoben, so dass solche WidersprĂŒche nicht auftreten können. Doch die Sache hat ihren Preis: Wir mĂŒssen dafĂŒr unsere tief verwurzelte Vorstellung von Raum und Zeit aufgeben. Einsteins Universum ist eines, in dem Uhren in Bewegung langsamer ticken, Körper in Bewegung schrumpfen und wir Jahrmilliarden in die Zukunft reisen können. Es ist ein Universum, in dem sich das Leben eines Menschen fast unendlich lange verlĂ€ngern lĂ€sst. Wir könnten der Sonne beim Erlöschen zusehen, dem Verdampfen der irdischen Ozeane und wie unser Planetensystem in ewige Finsternis fĂ€llt. Wir könnten Sternen bei ihrer Entstehung aus turbulenten Staubwolken zuschauen sowie der Entstehung von Planeten und womöglich dem Anfang des Lebens auf neuen, derzeit noch unfertigen Welten. Einsteins Universum lĂ€sst zu, dass wir in die ferne Zukunft reisen, wĂ€hrend es die TĂŒren zur Vergangenheit fest vor uns verschlossen hĂ€lt.
Am Ende dieses Buches werden wir sehen, wie Einstein zu so einer fantastischen Vorstellung unseres Universums gezwungen war, und wie sich mit vielen wissenschaftlichen Experimenten und technischen Anwendungen zeigen ließ, dass diese Vorstellung richtig ist. Die Satellitennavigation in Ihrem Auto zum Beispiel muss den Umstand berĂŒcksichtigen, dass die Zeit fĂŒr die Satelliten in der Erdumlaufbahn mit einer anderen Geschwindigkeit vergeht als am Boden. Einsteins Vorstellung ist radikal: Raum und Zeit sind nicht das, was sie zu sein scheinen.
Aber wir ĂŒberholen uns selbst. Um Einsteins Entdeckung zu verstehen und wertzuschĂ€tzen, mĂŒssen wir zunĂ€chst sehr sorgfĂ€ltig ĂŒber die beiden Konzepte nachdenken, die den Kern der RelativitĂ€tstheorie ausmachen: Raum und Zeit.
Stellen Sie sich vor, dass Sie dieses Buch wĂ€hrend eines Flugs lesen. Um 12 Uhr schauen Sie auf ihre Uhr, legen das Buch beiseite, verlassen Ihren Platz und laufen den Gang entlang, um mit Ihrem Freund zu reden, der zehn Reihen vor Ihnen sitzt. Um 12:15 Uhr kehren Sie an Ihren Platz zurĂŒck, setzen sich und greifen wieder zum Buch. Der gesunde Menschenverstand besagt, dass Sie wieder zum selben Ort zurĂŒckgekehrt sind. Sie mussten dieselben zehn Reihen zurĂŒckgehen, um Ihren Platz zu erreichen, und als Sie zurĂŒckkehrten, war Ihr Buch da, wo Sie es zurĂŒckgelassen hatten. Aber denken Sie mal etwas ausfĂŒhrlicher ĂŒber die Formulierung »derselbe Ort« nach. Das mag etwas pedantisch wirken, weil es unmittelbar offensichtlich ist, was wir meinen, wenn wir einen Ort beschreiben. Wir können einen Freund anrufen und uns mit ihm auf einen Drink in einer Bar verabreden, und die Bar wird sich nicht bewegt haben, wenn wir beide ankommen. Sie wird am selben Ort sein, wo wir sie verlassen hatten – womöglich in der vergangenen Nacht. Viele Dinge in diesem Kapitel werden ziemlich pedantisch erscheinen, doch bleiben Sie dran! Das sorgfĂ€ltige Nachdenken ĂŒber diese scheinbar offensichtlichen Vorstellungen fĂŒhrt uns in die Fußstapfen von Aristoteles, Galileo Galilei, Isaac Newton und Albert Einstein. Wie könnten wir also prĂ€zise definieren, was wir mit »demselben Ort« meinen? Wie wir das auf der ErdoberflĂ€che tun mĂŒssen, wissen wir bereits. Eine Kugel hat ein Koordinatensystem auf ihrer OberflĂ€che, LĂ€ngen- und Breitengrade. Jeder Ort auf der ErdoberflĂ€che lĂ€sst sich mit zwei Zahlen beschreiben, die fĂŒr die Position in diesem Koordinatensystem stehen. Zum Beispiel liegt Manchester in Großbritannien bei 53 Grad 30 Minuten Nord und 2 Grad 15 Minuten West. Diese beiden Zahlen sagen uns genau, wo wir Manchester finden können, vorausgesetzt, dass wir uns ĂŒber den Ort des Äquators und des Nullmeridians (des Meridians von Greenwich) einig sind. Analog dazu gibt es eine Möglichkeit, den Ort eines beliebigen Punktes festzulegen – egal ob er auf der ErdoberflĂ€che liegt oder nicht: die Vorstellung eines imaginĂ€ren dreidimensionalen Koordinatensystems, das ĂŒber die ErdoberflĂ€che hinaus in die Luft reicht. TatsĂ€chlich könnte das Koordinatensystem auch nach unten durch den Erdmittelpunkt bis auf die andere Seite weitergehen. Dann könnten wir beschreiben, wo sich alles auf der Welt relativ zum Ursprung dieses Koordinatensystems befindet – egal ob in der Luft, auf der OberflĂ€che oder unter der Erde. TatsĂ€chlich mĂŒsste dies nicht bei unserer Welt enden. Das Koordinatensystem könnte weiterreichen – zum Mond, zum Jupiter, zu Neptun und Pluto, selbst ĂŒber das Milchstraßensystem hinaus bis in die tiefsten Tiefen des Universums. Mit unserem riesigen, womöglich unendlich großen Koordinatensystem könnten wir herausfinden, wo alles ist, oder um ein Woody-Allen-Zitat umzuformulieren: Es wĂ€re sehr nĂŒtzlich, wenn Sie zu dieser Art von Menschen gehören, die sich niemals daran erinnern können, wo Sie etwas hingelegt haben. Unser Koordinatensystem definiert daher eine Manege, in der alles existiert – eine Art von gewaltiger Kiste, die alle Dinge des Universums enthĂ€lt. Wir könnten sogar versucht sein, diese riesige Manege »Raum« zu nennen.
Kehren wir nun zurĂŒck zu unserem Beispiel mit dem Flugzeug und kommen zu der Frage, was es bedeutet, »am selben Ort« zu sein. Sie könnten annehmen, dass Sie um 12:00 und 12:15 Uhr am selben Punkt im Raum waren. Aber stellen Sie sich nun vor, wie die Abfolge der Ereignisse fĂŒr eine Beobachterin am Erdboden war. Wenn das Flugzeug ĂŒber sie mit 1000 Kilometer pro Stunde hinwegfliegt, wĂŒrde die Beobachterin sagen, dass Sie sich zwischen 12:00 und 12:15 Uhr um 250 Kilometer bewegt haben. Anders gesagt: Sie befanden sich um 12:00 und um 12:15 Uhr an verschiedenen Punkten im Raum. Wer hat Recht? Wer hat sich bewegt und wer blieb in Ruhe?
Wenn Ihnen die Antwort auf diese scheinbar einfache Frage unklar ist, befinden Sie sich in guter Gesellschaft. Aristoteles, einer der grĂ¶ĂŸten Denker des antiken Griechenlands, lag mit seiner Antwort völlig daneben. Er hĂ€tte unmissverstĂ€ndlich geantwortet, dass Sie, der Passagier an Bord des Flugzeugs, sich bewegt haben. Aristoteles glaubte nĂ€mlich, dass die Erde im Mittelpunkt des Universums stillsteht. Dagegen kreisen Sonne, Mond, Planeten und Sterne auf 55 konzentrischen KristallsphĂ€ren um die Erde, die wie eine Matrjoschka ineinander gestapelt sind. Er teilte mit uns also unsere intuitiv befriedigende Vorstellung von Raum: die Kiste oder Manege, in der sich die Erde und die KristallsphĂ€ren befinden. FĂŒr heutige Ohren klingt diese Vorstellung eines Universums, das nur aus der Erde und einer Reihe von KristallsphĂ€ren besteht, ziemlich kurios. Aber denken Sie mal darĂŒber nach, welchen Schluss Sie ziehen könnten, wenn Ihnen niemand gesagt hĂ€tte, dass die Erde um die Sonne lĂ€uft und die Sterne ferne Sonnen sind, einige davon viele tausend Mal heller als unser nahe gelegener Stern, aber Milliarden und Milliarden von Kilometern weiter weg. Es fĂŒhlt sich gewiss nicht so an, als ob die Erde durch ein unvorstellbar großes Universum treibt. Unser modernes VerstĂ€ndnis der Welt ist hart erarbeitet und oft nicht eingĂ€ngig. Die heutige Vorstellung des Universums haben wir im Lauf von Jahrtausenden durch Experimente und Nachdenken entwickelt. WĂ€re diese Vorstellung offensichtlich gewesen, dann hĂ€tten es die großen Namen der Vergangenheit, wie Aristoteles, selbst herausgefunden. Sich das bewusst zu machen, lohnt sich. Wenn Sie eine Idee in diesem Buch kompliziert finden, dann hĂ€tten Ihnen die grĂ¶ĂŸten Denker der Antike vermutlich zugestimmt.
Lassen Sie uns die Vorstellung von Aristoteles fĂŒr einen Moment akzeptieren, um den Fehler in der Antwort zu finden. So erkennen wir, zu was diese Vorstellung fĂŒhrt. GemĂ€ĂŸ Aristoteles mĂŒssen wir den Raum mit einem imaginĂ€ren Koordinatensystem ausfĂŒllen, dessen Mittelpunkt auf der Erde liegt, und dann herausfinden, wo sich alles befindet und wer sich bewegt. Wenn wir die Vorstellung des Raums als eine Kiste gefĂŒllt mit Objekten akzeptieren und die Erde im Mittelpunkt ruht, dann ist es offensichtlich, dass Sie, der Passagier im Flugzeug, Ihre Position verĂ€ndert haben. Dagegen ruht die Beobachterin, die Sie vorbeifliegen sieht, auf der ErdoberflĂ€che bewegungslos im Raum. Anders gesagt gibt es so etwas wie eine absolute Bewegung und damit einen absoluten Raum. Ein Körper ist in absoluter Bewegung, wenn er seinen Ort im Raum verĂ€ndert. Gemessen wird das im imaginĂ€ren Koordinatensystem, dessen Ursprung im Erdmittelpunkt ruht, wĂ€hrend die Zeit vergeht.
Ein Problem dieser Vorstellung ist natĂŒrlich, dass die Erde nicht bewegungslos im Mittelpunkt des Universum steht; sie ist eine rotierende Kugel, die um die Sonne kreist. In Wirklichkeit bewegt sich die Erde mit knapp 110.000 Kilometer pro Stunde relativ zur Sonne. Wenn Sie abends zu Bett gehen und acht Stunden schlafen, haben Sie beim Aufwachen fast 900.000 Kilometer zurĂŒckgelegt. Sie können sogar behaupten, dass in ungefĂ€hr 365 Tagen Ihr Schlafzimmer an den genau gleichen Punkt im Raum zurĂŒckkehren wird, weil die Erde dann einen Umlauf um die Sonne vollendet hat. Also könnten Sie bereit sein, Ihre Vorstellung ein bisschen zu korrigieren, selbst wenn Sie Aristoteles’ Sichtweise beibehalten wollen. Warum nicht den Mittelpunkt des Koordinatensystems in die Sonne verlegen? Der Gedanke ist naheliegend, aber ebenfalls falsch, weil die Sonne wiederum das Zentrum des Milchstraßensystems umrundet. Die Milchstraße ist unsere heimische Galaxie aus mehr als 200 Milliarden Sonnen. Wie Sie sich vielleicht vorstellen können, ist sie ziemlich groß, so dass ein Umlauf eine Weile dauert. Die Sonne, mit der Erde im Schlepptau, wandert mit 790.000 Kilometer pro Stunde um das Milchstraßenzentrum, in einem Abstand von 244.000 Billionen Kilometer zum Zentrum. Mit dieser Geschwindigkeit dauert es 226 Millionen Jahre, um einen Umlauf zu vollenden. Es wĂ€re also ein weiterer Schritt erforderlich, um Aristoteles zu retten. Legen Sie den Ursprung des Koordinatensystems in das Zentrum der Milchstraße, und es könnte sich Ihnen ein weiterer Gedanke aufdrĂ€ngen: Stellen Sie sich vor, wĂ€hrend Sie im Bett liegen, wie die Welt ausgesehen haben könnte, als die Erde zum letzten Mal »hier« an genau diesem Punkt im Raum war. Am frĂŒhen Morgen hĂ€tte an diesem Ort, wo nun Ihr Schlafzimmer ist, ein Dinosaurier sich an prĂ€historischen BlĂ€ttern gĂŒtlich getan. Trotzdem falsch. Denn auch die Galaxien selbst rasen voneinander weg, je weiter eine Galaxie weg ist, desto schneller entfernt sie sich von uns. Unsere Bewegung zwischen den Myriaden von Galaxien, die das Universum ausfĂŒllen, ist anscheinend extrem schwierig festzulegen.
Aristoteles hat wohl ein Problem, weil die Definition »still zu stehen« unmöglich ist. Anders gesagt scheint eine Festlegung des Koordinatenursprungs unmöglich zu sein, um so zu entscheiden, was ruht und was sich gerade bewegt. Aristoteles selbst stand nie vor diesem Problem, da seine Vorstellung einer stationĂ€ren Erde, umgeben von rotierenden SphĂ€ren, fast 2000 Jahre lang nicht ernsthaft hinterfragt wurde. Vielleicht hĂ€tte das geschehen sollen, aber wie bereits gesagt, sind solche Dinge selbst fĂŒr die grĂ¶ĂŸten Denker bei weitem nicht offensichtlich gewesen. Claudius PtolemĂ€us arbeitete in der großen Bibliothek von Alexandria in Ägypten im zweiten Jahrhundert. Er war ein sorgfĂ€ltiger Beobachter des Nachthimmels und zerbrach sich den Kopf ĂŒber die scheinbar sonderbare Bewegung der fĂŒnf damals bekannten Planeten am Himmel – den »Wandelsternen«, von denen das Wort »Planet« abgeleitet ist. Von der Erde aus betrachtet beschreiben die Planeten im Lauf der Monate keine flache Bahn vor dem Hintergrund der Sterne, sondern scheinbar Loopings am Himmel. Dieses sonderbare Verhalten wird als rĂŒcklĂ€ufige Bewegung bezeichnet und war tatsĂ€chlich schon viele Jahrtausende vor PtolemĂ€us bekannt. Bereits in der Ă€gyptischen Hochkultur wurde der Mars als »der rĂŒckwĂ€rts Wandernde« beschrieben. PtolemĂ€us stimmte mit Aristoteles darin ĂŒberein, dass die Planeten um eine stationĂ€re Erde kreisten. Um die rĂŒcklĂ€ufige Bewegung zu erklĂ€ren, sah er sich daher gezwungen, die Planeten auf kleine exzentrische Scheiben zu setzen, die wiederum auf den rotierenden SphĂ€ren saßen. Mit diesem ziemlich komplizierten Modell ließ sich die Bewegung der Planeten am Nachthimmel beschreiben, auch wenn sie bei weitem nicht elegant war. Die richtige ErklĂ€rung der rĂŒcklĂ€ufigen Planetenbewegung lieferte erst Nikolaus Kopernikus in der Mitte des 16. Jahrhunderts. Er schlug die elegantere (und richtige) ErklĂ€rung vor, wonach die Erde nicht im Mittelpunkt des Universums ruht, sondern in Wirklichkeit zusammen mit den anderen Planeten die Sonne umrundet. Kopernikus’ Arbeit zog Kritik auf sich und wurde erst 1835 von der Katholischen Kirche aus dem »Verzeichnis der verbotenen BĂŒcher« gestrichen. PrĂ€zisionsmessungen von Tycho Brahe und die Arbeiten von Johannes Kepler, Galilei und Newton zeigten letztlich nicht nur, dass Kopernikus Recht hatte, sondern mĂŒndeten in einer Theorie der Planetenbewegung durch Newtons Bewegungsgesetze und das Gravitationsgesetz. Diese Gesetze blieben bis 1915 unangefochten unsere beste Vorstellung von der Bewegung wandelnder Planeten und ĂŒberhaupt der Bewegung aller Körper unter dem Einfluss der Schwerkraft – von rotierenden Galaxien bis zu Artilleriegeschossen. Dann kam Einsteins Allgemeine RelativitĂ€tstheorie hinzu.
Diese sich kontinuierlich verĂ€ndernde Vorstellung von der Position der Erde, der Planeten und ihrer Bewegung am Himmel sollte jedem als Warnung dienen, der absolut davon ĂŒberzeugt ist, etwas zu wissen. Es gibt viele Dinge in der Welt, die auf den ersten Blick offensichtlich wahr sind – eines davon ist, dass wir gerade stillstehen. KĂŒnftige Beobachtungen können uns jederzeit ĂŒberraschen und tun das oft auch. Vielleicht sollten wir nicht zu ĂŒberrascht sein, wenn die Natur nicht eingĂ€ngig zu sein scheint fĂŒr einen Stamm beobachtender, kohlenstoff-basierter Nachfahren von Affen, die auf der OberflĂ€che eines Gesteinsplaneten leben, der einen durchschnittlichen Stern mittleren Alters umrundet und in den Randbereichen des Milchstraßensystems liegt. Die Theorien von Raum und Zeit, die wir in diesem Buch diskutieren, werden sich eventuell – eher wahrscheinlich – als NĂ€herungen einer bislang unbekannten, umfassenderen Theorie erweisen. Die Wissenschaft ist eine Disziplin, die Unsicherheit zelebriert. Das zu erkennen, ist der SchlĂŒssel zum Erfolg.
Galileo Galilei wurde 20 Jahre, nachdem Kopernikus sein Modell des Universums mit der Sonne im Mittelpunkt vorschlug, geboren. Galilei dachte intensiv ĂŒber die Bedeutung der Bewegung nach. Seine Intuition war wahrscheinlich dieselbe wie die unsrige: Die Erde wirkt auf uns, als ob sie stillsteht, obwohl die Bewegung der Planeten am Himmel ziemlich stark die Vorstellung stĂŒtzt, dass die Erde nicht ruht. Galileis große Erkenntnis war, aus diesem scheinbaren Widerspruch einen fundierten Schluss zu ziehen. Es sieht aus, als ob wir ruhten, obwohl wir wissen, dass wir uns auf einer Umlaufbahn um die Sonne bewegen, denn es gibt – selbst prinzipiell – keine Möglichkeit, festzulegen, was ruht und was sich bewegt. Anders gesagt macht es immer nur Sinn von Bewegung zu sprechen, wenn es sich um eine Bewegung relativ zu etwas anderem handelt. Das ist eine unglaublich wichtige Vorstellung! In gewisser Weise mag sie offensichtlich sein, aber um ihre Tragweite vollstĂ€ndig zu verstehen, ist Nachdenken erforderlich. Die Vorstellung ist natĂŒrlich offensichtlich, wenn Sie mit Ihrem Buch im Flugzeug sitzen: Relativ zu Ihnen bewegt sich das Buch nicht. Wenn Sie es vor sich auf den Tisch legen, bleibt es dort in unverĂ€nderlicher Entfernung. Und natĂŒrlich bewegt sich das Buch aus der Perspektive eines Betrachters am Boden zusammen mit dem Flugzeug durch die Luft. Die wahre Bedeutung von Galileis Erkenntnis ist, dass die getroffenen Aussagen die einzigen sind, die man treffen kann. Und wenn Sie ĂŒber das Buch nur sagen können, wie es sich relativ zu Ihnen im Flugzeugsitz bewegt, oder relativ zum Boden, oder relativ zur Sonne, oder relativ zur Milchstraße, dann ist die absolute Bewegung eine ĂŒberflĂŒssige Vorstellung.
Diese ziemlich provokante Behauptung klingt vordergrĂŒndig so profund, wie das bei kryptischen Äußerungen von Wahrsagern hĂ€ufig der Fall ist. Diesmal erweist sie sich jedoch als große Erkenntnis; Galilei gebĂŒhrt Anerkennung. Um zu verstehen warum, nehmen wir an, dass wir ergrĂŒnden wollen, ob das bestimmte Koordinatensystem von Aristoteles, mit dem wir unterscheiden könnten, ob sich etwas absolut bewegt, aus wissenschaftlicher Sicht nĂŒtzlich ist. NĂŒtzlich in wissenschaftlichem Sinne heißt, dass die Vorstellung beobachtbare Folgen hat. Das bedeutet, dass es eine Auswirkung hat, die sich experimentell feststellen ließe. Mit »experimentell« meinen wir irgendeine Messung von ĂŒberhaupt irgendetwas – das Schwingen eines Pendels, die Farbe des Lichts, das eine brennende Kerze abstrahlt, oder die Kollisionen subatomarer Teilchen im Large Hadron Collider am CERN (auf dieses Experiment werden wir spĂ€ter zurĂŒckkommen). Wenn es von einer Vorstellung keine beobachtbaren Folgen gibt, dann ist diese Vorstellung nicht erforderlich, um das Funktionieren des Universums zu verstehen – auch wenn sie eine Art von fantastischem Wert hĂ€tte, durch den wir uns besser fĂŒhlen.
Das ist in einer Welt voller unterschiedlicher Vorstellungen und Meinungen eine ziemlich wirkungsvolle Methode, um die Spreu vom Weizen zu trennen. Mit seiner Analogie von der chinesischen Teekanne verdeutlichte der Philosoph Bertrand Russell, wie sinnlos es ist, an Auffassungen festzuhalten, die keine beobachtbaren Folgen haben. Russell behauptete in der Analogie, er glaube, dass eine kleine chinesische Teekanne zwischen Erde und Mars um die Sonne kreise, die zu klein sei, um sie selbst mit dem leistungsfĂ€higsten Fernrohr entdecken zu können. Nachdem ein grĂ¶ĂŸeres Fernrohr gebaut wurde und eine erschöpfende, zeitaufwĂ€ndige Suche am gesamten Himmel keine Hinweise auf die Teekanne lieferte, wĂŒrde Russell behaupten, dass die Teekanne etwas kleiner als erwartet sei – aber immer noch da. LandlĂ€ufig nennt man das »die Spielregeln nachtrĂ€glich verĂ€ndern«. Selbst wenn die Teekanne niemals beobachtet wird, wĂ€re es laut Russell »eine unertrĂ€gliche Anmaßung« seitens der Menschheit, die Existenz der Teekanne zu bezweifeln. Gewiss sollte der Rest der Menschheit diese Sichtweise respektieren, egal wie grotesk sie wirkt. Der Punkt ist: Russell will niemandem verbieten, mit einer persönlichen TĂ€uschung zu leben, vielmehr hĂ€lt er das bloße Formulieren einer Theorie in dem Sinne fĂŒr zwecklos, weil es einen nichts lehrt, egal wie leidenschaftlich man daran glaubt. Sie können nach eigenem GutdĂŒnken einen beliebigen Gegenstand oder eine beliebige Idee erfinden, aber wenn es keine Möglichkeit gibt, seine oder ihre Folgen zu beobachten, haben Sie keinen Beitrag zum wissenschaftlichen VerstĂ€ndnis des Universums geleistet. Ebenso wĂŒrde die Vorstellung einer absoluten Bewegung in einem wissenschaftlichen Zusammenhang nur etwas bedeuten, wenn wir ein Experiment ersinnen, mit der wir die absolute Bewegung nachweisen könnten. Zum Beispiel könnten wir ein Physiklabor in einem Flugzeug aufbauen und hochgenaue Messungen an jedem denkbaren physikalischen PhĂ€nomen durchfĂŒhren – in einem tapferen letzten Versuch, unsere absolute Bewegung nachzuw...

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