Die vorliegende Arbeit hat es sich zum Ziel gesetzt, die baulich-technische Gestaltung und Strukturierung der landwirtschaftlichen Produktionsanlagen und -rĂ€ume römischer Villen in Italien sowie ihre Rolle in der Konzeption und Planung des VillengebĂ€udes als Ganzes zu untersuchen. Die Frage ist dabei, inwiefern produktive Prozesse und ArbeitsablĂ€ufe in der Gestaltung der VillengebĂ€ude berĂŒcksichtigt wurden und welche technischen Möglichkeiten in diesem Rahmen zum Einsatz kamen. Gerade das rĂ€umliche VerhĂ€ltnis der WirtschaftsrĂ€ume zu den teils luxuriös ausgestatteten Wohnarealen der Villen ist in diesem Zusammenhang von Interesse. Mit Blick auf ihre beiden grundlegenden Bauaufgaben steht damit also die Frage im Mittelpunkt, welche rĂ€umlich-strukturellen Lösungen gewĂ€hlt wurden, um den funktionalen Spagat zwischen einem landwirtschaftlichen Nutzbau und einem lĂ€ndlichen Wohnsitz architektonisch umzusetzen.
1.1 Zum Villenbegriff der Untersuchung
Vor dem Einstieg in die Untersuchung ist jedoch zunĂ€chst festzuhalten, was innerhalb der vorliegenden Arbeit unter dem Begriff Villa verstanden und als solche angesprochen wird. Der antike Terminus villa bezeichnet in seiner einfachsten Bedeutung einen alleinstehenden Wohnbau auĂerhalb der Stadt mit zugehörigem Grundbesitz (fundus oder praedium). 4 Sie bildet in diesem Sinne das GegenstĂŒck zur urbanen domus. 5 Mit dem Begriff wurde im Laufe der römischen Geschichte eine Vielzahl lĂ€ndlicher Siedlungsformen angesprochen, 6 wobei die Vielseitigkeit des Begriffes bereits den Zeitgenossen bewusst war. 7 Die lateinischen Agrarschriftsteller Cato der Ăltere, Varro und Columella, die einige der ausfĂŒhrlichsten Betrachtungen zur Villa ĂŒberliefern, unternahmen dabei alle die gedankliche Trennung zwischen einem Wohnaspekt und einem Wirtschaftsaspekt. 8 Andere Autoren wie Cicero oder Plinius der JĂŒngere zeichnen wiederum ein stark auf die MuĂe der aristokratischen Oberschicht ausgelegtes Bild. 9 Das VerstĂ€ndnis und die Vorstellungen zum Begriff villa war also im Verlauf der römischen Geschichte einerseits gesellschaftlichen VerĂ€nderungen unterworfen, gleichzeitig aber auch von der Perspektive und Erfahrungswelt des jeweiligen Autors bestimmt. 10 Diesem schriftlich tradierten Bild der Villa steht ein Ă€uĂerst umfangreicher und in gleicher Weise diverser archĂ€ologischer Befund gegenĂŒber. Der Versuch eine allgemein tragfĂ€hige und gleichzeitig fĂŒr die Ansprache der diversen materiellen Hinterlassenschaften geeignete Vorstellung oder gar prĂ€zise Definition des Begriffes Villa zu finden, steht daher vor nicht zu unterschĂ€tzenden Schwierigkeiten. 11
Zu Recht wurde gerade in jĂŒngerer Zeit darauf hingewiesen, dass die verschiedenen Erscheinungen, die mit dem Begriff Villa in Verbindung zu bringen sind, als Teile und PhĂ€nomene eines sozioökonomischen Gesamtsystems eng miteinander in Beziehung standen. 12 Gleichzeitig kann es aber nicht zielfĂŒhrend sein, die umfang- und variationsreiche archĂ€ologische Ăberlieferung römischer Villen aus verschiedenen Regionen der römischen Welt mit soziokulturell sehr heterogener PrĂ€gung, 13 subsumiert innerhalb eines gesamtheitlichen Modells zu untersuchen. Dies wird der Vielseitigkeit des archĂ€ologischen Materials zum einen nicht gerecht, 14 zum anderen verbaut ein solches VerstĂ€ndnis aber auch wertvolle Möglichkeiten des Erkenntnisgewinns, die sich gerade aus dieser HeterogenitĂ€t ergeben.
Entsprechend folgt die vorliegende Untersuchung einem Ansatz, der der DiversitĂ€t der archĂ€ologischen Ăberlieferung Rechnung trĂ€gt und anhand unterschiedlicher Kategorien zu systematisieren sucht. Unter den verschiedenen Möglichkeiten die LandgĂŒter anhand ihrer Architekturform, ihrer topografischen und geografischen Lage oder ihrer Bauaufgabe zu differenzieren, 15 ist die vorliegende Untersuchung aufgrund ihrer Fragestellung dabei vor allem mit dem Problem einer funktionalen Kategorisierung der Villen konfrontiert. Innerhalb der altertumswissenschaftlichen Forschung werden ĂŒblicherweise landwirtschaftliche Betriebe (Farmen, Gutshöfe, villae rusticae) und Landsitze ohne agrarische Funktion (villa urbanae bzw. Otiumvillen) differenziert. 16 Dieser grundlegenden Unterscheidung folgt auch die vorliegende Untersuchung.
Allerdings werden die verschiedenen zur Differenzierung herangezogenen Termini und Kategorien innerhalb der Forschung nicht einheitlich verwendet. 17 Als problematisch erweist sich dabei gerade der RĂŒckgriff auf schriftlich ĂŒberlieferte Begriffe, mit denen explizit oder implizit bestimmte historische PhĂ€nomene, aber auch soziale Gruppen und Praktiken verbunden sind, die die Betrachtungen bereits in eine bestimmte interpretative Richtung lenken. 18 Die jĂŒngere Villenforschung steht dieser Kategorisierung daher kritisch gegenĂŒber. 19
Diesen Ăberlegungen Rechnung tragend, verzichtet die vorliegende Studie auf eine Ansprache und Kategorisierung von villae rusticae oder villae urbanae. Eine auf quantitative, qualitative oder soziale Parameter abzielende Unterscheidung der lĂ€ndlichen GebĂ€ude in Gehöfte 20/Bauernhöfe, Farmen und Rusticavillen wird nach Möglichkeit ebenfalls vermieden. Die entsprechenden Kategorien erweisen sich als sehr dehnbar, sind nur schwer an eindeutige Indizien in den archĂ€ologischen Befunden der LandgĂŒter zu binden und eignen sich daher letztlich nicht zur Systematisierung der Bauten. 21 Der Verzicht auf diese Differenzierung der LandgĂŒter ist auch direkt aus der Materialbasis der Arbeit heraus begrĂŒndbar. Der Fokus der vorliegenden Untersuchung liegt auf den landwirtschaftlichen Installationen und RĂ€umen der LandgĂŒter. Wie das hier gesammelte Material zeigt, sind derartige Anlagen in Baukomplexen unterschiedlichster GröĂe und Ausstattung zu finden. Die grundlegende technische Ausstattung und die Konzeption der landwirtschaftlichen Anlagen erweisen sich dabei aber als unabhĂ€ngig von den beiden genannten Merkmalen. 22 Die sozialen Implikationen, die mit beiden Faktoren zu verbinden sind, waren in dieser Hinsicht also nicht von vorrangigem Belang. 23
Um also eine möglichst neutrale Herangehensweise zu gestatten, wird unter dem Begriff Villa hier in einem sehr allgemeinen Sinn ein extraurbanes WohngebÀude verstanden. Soll im Folgenden auf die spezifische Aufga...