Für eine afrikanische Revolution
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Für eine afrikanische Revolution

Politische Schriften

Frantz Fanon, Barbara Kalender, Einar Schlereth

  1. 259 pages
  2. German
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Für eine afrikanische Revolution

Politische Schriften

Frantz Fanon, Barbara Kalender, Einar Schlereth

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Diese Sammlung enthält 28 der politischen Aufsätze Frantz Fanons. Sie stammen aus seiner aktivster Periode und reichen von der Erstveröffentlichung von »Schwarze Haut, weiße Masken« im Jahr 1952 bis zu »Die Verdammten dieser Erde« (1961). Seiner Diagnose nach gibt es am Rassismus nichts Zufälliges. Vielmehr fügt er »sich in ein charakteristisches Ganzes ein, das der Ausbeutung einer Gruppe Menschen durch eine andere« impliziert. Für Fanon konnte es daher nur eine einzige Lösung geben: »Das logische Ende dieses Kampfwillens ist die totale Befreiung des nationalen Territoriums« und »der Kampf ist von Anfang an total«.Die hier versammelten Aufsätze erlauben einen umfassenden Einblick in das Leben und Denken eines der spannendsten und produktivsten Denker des 20. Jahrhunderts.

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Information

IV.
DER BEFREIUNG AFRIKAS
ENTGEGEN

1.Täuschungen und Illusionen des französischen Kolonialismus15

Seit zwanzig Jahren bringen die Kolonialvölker die ausländische Herrschaft aus dem Gleichgewicht und betreten nach und nach die internationale Arena. Die alten Metropolen ziehen sich eine nach der anderen aus ihren Besitzungen zurück unter Anwendung verschiedener Methoden. Wenn auch die Kolonialexpeditionen einem gegebenen und bekannten Schema gehorchten – der Notwendigkeit, bei den Barbaren Ordnung herrschen zu lassen, Schutz der Konzessionen und der Interessen der europäischen Länder, die großzügige Überbringung der westlichen Zivilisation –, hat man doch nicht genügend stereotype der durch die Metropolen angewandten Mittel, um sich in ihren Kolonien festzusetzen, aufgezeigt.
Der französisch-algerische Krieg, durch sein Ausmaß und seine Härte erlaubt es, im Groben die Versuche zu überschauen, auch wenn sie nacheinander scheiterten, die von Frankreich unternommen wurden, um seine Herrschaft aufrechtzuerhalten.

Die unmögliche Kollaboration

Die erste Taktik der kolonialistischen Länder besteht darin, sich auf die offiziellen Kollaborateure und die Feudalherren zu stützen. Die Algerier, die sich hinreichend kompromittiert haben und daher besonders gut geeignet sind, werden umgruppiert und gebeten, öffentlich »diese aufrührerische Bewegung, die den Frieden des Gemeinwesens stört« zu verurteilen. 1954 und im Verlauf der ersten Monate von 1955 ging Frankreich an die Zählung und die Mobilisierung seiner Getreuen und ergebenen Diener. Deklarationen, Verurteilungen, Appelle an die Vernunft werden redigiert, veröffentlicht oder im Radio verlesen.
Die kolonialistischen Behörden erwarten mit Zuversicht, dann mit Angst, schließlich mit Hoffnung die Ergebnisse dieser Botschaften. Die Diener werden erneut um den Gefallen gebeten, nehmen aber eine bisher unbekannte Haltung ein, indem sie Einladungen absagen, die offiziellen Schaustellungen meiden und häufig ein neuartiges Vokabular gebrauchen.
Und zwar deshalb, weil sich das revolutionäre Engagement als immer totaler erweist und die Kollaborateure sich des gigantischen Erwachens eines Volkes unter Waffen bewusst werden.

Das ökonomische Argument

Angesichts des Abfalls der Männer, die gleichwohl in den Augen des algerischen Volkes gezeichnet und entehrt wurden und angesichts der aktiven Feindseligkeit der Elite, starten die französischen Behörden die zweite Operation.
Sie besteht im Grunde darin, die sogenannte »gesunde« Bevölkerung von der revolutionären Bevölkerung zu trennen.
Unfähig, die wirkliche Bedeutung des Befreiungskampfes zu begreifen, erkennt Frankreich anfangs nur die Existenz eines Problemes an, dessen Wesen als ökonomisch und sozial bezeichnet wird. In der Hoffnung, die Stimme der nationalen Würde zum Schweigen zu bringen, »macht es sich feierlich daran, das Elend zu bekämpfen und das Wohnungsproblem zu lösen«. Die Löhne werden symbolisch erhöht und Investitionsprogramme werden verkündet. Diese Gleichsetzung einer nationalen politischen Forderung mit einem Pöbelaufstand und sozialer Unzufriedenheit ist Ergebnis einer doppelten Mystifikation: Es gibt kein nationales algerisches Bewusstsein und die Versprechen zur Verbesserung des Lebensstandards der Bevölkerung müssen hinreichen, um Ordnung und Frieden wiederherzustellen.
Aber die französischen Behörden und ihre Spitzel, die immer seltener und kostspieliger werden, stellen mit einer gewissen Verwirrung fest, dass die Bewegung solide ist, in den Massen verwurzelt und von ihnen getragen wird.

Unmenschliche und zynische Methoden gegen die vereinigte Front

In einer zweiten Stufe organisiert die französische Administration die Operationen Mozabites, die Operation Kabylen, die Operation Juden, die Operation Harkas, die sich immer gleichen. Das, was konkret erreicht werden soll, ist innere widersprüchliche, also konterrevolutionäre Strömungen inmitten der Bevölkerung zu erzeugen. Das Ausschlachten gewisser lokaler Feindseligkeiten, die vom Kolonialismus geschaffen wurden, das Am-Leben-erhalten und bewusste Schüren von kulturellen Differenzen, die zu Kämpfen zwischen Klans und zuweilen zwischen Rassen ausarten, charakterisieren diese Operationen.
Melouza und Wagram treiben die Grausamkeit der Methoden auf das Äußerste, wo Notzucht, Massaker, die sichtbar mit FLN gezeichnet werden, das Einäschern ganzer douars, all dies nur das eine zum Ziel hat, bei der Bevölkerung eine Revolte zu provozieren sowie die Verurteilung der revolutionären Bewegung durch die Bevölkerung. Der alle diesen verschiedenen Manövern gemeinsame Irrtum liegt in der Tatsache, dass die französischen Behörden eigenartigerweise vergessen, dass die FLN mit dem algerischen Volk identisch ist. Die Männer der vergewaltigten Frauen befanden sich in der lokalen Gruppe der FLN. Abends kamen sie von ihren Operationsabschnitten herab, um ihre Kinder zu umarmen. Und die Häuser des zerstörten douars waren von den Moudjahidins erbaut worden, die das umliegende Gebirge halten.
Der Generalstab, Opfer einer überholten Politik und einer Unkenntnis der Struktur der FLN, hat die Vorstellung, dass in den Bergen alles möglich ist.
Nun, es geschieht nichts, was nicht geplant und beschlossen wurde. Die Verlegungen der Gruppen geschehen nach einem strategischen Plan, der vom Generalstab der ALN festgelegt wird. Jede Einheit hat einen bestimmten Abschnitt und ein PC, der sie koordiniert.
Es gibt nicht eine Einheit der FLN, die etwa hier und dort morden könnte. Wenn eine Kompanie oder ein Bataillon den Sektor oder die Region verlassen, dann nur auf Befehl des Generalstabes des Wilaya. Die Verbindung wird zuvor über die verschiedenen regionalen und lokalen PC hergestellt und die Bewegung wird durch örtliche Einheiten gedeckt.
Weil die französischen Behörden dies nicht wissen, lassen sie ihre Soldaten und ihre Harkas auf die algerische Bevölkerung los.
Aber jedes Mal wird der Wille zur Unabhängigkeit unwiderruflicher.
Die Operation Mozabites dauerte nur wenige Tage. Diese Algerier, zum größten Teil Händler, erhielten wiederholt Drohbriefe. Auf ihre Läden wurden Überfälle unternommen. Es wurde eine ausgesprochen rassistische Atmosphäre geschaffen. Dieser schmähliche Versuch wurde schnell durch eine Stellungnahme der FLN zum Scheitern verurteilt.
Die Operation Juden hatte gleichfalls eine rassistische Perspektive. Sie wurde in einem berühmten Brief der FLN an die jüdische Gemeinde Algeriens entlarvt.
Die Trumpfkarte jedoch des Kolonialismus stellte die MNA dar. Die Messalisten existierten nicht auf nationalem Territorium, sondern genossen in Frankreich die bedingungslose Unterstützung des Feindes. Die Franzosen haben zu wiederholten Malen den Transport von Hunderten von Messalisten begünstigt und haben sie mit Waffen versehen. Bei ihrer Ankunft auf nationalem Territorium wurden sie schnell vom Geheimdienst der FLN identifiziert, traten entweder in unsere Reihen ein oder wurden zum Tode verurteilt wegen Verrat an der nationalen Sache und Kollaboration mit dem Feind und wurden hingerichtet.

Eine klassische Erklärung

Frankreich blieb nur noch eine dritte und letzte Operation durchzuführen übrig. Diese barg zwei Momente, die ziemlich nahe beieinander liegen: die Entdeckung, dass die nationale Befreiungsbewegung vom Ausland gelenkt wird und besonders von den Kommunisten.
Die erste, spektakuläre Phase illustriert zur Genüge den Grad der Bewusstlosigkeit, den die französische Regierung erreicht hat. Die Suez-Expedition hatte zum Ziel, die algerische Revolution auf ihrem Höhepunkt zu zerschlagen. Ägypten, das beschuldigt wurde, den Kampf des algerischen Volkes zu führen, wurde auf kriminelle Weise bombardiert. Der internationale Friede, der auf dem Spiel stand, konnte durch die nachdrückliche und unzweideutige Haltung der UNO gerettet werden.
Und zur gleichen Zeit verstärkten sich die militärischen Operationen in Algerien. Die FLN ergreift an allen Ecken und Enden des Territoriums die Initiative. Der große achttägige Streik bekräftigt die nationale Einheit im Kampf und das Festhalten an den Zielen.
Die zweite Phase, begonnen, eingestellt und wiederaufgenommen, wurde niemals bis zum Ende geführt. Das kommunistische Schreckgespenst wurde wenig ausgeschlachtet. Die französischen Kolonialisten, in Konfusion, ahnten die Zusammenhanglosigkeit. Sie waren von dieser These nicht überzeugt.
Drei politische Operationen zerbrachen, ebenso wie die gleichzeitigen militärischen Operationen, an den nationalen algerischen Streitkräften. Alle bekannten Methoden, alle gewöhnlichen Manöver erwiesen sich als unwirksam, unzureichend, nutzlos. Gewiss wird die eine oder andere dieser Operationen wiederholt werden. Aber die Schwungkraft ist gebrochen.

Sinnlose Träume

Angesichts des algerischen Volkes verstehen die französischen Strategen nichts mehr. Ihre klassischen und altbewährten Schemen sind von nun an unbrauchbar. Auch kann man beobachten, wie Frankreich immer häufiger zu Spekulationen greift. Die Erklärungen von Politikern nehmen häufig prophetischen Charakter an.
Die Differenzen in der Führung der FLN würden von einem Augenblick auf den anderen aufbrechen. Die Militärs versuchten, die Führung der Bewegung zu übernehmen. Ein sehr harter interner Kampf würde zwischen Extremisten und Gemäßigten vor sich gehen. Die Kabylen würden in absehbarer Zeit einen Coup durchführen. Kurz und gut, ein Kampf der Obersten um die Macht steht unmittelbar bevor.
Nachdem Frankreich aufgehört hat zu handeln und realistischen Entscheidungen aus dem Wege geht, bleibt ihm in Algerien nur noch zu hoffen, zu wünschen und zu prophezeien.
Auf dem nationalen Territorium isoliert, ohne jeden Kontakt mit dem algerischen Volk, nimmt Frankreich immer vagere und illusorischere Positionen ein.
Normalerweise, meinen die französischen Regierungen, müssten die Algerier anfangen müde zu werden.
Wünsche werden formuliert, Hypothesen werden aufgestellt und in wohlbekannter Weise werden sie in Elemente der Wirklichkeit verwandelt: Die Mitglieder des Nationalrates der algerischen Revolution sind uneinig und die bösartigen Militärs terrorisieren die Parteigänger von Verhandlungen. Und manchmal, wenn die Franzosen von der Wirkungslosigkeit ihrer Wünsche enttäuscht sind, schmollen sie.
Der FLN wirft man ihren monolithischen Charakter vor, das Fehlen von Zerwürfnissen, und dem algerischen Volk wirft man vor, sich für einen Toten zu schlagen.
Nun, an die Wirklichkeit muss ganz anders herangegangen werden. Die französischen Behörden müssen sich ein für alle Mal darüber im Klaren werden, dass man den Tatsachen nicht ausweichen kann. Die Flucht in die Welt der Wünsche, in nutzlose Zornesausbrüche stellt keine Lösung des französisch-algerischen Krieges dar.
Ja, seit drei Jahren ist das algerische Volk monolithisch. Und das, weil die Losungen von ungewohnter Klarheit und Einfachheit sind. Nationale Unabhängigkeit durch den bewaffneten Kampf, Ziele, Grenzen, Methoden und Mittel des Kampfes sind ein für alle Mal festgelegt.
Das Trugbild von möglichen Zerwürfnissen offenbart den völligen Mangel eines kritischen Sinnes, zumal die Wirklichkeit sich diesen Visionen oder Wünschen nicht angleichen zu wollen scheint.
Die FLN ist keine Bewegung von standespolitischem Charakter und jeder Kuhhandel ist undenkbar.
Die CNRA stellt nicht eine Interessengruppe dar, sondern den politisch-militärischen Generalstab einer Nation im Kampf um ihre Unabhängigkeit.
Ohne Bezug auf die Wirklichkeit, unfähig oder nicht willens, den algerischen nationalen Willen anzuerkennen und die sich aufzwingenden logischen Schlussfolgerungen zu ziehen, ergehen sich die französischen Behörden heute in Wünschen oder Prophezeiungen.

2.Algerien und die französischen Folterknechte16

Die algerische Revolution, beseelt von zutiefst menschlichen Beweggründen und dem leidenschaftlichen Glauben an die Freiheit, macht sich seit drei Jahren methodisch an die Zerstörung einer ganzen Reihe von Mystifikationen.
Gewiss, die algerische Revolution verleiht der nationalen Existenz wieder einen Sinn. Gewiss, sie zeugt vom Willen des Volkes. Aber die eigentliche Bedeutung unserer Revolution liegt in der Botschaft, die sie vermittelt.
Die wahrhaft monströsen Praktiken, die seit dem 1. November 1954 in Erscheinung traten, erstaunen vor allem durch ihr Allgemeinwerden … In Wahrheit ist das Verhalten der französischen Truppen in Algerien in der Struktur der Polizeiherrschaft begründet, in einem systematischen Rassismus, in einer Entmenschlic...

Table of contents

  1. Cover
  2. Titel
  3. Inhaltsverzeichnis
  4. Vorwort
  5. I. Der Kolonisierte in Frage
  6. II. Rassismus und Kultur
  7. III. Für Algerien
  8. IV. Der Befreiung Afrikas entgegen
  9. V. Afrikanische Einheit
  10. Anmerkungen
  11. Weitere E-books von MÄRZ Verlag
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Fanon, F. (2022). Für eine afrikanische Revolution (1st ed.). MÄRZ Verlag. Retrieved from https://www.perlego.com/book/3250470/fr-eine-afrikanische-revolution-politische-schriften-pdf (Original work published 2022)

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Fanon, Frantz. (2022) 2022. Für Eine Afrikanische Revolution. 1st ed. MÄRZ Verlag. https://www.perlego.com/book/3250470/fr-eine-afrikanische-revolution-politische-schriften-pdf.

Harvard Citation

Fanon, F. (2022) Für eine afrikanische Revolution. 1st edn. MÄRZ Verlag. Available at: https://www.perlego.com/book/3250470/fr-eine-afrikanische-revolution-politische-schriften-pdf (Accessed: 15 October 2022).

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Fanon, Frantz. Für Eine Afrikanische Revolution. 1st ed. MÄRZ Verlag, 2022. Web. 15 Oct. 2022.