Teil II: Vertiefung 12StĂ€rker als ErklĂ€rungen â Metaphern
Es gibt Therapeuten, die lieben das Arbeiten mit Metaphern und Bildern, andere können nichts damit anfangen. Da Bilder besser und vor allem lĂ€nger im GedĂ€chtnis haften bleiben als abstrakte Gedanken oder einzelne SĂ€tze, lohnt es sich, Metaphern einzufĂŒhren. Zu testen, ob die Paare damit etwas anfangen können. Manche springen sofort auf die Bildersprache an und andere schauen bei dem Vorschlag, als hĂ€tten sie aus Versehen in eine Essiggurke gebissen statt in den erwarteten Keks. Und eine dritte Gruppe versucht, dem Therapeuten zuliebe, es mal zu probieren und findet dann nach und nach Geschmack an der Sache.
»Nur mal angenommen, eure Liebe, eure Beziehung wĂ€re ein Bild, ein Sinnbild, ein Filmtitel ⊠was wĂŒrdet ihr mir erzĂ€hlen? Wie sĂ€he das Bild momentan aus?«
Manche sprudeln sofort los:
âą(aus der Natur) Ein Ozean mit groĂen Wellen. Ein schöner Garten mit einer Fallgrube. Ein renoviertes Haus mit verschlossenen TĂŒren.
âą(Film-, Buchtitel) Das GlĂŒck wohnt auf der anderen Seite. Nicht ohne meine Mutter. Einer flog ĂŒber das Kuckucksnest.
Wenn sich das Paar bemĂŒht, aber nichts AdĂ€quates findet, kann man es mit einer Vorlage versuchen: »Angenommen, eure Liebe wĂ€re eine Topfpflanze (ein MöbelstĂŒck, ein Fahrzeug oder Ăhnliches âŠ) und wĂŒrde hier zwischen euch stehen. Wie geht es der Pflanze momentan?« Mit einer Topfpflanze können in der Regel alle etwas anfangen und es kommen Antworten wie: »Auf meiner Seite blĂŒht die Pflanze, auf der anderen Seite ist sie schon ganz schön vertrocknet.« Oder: »Es ist ein Kaktus, der ĂŒberlebt alles.« »Es ist keine Topfpflanze, es ist eine KĂŒbelpflanze, die zu lange im Winterquartier war.« Wunderbare Bilder, mit denen es sich gut weiterarbeiten lĂ€sst.
Konkrete Fragen:
âąÂ»Was muss passieren, damit die Pflanze ganz sicher stirbt?«
âąÂ»Soll sie in Ruhe gelassen werden?«
âąÂ»Was braucht sie?«
âąÂ»Wer kĂŒmmert sich ab heute? Wie?«
Hier noch ein paar andere Beispiele von Bildern und Metaphern aus der Paartherapie-Praxis und daran anknĂŒpfende Fragen. »Unsere Beziehung ist aktuell wie:
âąeine leuchtend-strahlende Kugel mit einem schĂŒtzenden Film drumherum, der Film hat momentan leider ein Leck [Jan, 34 Jahre].« (»Was ist sichtbar um das Leck herum? Wovor schĂŒtzt der Film?«, »Wonach sehnt sich die Kugel?«)
âąein ausgewachsener, verschlungener Baum mit neuen zarten Trieben [Johannes, 45 Jahre].« (»Wohin streben die neuen Triebe? Was will gelebt werden?«)
âąwertvolles Silberbesteck, was zu oft im GeschirrspĂŒler war, jetzt ist es leider angelaufen [Ricarda, 39 Jahre].« (»HeiĂt das, das Silberbesteck muss jetzt einzeln gesichtet und poliert werden? Einzeln berĂŒhrt werden? Wie wĂ€re das?«)
âąein alter dreckiger Pick-up [Vanessa, 33 Jahre].« (»Ist das denn guter Dreck? SchĂŒtzt der?«, »Soll er weg oder besser dranbleiben?«, »Wohin geht die Reise des Pick-ups?«)
âąein schwankender Leuchtturm [Karla, 48 Jahre].« (»Ist der Leuchtturm kurz vor dem Umkippen? Soll er stabilisiert werden? Wenn ja, womit?«)
âąein Bach mit zu vielen WasserlĂ€ufen [Christian, 52 Jahre].« (»Was ist zu viel daran?«, »Wovon mehr, wovon weniger?«)
âąein Himmel, der immer da ist, aber momentan ist es leider stark bewölkt [Sarah, 48 Jahre].« (»Sind es bedrohliche Wolken? Was bringen sie mit? Was bedecken sie?«)
âąein dreiköpfiges Chaoswesen [Lisa, 32 Jahre].« (»Zu viele Köpfe oder zu viel Chaos?«, »Wie ist die Seele von diesem Wesen?«, »Wonach sehnt es sich?«)
âąein Buch mit kuschligen AuĂenseiten, doch es gibt noch sehr viele leere Seiten [Ulrike, 37 Jahre].« (»Welches Kapitel ist dran? Welche Seite soll mit Inhalt gefĂŒllt werden?«, »Kennst du schon das Ende vom Buch?«)
Wenn klar ist, dass das Paar ĂŒberhaupt nicht darauf anspringt, ist es eine unpassende Intervention, das falsche Therapeuten-Werkzeug. Und bevor sich alle Beteiligten weiter durch die Bilder quĂ€len, lassen wir lieber das Werkzeug fallen und suchen andere Wege, ins GesprĂ€ch zu kommen.
Toni: Ich liebe das ja mit den Metaphern, scheue mich aber immer ein bisschen, damit zu arbeiten, weil ich denke, mir fĂ€llt keine passende weiterfĂŒhrende Frage ein. Wir haben möglicherweise ein Bild aus unseren Hirnen gequetscht, schlimmstenfalls sogar zwei, und dann weiĂ ich nicht weiter. Das wĂ€re ja peinlich. Waren deine Beispiele von einer Person oder dem Paar gemeinsam?
Das waren Einzelantworten, die die jeweiligen Partner mitgehört haben. ZunĂ€chst sucht immer jeder sein ganz eigenes Bild. Das heiĂt, du lĂ€dst wieder zur Unterschiedlichkeit ein, um anschlieĂend nach dem Verbindenden zu suchen. Wenn dir keine originellen Fragen einfallen, dann gib die Aufgabe ruhig an das Paar zurĂŒck.
Fallvignette
Eva und Caro, beide Frauen in ihren Vierzigern, haben stimmige Bilder zu ihrer aktuellen Beziehungssituation gefunden: Auf der einen Seite gibt es das Bild von einem kĂŒhlen Bergsee und auf der anderen Seite das eines brodelnden Vulkans.
Du könntest also die Frage nach dem, was die beiden Bilder verbindet, was sie miteinander zu tun haben, direkt an das Paar weiterleiten. (Denn das ist die Suche: einerseits das Trennende, andererseits das Verbindende und die Suche nach einer BrĂŒcke.) Du könntest fragen: »Was wollen die beiden unterschiedlichen NaturphĂ€nomene voneinander? Gibt es etwas, was sie verbinden könnte?« Und dann warte ab, was sie erzĂ€hlen werden.
Bei dem Beispiel sagte Eva, dass sie gerne alles ausspucken wĂŒrde, was in ihr brodelt, und dass die Lava sich dann liebend gern im kĂŒhlen Bergsee beruhigen könnte. Aber Caro hĂ€tte leider so viel Abwehr und Angst vor ihrer Hitze. Weil Eva Caros Angst spĂŒrt, hĂ€lt sie sich zurĂŒck, was alles noch schlimmer macht. Sie könne nicht immer so rational und nĂŒchtern diskutieren wie ihre Freundin.
Ăbrigens, jedes Mal, wenn du merkst, dass eine von beiden dir zu viel erzĂ€hlt, unterbrich sie und bitte die beiden, sich anzuschauen: Sag es ihr!
Das klingt dann sofort anders: »Caro, hab keine Angst vor meiner Hitze. Da ist mehr Schein als Sein. Vielleicht dĂŒrfen einige meiner zu heiĂen Lavabrocken in deinen kalten See fallen, dann wĂŒrde sich der See endlich mal ein bisschen erwĂ€rmen.« Caro: »Aber nicht zu viele Brocken, es soll schlieĂlich kein pupswarmes Mittelmeer aus meinem schönen Bergsee werden.«
Dann haben sie gelacht und zusammen ĂŒberlegt, wie das im Alltag aussehen könnte. Welche Brocken dĂŒrfen »noch heiĂ« auf den Beziehungstisch und welche Brocken sollen lieber etwas abkĂŒhlen, ehe sie zur Sprache kommen.
Toni: Und lĂ€sst du die Paare manchmal ein gemeinsames Bild finden, so als Ăbung?
Das geht meist ganz gut. Sinn der Metaphern ist ja, ĂŒber die Bilder ins GesprĂ€ch zu kommen. Du könntest auch thematisch etwas vorgeben. FĂŒr manche ist das leichter. »SchlieĂt fĂŒr einen Moment die Augen und stellt euch eine Landschaft vor, in der es BĂ€ume oder StrĂ€ucher gibt. Wenn ihr zwei Baume wĂ€rt, wo wĂŒrdet ihr stehen? Wie dicht beieinander? Wie weit entfernt? Wie dick ist der Stamm, die Krone, die Wurzeln âŠ?« Du imaginierst mit ihnen diese gemeinsame Landschaft und anschlieĂend reden beide darĂŒber.
Ich erinnere mich an ein Paar, da hatte die Frau von zwei gleich groĂen, starken BĂ€umen gesprochen, die im Wurzelbereich miteinander verwoben waren, ausladende Kronen hatten und in gutem Abstand nebeneinanderstanden.
Ihr Mann hatte einen groĂen starken Baum vor Augen und unter der mĂ€chtigen Krone des Baumes wuchs in seinem Schutz ein kleinerer, sehr hĂŒbscher Baum heran.
Da hatten die beiden dann ein Thema, oder?
Er hatte scheinbar einen ihrer Entwicklungsschritte verpasst. So, wie es in seinem Bild aussah, hatten sie sich kennengelernt. Sie bewunderte ihn, er beschĂŒtzte sie. Das war ihr Anfangskontrakt. Aber inzwischen bewunderte sie ihn weniger und brauchte auch weniger Schutz. In dieser Phase kamen sie in die Beratung. Manchmal rappelt es gewaltig, wenn das Leben einen Gang höher schaltet.
Aber am Ende sollte doch bei aller Bildersprache immer etwas Alltagstaugliches herauskommen, oder?
Ich mag es sehr, wenn am Ende etwas herauskommt, was das Paar ganz konkret und praktisch probieren kann. Manche Therapeuten lassen die Bilder so stehen und vertrauen auf die Kraft ihrer Entfaltung. Das geht natĂŒrlich auch.
Bei dem eben genannten Paar ging es darum, beide in ihre neuen Rollen zu begleiten. Er musste lernen, seinen BeschĂŒtzerblick öfter mal beiseitezuschieben und zu schauen, wer seine Frau noch ist. Wer sie inzwischen geworden ist.
Sie wollte weniger aggressiv und ablehnend sein, wenn er es doch vergessen sollte und sie aus alter Gewohnheit wieder beschĂŒtzen wollte. Ihre Idee war, ihren Mann spontan zu kĂŒssen, wenn er ihr auf Augenhöhe begegnete.
Coole Idee von ihr. Positive VerstÀrkung!
Ja, ihre Wut und Ablehnung hat die beiden nicht weitergebracht, sondern UnverstÀndnis und Distanz gefördert.
Bei der Arbeit mit Bildern und Metaphern geht es neben dem Wunsch, spielerisch ins GesprĂ€ch zu kommen, auch darum, ein neues Etwas in das Blickfeld des Paares zu rĂŒcken. Etwas, worauf sie schauen können. Etwas, was gepflegt, repariert oder beschĂŒtzt werden muss: ihre Beziehung.
13Externalisieren
Externalisieren bedeutet schlicht, etwas nach auĂen zu verlagern. Auch bei Paaren kann man sehr gut mit diesem systemischen Werkzeug, dem Externalisieren, arbeiten. Alles Mögliche kann nach auĂen verlagert werden: die Beziehung, die UmstĂ€nde, die SexualitĂ€t, der Stress, die Schwere und vieles andere mehr. Externalisieren ist ein wunderbarer Vorwurfsunterbrecher, da sich der Fokus sofort weg vom »Du bist launisch!«, »Du hast mich betrogen!«, »Du bist immer so kalt!« hin zu »der Beziehung«, »der Wut«, »dem Stress« verlagert. Hier zwei kleine Beispiele.
Die »Beziehung« externalisieren
Fallvignette
Herr und Frau F. sind seit 17 Jahren verheiratet, beide arbeiten in einer Arztpraxis, die Herr F. aufgebaut hat und leitet. Streitpunkt ist eine Kollegin. Frau F. unterstellt ihrem Mann, eine AuĂenbeziehung mit ihr zu haben. Innerhalb kĂŒrzester Zeit schreien sie sich mit dem immer gleichen Wortlaut an. Sie: »Du betrĂŒgst mich! Ich weiĂ es!« Er: »Nein, verdammt noch mal!« Beide versuchen mich von ihrer Sicht der Dinge zu ĂŒberzeugen, wenden sich an mich mit den Worten: »Wissen Sie, es ist so âŠÂ« Aufgrund der LautstĂ€rke zucke ich kurz zusammen. »Machen Sie sich keine Sorgen, sie ist Sizilianerin, bei uns ist es immer so laut«, sagt der Mann zu mir. Ehrlich gesagt, beruhigt mich das etwas und i...