Die SchatzjÀger des Kaisers
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Die SchatzjÀger des Kaisers

Deutsche ArchÀologen auf Beutezug im Orient

JĂŒrgen Gottschlich, Dilek Zaptcioglu-Gottschlich

  1. 336 pages
  2. German
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Die SchatzjÀger des Kaisers

Deutsche ArchÀologen auf Beutezug im Orient

JĂŒrgen Gottschlich, Dilek Zaptcioglu-Gottschlich

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Der Pergamonaltar, das Markttor von Milet, die Löwen von Babylon, die BĂŒste der Nofretete - das alles sind SchĂ€tze, die wir heute in deutschen Museen bewundern. Woher stammen diese Werke? Wann und unter welchen UmstĂ€nden sind sie nach Deutschland gekommen? Sind wir eigentlich die rechtmĂ€ĂŸigen Besitzer dieser weltberĂŒhmten KulturgĂŒter? JĂŒrgen Gottschlich und Dilek Zaptcioglu-Gottschlich unterziehen die Geschichte archĂ€ologischer Ausgrabungen und ihres Abtransports ins Deutsche Kaiserreich einer eingehenden PrĂŒfung. Im Mittelpunkt stehen die Expeditionen berĂŒhmter AusgrĂ€ber wie Carl Humann, Theodor Wiegand und Robert Koldewey einerseits und die ĂŒberwiegend nationalistischen Motive ihrer BeutezĂŒge im Dienst des Kaisers andererseits. Ging es in der Raubkunst-Debatte bislang eher um Kunstwerke aus afrikanischen und asiatischen Kolonien, wird hier erstmals ein Buch zu archĂ€ologischen Funden im ehemaligen Osmanischen Reich vorgelegt. Genauso wichtig wie die Forderung nach Restitution ist dabei die Frage: Wie machen wir das Weltkulturerbe möglichst vielen Menschen zugĂ€nglich?

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Informations

Année
2021
ISBN
9783862845019
Édition
1
Sujet
History
Sous-sujet
German History

1 ANTIKE KUNST ALS SYMBOL DEUTSCHER MACHT

Der deutsche Bauingenieur Carl Humann findet den Pergamonaltar und will ihn im Deutschen Kaiserreich wieder aufbauen
Die tĂŒrkische ÄgĂ€iskĂŒste, im 19. Jahrhundert nannte man sie noch die WestkĂŒste Kleinasiens, gleicht ĂŒber 2000 Kilometer KĂŒstenlinie einem Freilichtmuseum, das weltweit seinesgleichen sucht. »Wer die griechische Antike besichtigen will«, sagt der tĂŒrkische ArchĂ€ologe RĂŒstem Aslan, »findet hier eine weit dichtere Abfolge grandioser antiker StĂ€tten als in Griechenland selbst.« RĂŒstem Aslan ist seit 2013 der Grabungsleiter an einem der legendĂ€rsten PlĂ€tze aus der Bronzezeit: in Troja. Mit Homers »Ilias« ĂŒber den Krieg um Troja beginnt die abendlĂ€ndische Literatur. Der blinde Dichter schrieb sein Werk vermutlich 800 Jahre v. u. Z., und er lebte wahrscheinlich in Smyrna, der heutigen Millionenstadt Izmir. Mit dem »Krieg um Troja«, der Stadt ganz im Nordosten der ÄgĂ€is, etwa auf der Höhe von Thessaloniki, die die Meerenge der Dardanellen bewachte, begann, noch im Reich der Mythen und Legenden, der Zusammenprall griechischer Eroberer und einheimischer Bewohner.
Der Krieg, ĂŒber den Homer schrieb, fand wohl um 1180 v. u. Z. statt und endete zwar mit der Zerstörung Trojas, doch zu einer griechischen Besiedlung der kleinasiatischen KĂŒste reichte es damals noch nicht. Die fand erst gut 300 Jahre spĂ€ter statt, mit ersten Kolonisten weiter im SĂŒden, bei Ephesos und Milet, etwa auf der Höhe von Athen. Viele andere Siedler aus den griechischen Stadtstaaten folgten. In der Phase von 800 bis 100 v.u.Z. wurden Hunderte griechische Siedlungen an der kleinasiatischen KĂŒste gegrĂŒndet, die wie Milet, Ephesus und Foca ihre MutterstĂ€dte bald ĂŒberstrahlten. Folgt man der KĂŒste von Troja aus nach SĂŒden, gelangt man, an mehreren kleineren griechischen Tempeln und WeihestĂ€tten vorbei, zunĂ€chst nach Assos, einer antiken Stadt gegenĂŒber der griechischen Insel Lesbos, in der zeitweilig Aristoteles gelehrt haben soll. Etwas entfernt von der KĂŒste folgt dann Pergamon, rund 100 Kilometer sĂŒdlich kommt Izmir.
Ab Izmir stolpert man dann fast alle 20 oder 30 Kilometer ĂŒber griechische antike StĂ€tten. Nach Kolophon und Klaros kommt das berĂŒhmte Ephesus, dann Magnesia, Aphrodisias, Priene, Milet, Didyma, Euromos, Milas und Halikarnassos, um nur die wichtigsten zu nennen. Bevor die KĂŒste dann nach Osten ins Mittelmeer abbiegt, findet sich noch das wunderschöne Knidos, ganz an der Spitze einer fast 200 Kilometer langen Halbinsel. Alle diese antiken StĂ€tten sind im 18., 19. und 20. Jahrhundert von europĂ€ischen Forschungsreisenden »entdeckt«, teilweise ausgegraben und erforscht worden.
Das blieb nicht ohne Folgen. Diese StĂ€tten wurden regelrecht geplĂŒndert. Viele der spektakulĂ€rsten Kunstwerke und Monumente, die griechische und spĂ€ter auch römische Architekten, Bildhauer und Maler geschaffen haben, finden sich heute in europĂ€ischen Museen. Nach Darstellung antiker Quellen rĂŒhmten sich die ehemaligen Zentren hellenistischer Kultur in Kleinasien mindestens dreier Weltwunder: des Zeusaltars auf dem Burgberg in Pergamon, des Artemis-Tempels in Ephesus und des Grabmals von König Mausollos in Halikarnassos.
Von diesen drei Weltwundern ist heute vor Ort praktisch nichts mehr zu sehen. Das Mausoleum von Mausollos, das zum Namensgeber fĂŒr prĂ€chtige BegrĂ€bnisstĂ€tten ĂŒberhaupt wurde, zerstörten im 15. Jahrhundert die Johanniter-Kreuzritter, um mit dem Material eine Burg zu bauen. Besonders gut erhaltene Marmorfriese, die die Ritter komplett in ihre Burgmauer eingesetzt hatten, ließ der englische Botschafter in Konstantinopel Sir Stratford Canning zu Beginn des 19. Jahrhunderts aus der Mauer herausbrechen und nach London verschiffen. Die letzten SĂ€ulen des Artemis-Tempels verschwanden ebenfalls nach Europa, vor allem nach England, und der Zeusaltar von Pergamon ist heute die Hauptattraktion des Pergamonmuseums in Berlin.

Das griechische Pergamon

Der Eindruck, den Besucher heute von der antiken StĂ€tte in Pergamon bekommen, wenn sie aus der Seilbahn steigen, die den 400 Meter hohen Burgberg hinauffĂ€hrt, tĂ€uscht. Denn der eindrucksvolle Tempel, den sie als Erstes auf dem höchsten Plateau des Berges sehen, ist dem römischen Kaiser Trajan gewidmet; er hat mit dem hellenistischen Pergamon des Pergamonaltars nichts zu tun. Die in den 80er und 90er Jahren des letzten Jahrhunderts von deutschen und tĂŒrkischen ArchĂ€ologen rekonstruierten Tempelfragmente stammen aus den ersten Jahrhunderten unserer Zeit, als Rom bereits die Macht in Kleinasien ĂŒbernommen hatte.
Zeitlich nĂ€her kommt man dem berĂŒhmten griechischhellenistischen Pergamon erst, wenn man die Kellergewölbe des Trajan-Tempels durchquert hat und plötzlich vor einem steil abfallenden Theater am westlichen Hang des Burgberges steht. Die Grundkonstruktion des Theaters stammt aus der hellenistischen BlĂŒtezeit im dritten und zweiten Jahrhundert v. u. Z. Mit der TheaterbĂŒhne und dem Dionysos-Tempel am Ende der unteren Theaterterrasse ist man dann in der Zeit der Attaliden angekommen, dem griechischen Herrscherhaus, das den berĂŒhmten Altar, der heute das KernstĂŒck des Pergamonmuseums in Berlin ist, in Auftrag gegeben hatte.
Image
Sockel des Zeusaltars, wie er heute in Pergamon zu sehen ist
Von diesem antiken Weltwunder, dem Pergamon seinen Ruhm verdankt, ist dagegen fĂŒr den Besucher der antiken StĂ€tte kaum mehr als eine Andeutung zu erkennen. Etwa 50 Meter unterhalb der Akropolis, auf einer Bergterrasse, von der aus man weit ins Tal schauen kann, befindet sich ein rechteckiger ErdhĂŒgel, teilweise noch von ein paar Steinquadern eingefasst, der von einer großen schönen Pinie beschattet wird. Lediglich eine Infotafel macht den Besucher darauf aufmerksam, dass hier einmal der berĂŒhmte Zeusaltar gestanden hat.
Auf einer erhöhten Plattform, die von dem berĂŒhmten, ĂŒber zwei Meter hohen Fries in einem Rechteck umgeben war, opferten die BĂŒrger von Pergamon ihren Göttern. Von diesen Marmorfriesen, die den Kampf der Götter gegen die Giganten in so eindrucksvoller, vollendeter Form zeigen, dass Pergamon heute noch als ein Höhepunkt griechischer antiker Kunst gilt, ist vor Ort nichts geblieben, nicht einmal eine Kopie oder große Fotos.
Gebaut wurde der Altar in den Jahren zwischen 180 und 170 v. u. Z. im Auftrag des berĂŒhmtesten pergamenischen Königs Eumenes II. Der Altar, so der Pergamon-AusgrĂ€ber Wolfgang Radt, war eine Weihung an die siegverleihende Stadtgöttin Athena.1 Vermutlich hatte Eumenes II. die KultstĂ€tte nach einem Sieg ĂŒber die Galater errichten lassen, einer ursprĂŒnglich germanischen Volksgruppe, die aus dem Norden eingewandert war und die Gegend verunsicherte.
In der SpĂ€tantike, den letzten zwei Jahrhunderten vor unserer Zeitrechnung, war der Altar in der gesamten griechisch-römischen Welt bekannt als Kunstwerk, das nicht seinesgleichen hat. Doch als im vierten Jahrhundert u. Z. durch Kaiser Konstantin den Großen das Christentum zur vorherrschenden Religion im Römischen Reich wurde, geriet der Pergamonaltar wie viele andere HeiligtĂŒmer der alten Religionen in Verruf. Du sollst keinen Gott haben neben mir, dieser kategorische Imperativ aus dem Alten Testament fĂŒhrte vielerorts dazu, dass die heidnischen Tempel zerstört wurden. So auch in Pergamon. Unter der Herrschaft byzantinischer Kaiser wurde der Altar im 5. Jahrhundert u. Z. zerstört. Doch weil große Marmorplatten fĂŒr andere, neue Bauten vorzĂŒglich verwendet werden konnten, wurde ein großer Teil der kostbaren Friesplatten in eine StĂŒtzmauer integriert, mit deren Hilfe am Hang ein Plateau geschaffen wurde, auf dem die Byzantiner dann selbst neu bauen konnten.
Die Friesplatten, die nicht fĂŒr den Mauerbau benutzt wurden, fanden sich spĂ€ter umgestoßen und teilweise zerbrochen im GelĂ€nde verstreut wieder. Zeus und Athena waren das Gesicht abgeschlagen worden. Im 19. Jahrhundert waren sie von meterhohen Erd- und Schuttschichten bedeckt.
»Mancher mag es bedauern, dass der Pergamonaltar heute nicht an seinem alten Ort wiederaufgestellt zu besichtigen ist, sondern, ohne die Beleuchtung durch das sĂŒdliche Licht, ohne die erhabene AtmosphĂ€re des Burgberges, in einem Museumssaal steht«, schreibt Wolfgang Radt, Grabungsleiter von 1972 bis 2005, unter dessen Ägide die Teilrekonstruktion des Trajan-Tempels stattfand. Er bedauert es wohl auch, hĂ€lt aber noch in seinem 1988 erschienenen Buch an der Behauptung fest, dass nur durch den Abtransport das antike Monument »vor dem sicheren Untergang gerettet« werden konnte.2

Der erste Besuch des Schicksalsberges

Der deutsche Bauingenieur Carl Humann sah 1865, als er das erste Mal seinem Schicksalsberg begegnete, nur noch eine unter Schutt und Staub verborgene TrĂŒmmerlandschaft. Humann, der fĂŒr die osmanische Regierung bereits mehrere Straßenbauprojekte vorbereitet hatte, war im Winter 1864 /65 im Auftrag von Großwesir Fuad Pascha auf einer topografischen Erkundungstour an der nördlichen ÄgĂ€iskĂŒste, gegenĂŒber von Lesbos. Von Dikili aus, einem kleinen Fischerdorf, war es in den Worten von Humann »nur ein Ritt von fĂŒnf Stunden« bis zum antiken Pergamon. Humann, der wĂ€hrend seines Studiums an der Bauakademie in Berlin viele Stunden mit »dem Zeichnen von Antiken« verbracht hatte, kannte die Geschichten ĂŒber das sagenhafte pergamenische Reich der Attaliden, einem Herrschergeschlecht aus den Reihen der Diadochen, den Nachfolgern Alexanders des Großen.
Deshalb wollte er die Gelegenheit, Pergamon zu sehen, »trotz strömenden Regens« nicht verpassen. »Dikili, gegenĂŒber von Mytilene [Lesbos] ist der gewöhnliche Landungsort, um nach Bergama [der Stadt am Fuße des Burgberges] zu reiten«, schrieb er spĂ€ter ĂŒber seinen ersten Pergamon-Besuch. »Die vom Kaikosfluss durchströmte Ebene ist an die zwei Stunden breit. Ich fand sie aber damals fast unbebaut. Immer unmittelbar am sĂŒdlichen Fuße des Gebirges ging es diese Ebene hinauf, bis endlich, an einer Wendung des Weges, eine Stunde bevor man die Stadt erreicht, plötzlich die hohe Akropolis von Pergamon in der Ferne breit und majestĂ€tisch vor mir lag.«3
Nachdem er die Stadt erreicht hatte, machte er sich gleich zu Fuß an den Aufstieg zur Burg. »Dem flĂŒchtigen Besucher erschien sie als ein einziges Schuttfeld, von Rasen und niederem Buschwerk bedeckt, durchsetzt von MauerzĂŒgen, die aus den verschiedensten Zeiten herrĂŒhren und deren Zusammenhang auf den ersten Blick nicht klar wird. Auch auf der obersten FlĂ€che ragte nach allen Seiten hin massives Fundament, oft sich kreuzend aus dem Boden hervor. Namentlich aber stehen noch, im Osten wie im Westen den Abhang begrenzend, die hohen StĂŒtzmauern der Attalidenzeit. Keinen Quaderstein von ihnen haben die Jahrhunderte zu verschieben gemocht. Oberhalb der westlichen StĂŒtzmauern betrat ich den TrĂŒmmerhĂŒgel, den man den Tempel der Athena Polias hat nennen wollen [spĂ€ter als Trajan-Tempel identifiziert]. Traurig stand ich da und sah die herrlichen, fast mannshohen korinthischen Kapitelle, die reichen Basen und andere Bauglieder, alles um- und ĂŒberwuchert von GestrĂŒpp und wilden Feigen. Daneben rauchte der Kalkofen, in den jeder Marmorblock, welcher dem schweren Hammer nachgab, zerkleinert wanderte. Einige tiefe, frisch gezogene GrĂ€ben zeigten, welche FĂŒlle von TrĂŒmmern unter der öden BodenflĂ€che lagerte; je kleiner zersplittert, desto angenehmer waren sie den Arbeitern. Das also war ĂŒbrig geblieben von dem stolzen, uneinnehmbaren Herrschersitz der Attaliden! Barg der Boden noch Reste von all den KunstschĂ€tzen, welche diese Medicis der Diadochenzeit hier zusammengetragen und errichtet hatten? In weiten Zickzacklinien verließ ich, immer ĂŒber Bauschutt hinabsteigend, die Burg; ĂŒber tausend RĂ€tseln sinnend gelangte ich mißmutig wieder zum Meere.«
Humann deutet in dieser allersten Begegnung mit Pergamon bereits an, was spĂ€ter als eine der BegrĂŒndungen fĂŒr die PlĂŒnderung der antiken StĂ€tte herhalten musste. Die Kunstwerke mussten gerettet werden vor den Barbaren, die die Reste, die sie fanden, zu Kalk verbrannten. Humann ist nicht der einzige EuropĂ€er, der seine Schatzsuche spĂ€ter als Rettungsaktion verbrĂ€mte. Fast alle AusgrĂ€ber des 19. Jahrhunderts, die im Osmanischen Reich nach KunstschĂ€tzen aus der FrĂŒhgeschichte und der Antike fahndeten, sahen sich als Retter und nicht als RĂ€uber. Humann jedenfalls hat nach eigenen Angaben zunĂ€chst einmal seine Kontakte zum Großwesir genutzt, um die Kalkbrennerei auf dem Pergamonberg verbieten zu lassen.

Eine Karriere als Straßenbauingenieur

Der mehr oder weniger mittellos ins Osmanische Reich eingewanderte Carl Humann hatte dort in wenigen Jahren eine beachtliche Karriere hingelegt. Geboren worden war er am 4. Januar 1839 in Essen an der Ruhr als einer von vier Söhnen und zwei Töchtern des Gastwirtes Franz Wilhelm Humann. Vater Humann betrieb am Rande von Essen ein großes Gasthaus und Ausflugslokal und konnte es sich leisten, seinen Söhnen höhere Bildung zukommen zu lassen. Carl machte in Essen sein Abitur, bei dem er besonders in Mathematik, Latein und Griechisch brillierte, und ging dann zum Studium an die renommierte Bauakademie in Berlin. Seine Freizeit verbrachte er nach eigenen Angaben oft im 1830 eröffneten Alten Museum am Lustgarten, wo er antike Skulpturen und andere Objekte zeichnete. Doch ein schweres Lungenleiden unterbrach seine Ausbildung, und die Ärzte rieten ihm, sich fĂŒr sein zukĂŒnftiges Leben ein milderes Klima als das kalte Berlin auszusuchen. Da traf es sich gut, dass sein Ă€lterer Bruder Franz, ebenfalls Ingenieur, bereits in den Orient ausgewandert war und auf der ÄgĂ€isinsel Samos, die damals zum Osmanischen Reich gehörte, eine gute Stellung im Dienste des tĂŒrkischen Statthalters innehatte. Franz lud seinen Bruder ein, in Samos weiter die »Bauwerke der Alten« zu studieren, und machte Carl den Umzug unter anderem damit schmackhaft, dass er in Samos an der Erforschung des berĂŒhmten Hera-Tempels mitarbeiten könnte.
Im November 1861 traf Carl Humann im Orient ein, wo er dann auch den Rest seines Lebens verbringen sollte. Nach einer kurzen Zeit auf Samos ging er, nach einem Zwischenaufenthalt in Smyrna, weiter ins Zentrum des Reiches, nach Konstantinopel. Erneut durch Vermittlung seines Bruders lernte er den damaligen englischen Botschafter Sir Henry Bulwer kennen, der ihn damit betraute, ein Landhaus auf einer kleinen Insel im Marmarameer zu bauen. Da Bulwer mit seinem Sommerhaus zufrieden war, stellte er Carl Humann dem damaligen Großwesir Fuad Pascha vor, dem nach dem Sultan wichtigsten Mann im Reich. Diese Begegnung ebnete den weiteren Weg fĂŒr Humanns Leben im Osmanischen Reich. Er bekam jetzt AuftrĂ€ge vom Hof, vor allem als Vermessungsingenieur fĂŒr Straßenbauprojekte. FĂŒr Fuad Pascha ging Humann nach PalĂ€stina, nach Ägypten und spĂ€ter nach Bulgarien. Er wurde auch beauftragt, topografische Karten der sĂŒdlichen MarmarakĂŒste und der nördlichen ÄgĂ€is zu erstellen. Im Verlauf dieser TĂ€tigkeiten kam er mehrfach nach Pergamon.

Von der Pleite zu neuem Aufbruch

Bruder Franz hatte dann die Idee, ins StraßenbaugeschĂ€ft einzusteigen und sich dafĂŒr die Vorarbeiten des Bruders zunutzezumachen. Er beantragte eine Lizenz beim Sultan und erhielt tatsĂ€chlich im April 1867 einen Ferman, der die BrĂŒder Humann berechtigte, mehrere Straßen im Gebiet zwischen Konstantinopel und Smyrna zu bauen und spĂ€ter in eigener Konzession zu betreiben. Der Straßenbau wurde zu einem Großunternehmen, in dem »schwindelerregende Summen« bewegt wurden, wie der Vater meinte, als er einmal auf Besuch in Konstantinopel war.4
Doch die schwindelerregenden Summen, die man in dem GeschĂ€ft verdienen konnte, brachten auch das Risiko eines schwindelerregenden Absturzes mit sich. Das seit Mitte des 19. Jahrhunderts permanent von einer Staatspleite bedrohte Osmanische Reich war 1873 wieder einmal zahlungsunfĂ€hig. Die BrĂŒder Humann bekamen die vertraglich zugesicherten Gelder aus Konstantinopel nicht mehr und gingen mit ihrer Firma in die Insolvenz. Carl Humann hatte aber offenbar noch genug Geld beiseitegelegt, um sich in Smyrna, wohin er nun seinen Lebensmittelpunkt verlegte, ein Haus zu kaufen. In der Heimat suchte und fand er dann eine Frau, die ihn heiratete und ihm in den folgenden Jahren sein Haus in Smyrna fĂŒhrte. Das Ehepaar hatte zwei Söhne und zwei Töchter, doch zum großen Leid der Eltern starb eine Tochter bereits kurz nach der Geburt und der jĂŒngere Sohn, als er sieben Jahre alt war. Die verbliebenen Kinder, Tochter Maria und Sohn Hans, spielten spĂ€ter wichtige Rollen in den deutschtĂŒrkischen Beziehungen vor und wĂ€hrend des Ersten Weltkrieges. Mit mĂ€ĂŸigem Erfolg stieg Carl Humann in das Import-Export-GeschĂ€ft mit Waren aus dem Landesinnern ein, die ĂŒber den großen Hafen von Smyrna nach Europa verschifft wurden.
Nach seiner ersten Begegnung mit Pergamon ließ ihn diese antike StĂ€tte nicht mehr los. Humann war fasziniert von dem Gedanken an die antiken SchĂ€tze, die sich unter dem Schutt der Jahrhunderte verbergen könnten. Noch wĂ€hrend der Straßenbauarbeiten hatte er zeitweise sein Hauptquartier nach Pergamon verlegt und jede freie Stunde genutzt, um den Burgberg weiter zu erforschen. Dabei fand er einige interessante Antiken, darunter auch zwei große Marmorplatten, die Kampfszenen darstellten und von denen er bereits damals vermutete, dass sie zu einem grĂ¶ĂŸeren Ensemble gehören mĂŒssten.
Humann hoffte, fĂŒr seine Funde Interesse bei den zustĂ€ndigen Stellen in Berlin wecken zu können. Bei einem seiner regelmĂ€ĂŸigen Aufenthalte in Konstantinopel machte er eine erste Bekanntschaft mit...

Table des matiĂšres

  1. Umschlag
  2. Halbtitel
  3. Titelseite
  4. Impressum
  5. Inhalt
  6. Vorwort
  7. 1 Antike Kunst als Symbol Deutscher Macht
  8. 2 »Wir MĂŒssen Alle Zum Altar Gehörigen Dinge Bekommen.«
  9. Exkurs: Anmerkungen zu Heinrich Schliemann
  10. 3 Das LĂ€ngste Jahrhundert der Osmanen
  11. 4 Osman Hamdi Bey – der BegrĂŒnder der TĂŒrkischen ArchĂ€ologie
  12. 5 Theodor Wiegand – der ArchĂ€ologe des Kaisers
  13. 6 Vom Schlucken Grosser Brocken
  14. 7 Die Löwen von Babylon
  15. 8 Die Assur-Akte
  16. 9 Der Streit um die Königin Nofretete
  17. 10 ArchÀologen im Ersten Weltkrieg
  18. 11 Das Pergamonmuseum
  19. 12 Verantwortung FĂŒr das Weltkulturerbe
  20. Anhang
Normes de citation pour Die SchatzjÀger des Kaisers

APA 6 Citation

Gottschlich, J., & Zaptcioglu-Gottschlich, D. (2021). Die SchatzjÀger des Kaisers (1st ed.). Ch. Links Verlag. Retrieved from https://www.perlego.com/book/3469988/die-schatzjger-des-kaisers-deutsche-archologen-auf-beutezug-im-orient-pdf (Original work published 2021)

Chicago Citation

Gottschlich, JĂŒrgen, and Dilek Zaptcioglu-Gottschlich. (2021) 2021. Die SchatzjĂ€ger Des Kaisers. 1st ed. Ch. Links Verlag. https://www.perlego.com/book/3469988/die-schatzjger-des-kaisers-deutsche-archologen-auf-beutezug-im-orient-pdf.

Harvard Citation

Gottschlich, J. and Zaptcioglu-Gottschlich, D. (2021) Die SchatzjÀger des Kaisers. 1st edn. Ch. Links Verlag. Available at: https://www.perlego.com/book/3469988/die-schatzjger-des-kaisers-deutsche-archologen-auf-beutezug-im-orient-pdf (Accessed: 15 October 2022).

MLA 7 Citation

Gottschlich, JĂŒrgen, and Dilek Zaptcioglu-Gottschlich. Die SchatzjĂ€ger Des Kaisers. 1st ed. Ch. Links Verlag, 2021. Web. 15 Oct. 2022.