Nicholas of Cusa
eBook - ePub

Nicholas of Cusa

A Medieval Thinker for the Modern Age

  1. 288 pages
  2. English
  3. ePUB (mobile friendly)
  4. Available on iOS & Android
eBook - ePub

Nicholas of Cusa

A Medieval Thinker for the Modern Age

Book details
Book preview
Table of contents
Citations

About This Book

Nicholas of Cusa (1401 64), doctor of canon law, church politician and philosopher, was one of the most important thinkers of 15th century Europe. This year marks the sixth centenary of his birth. Scholars from round the globe gathered in Tokyo for the 19th Cusanus Congress last year; this volume makes their contributions more widely available. Major themes examined include tradition and innovation, religion, the relevance of Nicholas of Cusa's thought for today, the relationship between East and West in his thought, and the development of his thought and scholarship as we enter a new millennium. Multilingual text: English, German, French.

Frequently asked questions

Simply head over to the account section in settings and click on “Cancel Subscription” - it’s as simple as that. After you cancel, your membership will stay active for the remainder of the time you’ve paid for. Learn more here.
At the moment all of our mobile-responsive ePub books are available to download via the app. Most of our PDFs are also available to download and we're working on making the final remaining ones downloadable now. Learn more here.
Both plans give you full access to the library and all of Perlego’s features. The only differences are the price and subscription period: With the annual plan you’ll save around 30% compared to 12 months on the monthly plan.
We are an online textbook subscription service, where you can get access to an entire online library for less than the price of a single book per month. With over 1 million books across 1000+ topics, we’ve got you covered! Learn more here.
Look out for the read-aloud symbol on your next book to see if you can listen to it. The read-aloud tool reads text aloud for you, highlighting the text as it is being read. You can pause it, speed it up and slow it down. Learn more here.
Yes, you can access Nicholas of Cusa by Kazuhiko Yamaki, Kazuhiko Yamaki in PDF and/or ePUB format, as well as other popular books in Literature & Medieval & Early Modern Literary Criticism. We have over one million books available in our catalogue for you to explore.

Information

Publisher
Routledge
Year
2013
ISBN
9781136872334
Edition
1
PART I
Tradition and Innovation in Cusanus’ Thought
CHAPTER ONE
Größe und Grenzen der menschlichen Vernunft (intellectus) nach Cusanus
Klaus Kremer
§ 1 ZUR GRÖßE DER MENSCHLICHEN VERNUNFT
I Die Unterscheidung vom Verstand (ratio)
1. Nihil in ratione, quod prius non fuit in sensu
Cusanus unterscheidet sicher nicht immer streng zwischen Verstand (ratio) und Vernunft (intellectus). So heißt es z.B. im Sermo CLXXXIX (183), daß wir nichts anderes ersehnen als die vita perpetua rationalis seu intellectualis.1 Wenige Zeilen später schreibt er: ‘Es ist nötig, daß das vernünftige Leben (vita rationalis) von Dir, meinem Gott, von dem es hat, daß es Leben ist, gestärkt werde. Aber was stärkt das vernünftige Leben (rationalem vitam), wenn nicht eine vernunfthafte Speise (cibus intellectualis), welches die unvergängliche Speise ist, die [ihrerseits] jenes Wort ist, das meinen Geist ins Sein gerufen hat. Jenes Wort ist daher die unendliche ratio, die meine ratio aus dem Nichts zum Sein der ratio gerufen hat. Einzig die Weisheit vermag daher meine ratio vor jedem Untergang und dem Tod zu bewahren. Durch sie bin ich das, was ich bin.’2
Diese nicht selten anzutreffende Promiskuität im Gebrauch von ratio und intellectus darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, daß in den Augen des Cusanus der intellectus der ratio qualitativ überlegen ist. Im gerade zitierten Sermo CLXXXIX heißt es gleich zu Anfang: ‘Kein Sinn ist vornehmer als der Gesichtssinn (visu), so wie keine Potenz der Seele vornehmer als die Vernunft (intellectu) ist.’3
Eine deutliche Zäsur zwischen ratio und intellectus setzt die Schrift De mente mit ihrer Aussage: ut nihil sit in ratione, quod prius non fuit in sensu.4 Die Annahme dagegen, daß nichts in die Vernunft fallen könne, was nicht auch in den Verstand falle, führe zu der Folgerung, daß nichts in der Vernunft sein könne, was nicht zuvor im Sinn gewesen sei.5 Das ziehe aber unannehmbare Konsequenzen nach sich, wie Cusanus darlegt.6 Wenn sich nun trotzdem mehrfach der Satz, daß nichts im Intellekt sei, was nicht zuvor im Sinn gewesen ist, bei Cusanus belegen läßt,7 so dürfte das, worauf ich früher hingewiesen habe,8 verbale Abhängigkeit von Thomas’ Schrift De veritate sein, die Cusanus kannte und benutzt hat. Auch des Cusanus nähere Ausdeutung dieses auf den intellectus angewandten Axioms in De visione Dei zeigt, daß die Vernunft ihre Erkenntnisinhalte nicht aus der Sinneserfahrung schöpft.9
2. Die Vernunft beansprucht keinen Arteriengeist mehr, sondern sie selbst ist ihr Instrument
Im Gegensatz zu sensus, imaginatio und auch ratio ist die Vernunft nicht mehr auf Arteriengeister angewiesen, sondern bedient sich ihrer selbst als Instrument.10 Im Erkenntnisvorgang bezieht sie sich daher nicht mehr wie der Verstand auf die res sensibiles, sondern auf die reinen Formen, wie sie nicht mehr in die Materie eingetaucht, sondern in und durch sich sind. Sie erfaßt die unveränderlichen Wesenheiten der Dinge, von denen sie Angleichungen (assimilationes) schafft.11 Der Kreis sei z.B. eine Figur, von dessen Zentrum alle Linien in gleichmäßigem Abstand zur Peripherie geführt seien. Ein außerhalb des Geistes in der Materie gegebener Kreis könne diese Bestimmung niemals erfüllen; es sei nämlich unmöglich, zwei ganz gleiche Linien in welcher Materie auch immer anzutreffen, und noch weniger sei es möglich, einen solchen (idealen) Kreis in einer Figur darzustellen. Der Kreis im Geist ist daher Urbild und Maß der Wahrheit des Kreises auf einem Fußboden. Daher ist zu sagen, daß die Wahrheit der Dinge im Geist ist, und zwar in der Notwendigkeit der Verknüpfung (in necessitate complexionis), nämlich in der Weise, wie es die Wahrheit des Dinges erfordert.12
3. Die Vernunft ist die Beurteilungsinstanz für die Verstandesgründe
Die Vernunft beurteilt die Verstandesgründe, wogegen der Verstand niemals die Vernunftgründe zu beurteilen vermag. Bei Erörterung der Frage, ob der menschliche Geist unsterblich sei, führt Cusanus im Sermo CCLXXXVIII (285)13 aus: ‘Beachte, der Intellekt (intellectus) schaut auf die Verstandeserkenntnisse (rationes) und beurteilt, welche Verstandeserkenntnis wahr ist, welche auf die Unsterblichkeit schließt und welche nicht. Er sieht (videt) daher seine Unsterblichkeit, wenn er sieht, daß die eine Verstandeserkenntnis näher an deren Erfassung herankommt als eine andere und daß sie (die Unsterblichkeit) in der einen genauer (praecisius) widerstrahlt und gezeigt wird als in der anderen. Dieses Urteil könnte die Vernunft aber nicht haben, wenn sie die Unsterblichkeit ihrer selbst ganz und gar nicht sähe (non videret)…’
In De mente nimmt Cusanus nach Ablehnung der platonischen notiones concreatae eine vis iudiciaria menti naturaliter concreata an, die sowohl die Verstandesgründe (de rationibus) beurteilt als auch richtet (iudicat), was gut, gerecht und wahr ist.14 Auch wenn Cusanus diese vis iudiciaria nicht ausdrücklich Vernunft nennt, so ist doch der Level der Vernunft angesprochen. Die Vernunft avanciert damit in den Rang einer Richterin (iudex)15 und einer Waage (statera).16 Diese richterliche Hoheit der Vernunft gegenüber dem Verstand ist natürlich auch in der Schrift De coniecturis impliziert, wenn sich die Vernunft als ontologischer und gnoseologischer Grund des Verstandes ausweist. ‘Wenn daher alle Fragen,’ schreibt Cusanus, ‘die aus dem suchenden Verstand (ratione) hervorgehen, all ihr Sein von der Intelligenz (intelligentia) hernehmen, [dann] kann keine Frage über die Intelligenz gestellt werden, in der diese nicht schon als Voraussetzung widerleuchtete. Wenn der Verstand über die Intelligenz Untersuchungen anstellt, die ( = intelligentia) er durch kein sinnenhaftes Zeichen begreift, wie könnte er dann diese Untersuchung beginnen ohne das anregende Licht der Intelligenz, das ihn bestrahlt. Es verhält sich daher die Intelligenz zum Verstand wie Gott selbst zur Intelligenz.’17 Das aus dem Neuplatonismus übernommene Schema vom Ab- und Aufstieg erläutert dies ebenfalls.18
4. Ineinsfall der Gegensätze und belehrte Unwissenheit
In dem aufschlußreichen Brief des Cusanus an die Mönche in Tegernsee vom 14. September 1453,19 der uns später noch beschäftigen wird, geht Cusanus auf die Schrift De mystica theologia des Pseudo-Areopagiten an Timotheus ein. Dionysius wende in der Theologie bald den affirmativen, bald den negativen Weg zu Gott an. In der vorliegenden Schrift überspringe er diese Disjunktion und gehe über jede Wegnahme (ablacionem) und Setzung (posicionem) hinaus bis dorthin, wo die Wegnahme mit der Setzung und die Negation mit der Affirmation koinzidiere. ‘Das ist jene geheimste (secretissima) Theologie, zu welcher keiner der Philosophen gelangt ist und auch nicht gelangen konnte, solange das allgemeine Prinzip der Philosophie festgehalten wird, nämlich daß zwei Kontradiktoria nicht in eins fallen. Der mystisch Theologisierende müsse hingegen jeden Verstand und die Vernunft übersteigen, … sich in die Dunkelheit stürzen und dann werde er finden, daß das, was der Verstand (racio) als unmöglich beurteilt, nämlich daß Sein und Nichtsein zugleich [seien], die Notwendigkeit selbst ist. Ja, würde eine solche Dunkelheit der Unmöglichkeit und eine [solche] Dichtheit (densitas) nicht gesehen werden, dann bestünde die höchste Notwendigkeit nicht, die jener Unmöglichkeit nicht widerspricht; vielmehr ist die Unmöglichkeit die wahre Notwendigkeit selbst’.
Was es hier mit dem Überstieg sogar über die Vernunft (intelligenciam) auf sich hat, soll vorerst außer Betracht bleiben. Entscheidend ist die Feststellung, daß der Verstand die Koinzidenz der Kontradiktoria für unmöglich erachtet, nicht dagegen die Vernunft. Cusanus exemplifiziert an anderer Stelle die Ohnmacht des Verstandes gegenüber der Koinzidenz der Gegensätze wiederum am Kreis mit seinen Komponenten Zentrum, Peripherie und den gleich langen Linien vom Zentrum zur Peripherie. Wie jedes Tier seine ihm eigene Form des Diskurses habe – der Jagdhund beispielsweise benutze den ihm eingepflanzten Diskurs beim Zusammentreffen mit den ihm durch seine Sinneserfahrung gegebenen Spuren, um so die gesuchte Beute zu erreichen –, so sei auch dem Menschen in der Logik die ihm eigene Form des Diskurses gegeben. Die dafür zuständige Instanz im Menschen ist der Verstand. Denn so lehre uns der arabische Philosoph Algazel: Die Logik ist uns von Natur aus eingegeben; sie ist nämlich eine Kraft der ratio.20 Zur ratio bzw. ratiocinatio gehöre aber das quaerere et discurrere.21 ‘Ein Diskurs ist,’ erläutert Cusanus, ‘notwendigerweise begrenzt zwischen den Ausgangspunkten und dem Zielpunkt, und dieses einander Gegenüberstehende (adversa) heißen wir Kontradiktoria… Aber in der Region der Vernunft (intellectus), die sieht, daß in der Einheit die Zahl eingefaltet ist, und im Punkt die Linie und im Zentrum der Kreis, [dort] wird die Koinzidenz von Einheit und Vielheit, Punkt und Linie, Mittelpunkt und Umfang durch eine Schau des Geistes ohne Diskurs berührt, wie Du in den Büchern von De coniecturis sehen konntest, wo ich dargelegt habe, daß Gott sogar über (super) der Koinzidenz der kontradiktorischen Gegensätze sei, da er gemäß Dionysius die Entgegensetzung des Entgegengesetzten sei.’22
Ist der Verstand daher wesentlich durch Hin- und Herlaufen (discurrere) bestimmt, so die Vernunft durch Sehen (videre).23 In diesem Sehen vermag sie die Koinzidenz sogar der Kontradiktoria zu berühren (attingitur)24 wie der Vernunft auch die docta ignorantia zugeordnet ist. Im Hinblick auf Johannes Wenck läßt der Schüler den Meister in der Apologia die Mahnung aussprechen zu beachten, daß die docta ignorantia jemanden zu einer Schau (visionem) erhebe, die der von einem hohen Turm aus ermöglichten gleiche. ‘Wer dort konstituiert ist, sieht (videt) das, was durch den unten über das Feld Umherstreifenden auf verschiedenen Wegen (discurso vario), Spuren folgend, gesucht wird; er erblickt auch, inwieweit der Suchende sich dem Gesuchten annähert oder sich von ihm entfernt. So urteilt die belehrte Unwissenheit, die in der hohen Region der Vernunft existiert, über die diskursive Denkbewegung.’25 Auf dem Weg zu Gott muß daher der Verstandesgeist (spiritus rationis) be...

Table of contents

  1. Cover
  2. Half Title
  3. Title Page
  4. Copyright Page
  5. Table of Contents
  6. Preface
  7. List of Contributors
  8. Abbreviations
  9. Welcome Message: ‘Una religio in rituum varietate’
  10. PART I TRADITION AND INNOVATION IN CUSANUS’ THOUGHT
  11. PART II CUSANUS AND RELIGION
  12. PART III CONTEMPORARY MEANING OF CUSANUS’ THOUGHT
  13. Subject Index
  14. Index of Names
  15. Index of Places
  16. Index of Cusanus’ Cited Works