Tierethik als Ethik des Artenschutzes
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Tierethik als Ethik des Artenschutzes

Chancen und Grenzen

Clemens Wustmans

  1. 190 Seiten
  2. German
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Tierethik als Ethik des Artenschutzes

Chancen und Grenzen

Clemens Wustmans

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Über dieses Buch

Gegenwärtig vorherrschenden tierethischen Diskursen wird ein theologisch eigenständiges, verantwortungsethisches Konzept entgegengestellt, das einen Richtungswechsel intendiert: Die Frage stellt sich dann nicht mehr nach der Personalität des Tiers als Individuum, sondern nach Begründungszusammenhängen und Möglichkeiten zum Erhalt von Biodiversität. Ziel ist es somit, Bewahrung der Schöpfung in dem Maß zu gestalten, dass Ökosysteme und genetische Varianz in möglichst großer Zahl erhalten bleiben.Anschließend wird nach bereichsethischen Konkretionen gefragt und aufgezeigt, wie auf Grundlage des zuvor entwickelten Ansatzes eine Urteilsbildung in verschiedenen Konfliktsituationen möglich ist. Abschließend wird die Arbeit im größeren kulturwissenschaftlichen Kontext des "Animal Turn" verortet.

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Information

Jahr
2015
ISBN
9783170256415

III. Ein Entwurf kriterialer Verantwortung im Rahmen theologischer Tierethik

Die Diskussion der vorliegenden Modelle zu tierethischen Überlegungen führt in Summe zu erheblichen Kritikpunkten, sie erscheinen zumindest in Teilen unbrauchbar, eine nachvollziehbare, konsistente, vertretbare Tierethik zu begründen.
Die Hauptkritik lässt sich auf zwei Ebenen bündeln: Zunächst entwickelt keiner der vorgestellten Ansätze eine logisch unangreifbare Kriteriologie. Eine anthropozentrische Argumentation im Kant’schen Sinne erscheint als zu schwach, das bei Schopenhauer vorgestellte (und bei Ursula Wolf modifiziert aufgegriffene) Konzept einer Mitleidsethik als zu vage, um als Grundlage einer abstrahierbaren Ethik zu gelten. Gleiches gilt für Schweitzer, dessen Ansatz der Ehrfurcht vor dem Leben als Gesinnungsethik verstanden werden muss, die kaum über das Dilemma der konkreten Situation hinausweist.
Die pathozentrische Argumentation Peter Singers scheitert grundlegend daran, dass sie letztlich nur eine Verschiebung der „biologischen Hierarchie“ erreicht; statt der Unterscheidung „Mensch oder Tier?“ wird die Frage aufgeworfen, ob Personalität zugesprochen werden kann. Die dadurch auftretenden immensen Folgen für die Abwertung bestimmter, als „defizitär“ gesehener Menschen ist nicht nur mit christlicher Anthropologie nicht in Einklang zu bringen, sondern auch für die gerade bei pathozentrisch argumentierenden Autoren so oft in die Diskussion geführte „Intuition“ des Menschen – außerhalb der Tierrechtsdiskurse im engeren Sinne – kaum nachvollziehbar. Es überrascht, dass Singer das Potenzial zu schärfster Kritik an den praktischen Konsequenzen seiner Ethik offenbar kaum erahnt hat. Trotz des von ihm eingeführten Moments des „inhärenten Werts“ verfängt sich Regan letztlich mit seiner Unterscheidung von „moral agents“ und „moral patients“ in derselben kritikwürdigen Klassifizierung wie Singer.
Die pathozentrisch angelegten Argumentationen Jean-Claude Wolfs und Ursula Wolfs bergen das Problem, dass sie kriteriologisch durch die Vermeidung der Personenfrage kaum nachvollziehbar erscheinen lassen, weshalb die reduzierte pathozentrische Argumentation auch für Tiere gelten solle; das bei Ursula Wolf von Schopenhauer aufgegriffene Element des Mitleids vermag dieses Defizit nur bedingt auszugleichen.
Darüber hinaus findet sich eine zweite Ebene der Kritik, die gegen alle vorgestellten Ansätze gemeinsam anzuführen ist: Letztlich schaffen sie es, wie in den entsprechenden Kapiteln dargelegt, nicht, eine tatsächliche Überwindung der Anthropozentrik zu erreichen; die postulierte Ausrichtung auf eine pathozentrische Argumentation lässt sich weder bei Regan noch bei Jean-Claude Wolf oder Ursula Wolf nachweisen – und eben auch nicht bei Singer, der sich in seiner Orientierung am gesunden, erwachsenen Menschen dem von ihm eingebrachten Vorwurf des Speziezismus auch mit seiner eigenen Ethik aussetzen muss. Am deutlichsten scheint das Problem bei Schweitzer zu bestehen, dessen in der Regel als biozentrische Ethik rezipierter Entwurf kaum als solcher aufgefasst werden kann; immerhin muss Schweitzer zugestanden werden, dass er selbst eine solche Einordnung nicht vornimmt. Wie schwer die vorgebrachte Kritik an einer nur vermeintlichen Überwindung der Anthropozentrik wiegt, ist zweifelsohne eine Frage der Abwägung: Es ist auf den ersten Blick nur eine Frage von Nuancen, zwischen diesem Vorwurf und einer für alle menschliche Ethik geltenden Anthroporelationalität zu unterscheiden. Gerade in der Nichtberücksichtigung dem menschlichen Verstehen zunächst entzogener, vollkommen anders organisierter Lebenswirklichkeit und Weltwahrnehmung von Tieren scheint jedoch ein starkes Argument zu liegen, auch den pathozentrisch argumentierenden Ethikern den „Vorwurf“ der Anthropozentrik machen zu müssen: Schimpansen und andere Große Menschenaffen kommen lediglich menschlicher Intelligenz und Konstitution am nächsten.
Daraus ergibt sich die entscheidende Frage, ob eine Tierethik, auch wenn sie über das Modell lediglich indirekter Pflichten oder einzufordernden Mitleids hinauszureichen strebt, zwangsläufig zunächst anthropozentrische Denkweisen überwinden muss, wie es in den Tierrechtsdiskursen der vergangenen Jahre und Jahrzehnte scheinbar erste Prämisse ist. Diese Arbeit verneint dies.
Für die Entwicklung einer gewinnbringenden Tierethik ist neben einer Orientierung an den in den biblischen Texten geäußerten Annahmen über die Beziehung von Mensch und Tier eine Ausrichtung an einem Modell kriterialer Verantwortung grundlegend. Bereits Ursula Wolf hat mit ihren Ausführungen dem Anspruch einer absoluten Ethik im Hinblick auf die Tierethik prinzipiell eine Absage erteilt; sowohl die Fragen der Tierhaltung, als auch die Ausgabe von Handlungsmaximen im Konflikt von Mensch und Tier bzw. ihre Konkurrenz um Ressourcen wie Raum oder Nahrung können kaum abschließend und allgemein gültig bewertet werden. Wo differierende Wirklichkeiten ernst genommen und so ein Transfer in den praktischen Vollzug ermöglicht werden soll, muss die Basis aus einer relativen, der Situation angemessenen Ethik bestehen.197 Hierfür eignet sich das Modell der Verantwortungsethik nach Dietrich Bonhoeffer. Um zugleich den Ansprüchen an eine stringente und zugleich umsetzbare Kriteriologie zu genügen, soll diese in zwei weitere systematisch-theologische Betrachtungen eingebettet werden: Der Ethik Hans Jonas’ wird das Motiv der Verantwortung entlehnt, das als formales Feld die Grundlage des Ethikentwurfs bilden soll. In einem nächsten Schritt werden dann Kriterien aufgestellt, anhand derer das entwickelte Verantwortungsmoment konkretisiert wird. Hierzu wird aus der Theologie Karls Barths, für Bonhoeffer auch zeitgenössisch wichtiger Referenzpunkt, das Motiv des Gebots als Orientierungsmaßstab herangezogen.
In einem weiteren Schritt gilt es dann zu klären, auf welches ethische Gut sich die entwickelte Kriteriologie ausrichtet; es wird eine Differenzierung zwischen Tierschutz und Artenschutz, also der Verfolgung von Interessen des Individualtierschutzes oder des Schutzes von Biodiversität, vorgenommen, kritisch hinterfragt und im Hinblick auf ihre materiale Anwendbarkeit gegen bestimmte Sachthemen der Tierethik abgegrenzt.

III.1. Biblisch-Theologische Grundannahmen für eine Tierethik

Da die vorliegende Arbeit den Entwurf einer theologischen Tierethik darstellen soll, gilt es im Folgenden zunächst, biblisch-theologische Grundannahmen einer Tierethik herauszuarbeiten, wie sie vor allem im Alten Testament zu finden sind.
Darüber hinaus soll so aufgezeigt werden, dass es sich bei einem ethischen Einbezug der Tiere in systematisch-theologische Diskurse nicht um die Beschäftigung mit einem mühsam konstruierten, insgesamt jedoch randständigen Thema handelt, sondern dieser stattdessen einen Nachvollzug solider Grundlegungen der biblischen Bücher bedeutet. Tiere werden in den Texten der Bibel als eigenständige theologische Größe vermittelt, denen – auch, aber nicht ausschließlich – im Verhältnis zum Menschen eine wichtige Bedeutung beigemessen werden muss.198
Die nachfolgenden Darstellungen zum Alten und Neuen Testament können und sollen keinesfalls den Anspruch einer eigenständigen exegetischen Arbeit erheben. Grundlage für die Ausführungen ist im Wesentlichen der von Bernd Janowski, Ute Neumann-Gorsolke und Uwe Gleßmer herausgegebene Band „Gefährten und Feinde des Menschen.“199 Hier lassen sich grundlegende Beiträge zu diesem Thema finden, ergänzt um die Darstellung ausgewählter Motive und Materialien sowie ausgewählte Tiertexte des Alten Testaments. Weiterführend sei auch auf das in dem Band enthaltene, von Peter Riede zusammengestellte Glossar der hebräischen und aramäischen Tiernamen und Tierbezeichnungen verwiesen.
Im Folgenden soll also der Schwerpunkt auf der Betrachtung einschlägiger Textstellen des Alten Testaments liegen, ergänzt um eine gesonderte Erwähnung des sog. „Tierfriedens“ in der Eschatologie des Propheten Jesaja sowie einen abschließenden Blick auf das Neue Testament.

III.1.1. Alttestamentliche Aussagen als Grundlagen einer Tierethik

Entgegen der weit verbreiteten Annahme, Tiere seien als Thema in den biblischen Schriften und damit in der christlichen Theologie eher am Rande einzuordnen, hält Othmar Keel fest:
„Tiere sind in der hebräischen Bibel allgegenwärtig. Es dürfte etwas überspitzt formuliert auf ihren rund 1000 Seiten kaum eine geben, auf der nicht in irgendeinem Zusammenhang Tiere erwähnt werden.“200
Es ist nicht unproblematisch, die biblischen Texte für den Entwurf einer gegenwärtigen Tierethik heranzuziehen; zwei- bis dreitausend Jahre alte Schriften sind in einem fundamental anderen Kontext entstanden, der von ökologischer Krise im heutigen Sinne weit entfernt war und eine Prägung durch moderne Technik und naturwissenschaftlichen Zugriff auf die Welt nicht kannte. Dennoch findet sich neben diesem Abstand auch eine Nähe, die sich in konstanten, scheinbar grundlegenden und kontextübergreifenden Naturerfahrungen des Menschen spiegeln.201
Das Verhältnis von Mensch und Tier, wie es sich auch in den Texten des Alten Testaments niederschlägt, kann historisch gesehen für alle vormodernen Epochen als im Vergleich zur Neuzeit und speziell unserer Gegenwart deutlich intensiver charakterisiert werden. Hierfür lassen sich verschiedene Begründungszusammenhänge finden: Einerseits waren wild lebende Tiere schlicht „häufiger“, ihre Populationen oft deutlich größer, ihre Verbreitungsgebiete ausgedehnter;202 wild lebende Tiere stellten zudem eine potenziell deutlich größere Gefahrenquelle für den Menschen dar, als dies unserem gegenwärtigen Erfahrungshorizont entspricht.
Für domestizierte Haus- bzw. Nutztiere muss festgehalten werden, dass sie nicht nur häufig deutlich enger mit dem Menschen zusammenlebten, sondern auch viel existenzieller für dessen physisches Überleben von Bedeutung waren; der Verlust eines Nutztieres ist in einer Subsidienzwirtschaft auch heute noch kaum zu bemessen.203
Diese beiden grundlegende Bezüge zum Tier – eben als „Gefährten und Feinde des Menschen“, wie Janowski et. al. ihren Band (s.o.) betiteln – umreißen den ambivalenten Erfahrungskontext, in dessen Rahmen sich Mensch und Tier in vormodernen Zeiten befanden. Immer jedoch sind Tiere für die Menschen der biblischen Schriften relationale Lebewesen.
Letztlich ist auch in den Blick zu nehmen, wie Tiere als Bild, als aufgeladenes Symbol Ein...

Inhaltsverzeichnis

  1. Deckblatt
  2. Titelseite
  3. Impressum
  4. Inhaltsverzeichnis
  5. Vorwort
  6. I. Einleitung
  7. II. Zum Status von Tieren in der Ethik
  8. III. Ein Entwurf kriterialer Verantwortung im Rahmen theologischer Tierethik
  9. IV. Tier- und Artenschutz als Kontroverse in der Praxis
  10. V. Ausblick: „Animal Turn“ oder eine Tierethik auf dem Weg zum „Homo Oecologicus“?
  11. VI. Zusammenfassende Betrachtung
  12. Quellen- und Literaturverzeichnis
  13. Personenregister
  14. Sachregister
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APA 6 Citation

Wustmans, C. (2015). Tierethik als Ethik des Artenschutzes (1st ed.). Kohlhammer. Retrieved from https://www.perlego.com/book/1074704/tierethik-als-ethik-des-artenschutzes-chancen-und-grenzen-pdf (Original work published 2015)

Chicago Citation

Wustmans, Clemens. (2015) 2015. Tierethik Als Ethik Des Artenschutzes. 1st ed. Kohlhammer. https://www.perlego.com/book/1074704/tierethik-als-ethik-des-artenschutzes-chancen-und-grenzen-pdf.

Harvard Citation

Wustmans, C. (2015) Tierethik als Ethik des Artenschutzes. 1st edn. Kohlhammer. Available at: https://www.perlego.com/book/1074704/tierethik-als-ethik-des-artenschutzes-chancen-und-grenzen-pdf (Accessed: 14 October 2022).

MLA 7 Citation

Wustmans, Clemens. Tierethik Als Ethik Des Artenschutzes. 1st ed. Kohlhammer, 2015. Web. 14 Oct. 2022.